# taz.de -- Fußballklub Hoffenheim in der Krise: Hoffenheim wird normal | |
> Mäzen Dietmar Hopp gibt seine Mehrheitsanteile an der TSG Hoffenheim ab, | |
> die strukturellen Probleme des Fußballklubs dürften aber bestehen | |
> bleiben. | |
Bild: Sinnbild der Formkrise: Hoffenheims Kevin Akpoguma am Boden | |
Um kurz vor 18 Uhr fährt am zugigen und im Normalfall weitgehend | |
verlassenen Bahnhof „Sinsheim Museum/Arena“ ein langer Zug ab, der das | |
Stadion der TSG Hoffenheim mit Heidelberg und Mannheim verbindet. Von dort | |
aus bekommen die Gästefans an Spieltagen Anschluss in ihre Herkunftsstädte | |
– und auf dem Weg dorthin jede Menge Informationen über die TSG und deren | |
mannigfaltige Probleme. Am vergangenen Samstag, nach dem Dortmunder | |
1:0-Sieg im ausverkauften Stadion, erfuhr da beispielsweise ein Pulk | |
siegestrunkener BVB-Fans, warum die Spiele der TSG nur selten so gut | |
besucht sind. | |
Eine etwas andere Sicht auf die Strahlkraft des Vereins dürfte derweil | |
[1][Dietmar Hopp haben, der Milliardär und TSG-Gönner,] der selbst einst | |
für den Verein aus seinem Heimatdorf gespielt hat. Gerne erzählt er, dass | |
es dort früher als Torprämie eine Leberwurstdose vom örtlichen | |
Metzgermeister gegeben habe. Für Hopp ist ein Zuschauerschnitt von über | |
20.000 wohl eher der Beweis, was sich vor Ort entwickelt hat. Schließlich | |
zählt das Örtchen Hoffenheim, wo immer noch die zweite Mannschaft und das | |
Frauen-Erstligateam spielen, nur knapp über 3.200 Seelen. | |
Dass Hopp nun auf seine Stimmrechtsmehrheit verzichtet, überraschte am | |
Mittwoch selbst Hoffenheimer Insider. Der Milliardär, der in den | |
vergangenen zwanzig Jahren etwa 350 Millionen Euro in die TSG investiert | |
haben soll, gibt seine Anteile an den Gesamtverein ab. Sein Rückzug als | |
Mehrheitsgesellschafter dürfte eine Reaktion auf ein [2][Urteil des | |
Bundeskartellamts von 2021] sein. | |
Das hatte die 50+1-Regel durchgewunken, die besagt, dass Investoren nicht | |
die Stimmenmehrheit in einem Klub innehaben dürfen. Es hatte aber die | |
Ausnahmen von der Regel (Hoffenheim, Leverkusen und Wolfsburg) kritisch | |
bewertet. „Wir haben vor und nach der Erteilung der Ausnahmegenehmigung | |
immer im Sinne von 50+1 agiert“, stellt Hopp klar. „Der Sonderstatus diente | |
nie dazu, diese Regelung aushöhlen oder unterwandern zu wollen.“ | |
Welche Auswirkungen Hopps Schritt auf die Statik im Verein hat, ist offen. | |
Offiziell heißt es, dass Hopp keinerlei operative Entscheidungen treffe. De | |
facto dürften keine wichtigen Personalien beschlossen werden, ohne dass er | |
vorher den Daumen gehoben hätte. Fraglich ist, ob sich durch Hopps Schritt | |
die prominente Rolle der Spielerberater-Agentur Rogon ändert, deren Chef | |
Roger Wittmann Hopp seit Jahren seinen „Freund“ nennt. | |
## Liaison mit Berater | |
Kritik an der großen Macht der Agentur bügelt Hopp intern seit jeher mit | |
auf den ersten Blick guten Argumenten ab. So liefen in Georginio Rutter, | |
Joelinton, Roberto Firmino gleich alle drei Spieler unter Rogon-Flagge, die | |
Wittmann für jeweils um die vierzig Millionen Euro nach England verkaufte. | |
Es fällt allerdings auf, dass Wittmann Spieler bei der TSG parkt, die den | |
Verein nicht weiterbringen. Die Liaison stößt mittlerweile auch den Fans | |
sauer auf. Am Samstag hielten sie ein Protestplakat hoch: „Frische Gedanken | |
wagen – Hopp und Rogon hinterfragen.“ | |
Hopp hat das wohl getan. Ob das Konsequenzen für die Transferpolitik hat, | |
wird sich weisen. Auch Sportdirektor Alexander Rosen hatte nach dem 2:5 in | |
Bochum angekündigt, „größere Fragen zu stellen“, und dürfte dabei auch … | |
medizinische Abteilung gemeint haben. | |
Denn tatsächlich fällt die Häufung an Muskelverletzungen auf, bei einigen | |
Spielern kam es zudem zu langen Rekonvaleszenzen. Doch es gibt in Sinsheim | |
noch ein paar grundlegende Probleme mehr – und das, obwohl eigentlich ein | |
Konzept verfolgt wird, für das mancher Konkurrent gelobt und als | |
sympathisch gepriesen wird. | |
Es sieht vor, dass angehende Stars weiterverkauft werden, sobald größere | |
Klubs Interesse bekunden. Verpflichtet werden dafür entwicklungsfähige | |
Spieler, die dann auch gerne ein paar Millionen kosten dürfen. Traditionell | |
wird zudem die Nachwuchsarbeit mit guten Konzepten, gutem Personal und Geld | |
betrieben. Doch was anderorts die Basis für kontinuierliches Wachstum ist, | |
will in Sinsheim nicht über längere Zeiträume gelingen. | |
## Krasse Fehlgriffe auf der Cheftrainerposition | |
Unter den Trainern Ralf Rangnick und Julian Nagelsmann hatte die TSG nicht | |
nur Erfolg, ihr Spiel strahlte auch etwas Eigenes, Unverwechselbares aus, | |
das neugierig machte. Aber gleich mehrfach folgten in den vergangenen | |
Jahren auch krasse Fehlgriffe auf der Cheftrainerposition. Neugierig machte | |
in manchen Jahren da nur eine Frage: wie ein Team, das aus elf guten | |
Einzelspielern besteht, als Mannschaft so schlecht Fußball spielen kann, | |
wie es die TSG nun auch seit Herbst wieder tut. | |
Hopp selbst würde einen Abstieg auch als persönliche Niederlage empfinden. | |
Dass er sich nach der Rückgabe seiner Stimmenmehrheit auch inhaltlich | |
zurückzieht, ist deshalb nicht zu erwarten. Schließlich dürfte es im | |
Kraichgau kaum jemanden geben, der mehr unter der sportlichen Lage leidet | |
als der größte und älteste Fan der TSG. | |
Die hat am Wochenende gegen Dortmund die fünfte Niederlage hintereinander | |
kassiert, dabei aber einen ansprechenden Auftritt gezeigt. „Wir haben es | |
noch drauf“, findet Mittelfeldmann Christoph Baumgartner, der wie sein | |
Trainer Pellegrino Matarazzo eine Wende zum Guten festgestellt hat. Ob die | |
endlich auch wieder zu Punkten führt, wird sich in den kommenden Wochen | |
zeigen. | |
4 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Dietmar_Hopp | |
[2] https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/20… | |
## AUTOREN | |
Christoph Ruf | |
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