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# taz.de -- Inlandsflüge im deutschen Fußball: Liga der Flieger
> In der Fußball-Bundesliga sind Kurzstreckenflüge trotz Klimakrise üblich.
> Sogar von Frankfurt nach Freiburg reist man mit dem Flugzeug.
Bild: Hurra, Hurra, die Frankfurter sind da! Der Flieger der Eintracht nach der…
„Bequemer geht’s nicht“, so bewirbt ein internationales Zugportal im
Internet die schnellen Verbindungen zwischen Frankfurt am Main und
Freiburg. Für den Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt gibt es
offenkundig attraktivere Alternativen. Als Trainer Oliver Glasner nach der
Partie beim SC Freiburg zum Ausfall des Stammtorhüters Kevin Trapp befragt
wurde, [1][erzählte er:] „Er hat gestern Abend schon etwas gespürt, (…),
dann haben wir gesagt, er fährt oder fliegt mit uns – wir sind ja heute
erst angereist, er fliegt mit uns heute runter.“
Die beiden Städte sind via Luftlinie 243 Kilometer voneinander entfernt,
für die Zuglinie braucht der ICE 2 Stunden und 10 Minuten. Warum nutzt der
Klub, der vor knapp zwei Jahren stolz verkündete, bei einer Studie in der
Bundesliga-Nachhaltigkeits-Tabelle auf dem fünften Platz gelandet zu sein,
dennoch für diesen Kurztrip das Flugzeug?
Nachgefragt hat damals in Freiburg niemand. Jan Stasheim, bei der Eintracht
Leiter Medien und Kommunikation, zeigt sich Wochen später erst einmal
ratlos. Grundsätzlich steuere man in der Saison 9 von 17
Bundesligastandorten mit Bus und Bahn an – auch Freiburg. Er schreibt:
„Gegebenenfalls hat es sich hier um einen Versprecher gehandelt“. Er werde
den Trainer dazu befragen.
Drei Tage später, nach wiederholter Nachfrage der taz antwortet Stasheim:
„Aufgrund der Tatsache, dass es sich um ein Abendspiel unter der Woche
gehandelt hatte, ist die Mannschaft tatsächlich nach Freiburg geflogen.
Dies ist allerdings als absolute Ausnahme zu verstehen.“ Und er erklärt:
„Leider verzerrt dieser Fall das Bild etwas, denn in der Regel reisen wir
bewusst.“ Vor dem Hintergrund der Klimakrise, hatte er zuvor geschrieben,
sehe der Verein grundsätzlich die zwingende Notwendigkeit zu ökologischem
Handeln.
## Sicherheitsbedenken bei der Auskunft
Vor zweieinhalb Jahren geriet bereits das DFB-Nationalteam, das so gern
gesellschaftliches Vorbild sein will, in Turbulenzen der öffentlichen
Diskussion. Um zu langes Sitzen zu vermeiden, flog man damals „aus
Verantwortung gegenüber den Vereinen“ (Zitat Oliver Bierhoff) von Stuttgart
nach Basel.
[2][Von ökologischer Verantwortung wird im Profifußball] aber ebenfalls
viel gesprochen. Die Deutsche Fußball Liga verpflichtet die Vereine
neuerdings, eine Nachhaltigkeits- und Umweltstrategie vorzulegen. Ab der
Saison 2023/24 werden Mindestkriterien für das Lizenzierungsverfahren
überprüft.
Es wird dabei auch darum gehen, eigenes Handeln transparent zu machen. Noch
tun sich damit einige Vereine schwer. Auf eine Anfrage der taz an die 18
Bundesligisten, wie häufig die Vereine vergangene Saison das Flugzeug für
die Auswärtsreisen genutzt haben und welches die kürzeste Flugreise war,
meldet sich immerhin das Gros der Liga. Lediglich fünf Vereine, darunter
Bayern München und Borussia Dortmund, antworten überhaupt nicht.
Der VfL Bochum und Bayer Leverkusen verweigern aus Sicherheitsgründen
genauere Auskünfte. „Der Schutz unserer Werkself und sämtlicher Begleiter
auf Reisen im In- und Ausland ist ein sensibles Thema“, schreibt Bayer
Leverkusen und bittet um Verständnis. Der Verein sei aber entschlossen,
sich „in diesem für uns alle wichtigen Zukunftsthema weiterzuentwickeln“.
Die Bochumer erklären zumindest, Flüge seien bei ihnen die Ausnahme. In
erster Linie sportliche Erfordernisse, so stellt Union Berlin klar, seien
für die Reiseart entscheidend. Zu „betrieblichen Abläufen“ gebe man im
Detail keine Auskünfte.
## Flugbewegungen auf der Homepage
Lediglich pauschale Bekenntnisse zu nachhaltigem Handeln ohne die
gewünschten konkreten Informationen erhält man vom SC Freiburg, Borussia
Mönchengladbach und dem FC Augsburg. Im Gegensatz dazu bieten andere
Vereine wiederum sehr genaue Zahlen an.
Der VfB Stuttgart hat die Anzahl seiner neun Inlandsflüge vergangene Saison
[3][sogar auf seiner Homepage] aufgeführt. Im Rahmen einer großen
Treibhausgasbilanz, die etliche Faktoren wie Fanbewegungen, Müllproduktion,
Energieverbrauch enthält. Beim FSV Mainz 05 verweist man darauf, seit
diesem Jahr der erste klimaneutrale Verein der Liga zu sein. Bei der
Inlandsflugfrage gelten hier als grobe Richtlinien, dass Flugreisen erst ab
400 Kilometer Entfernung in Erwägung gezogen werden. So habe es in der
Saison 2021/22 sechs Flugreisen gegeben.
Auf acht Flugreisen kommt die ebenfalls sehr transparente TSG Hoffenheim.
Die Debatte um Kurzstreckenflüge, heißt es dort, sei „unbedingt richtig“.
Die Vereine, die sich aufgeschlossen und auskunftsfreudig zeigen und die
Bedeutung von Nachhaltigkeitsprojekten betonen, unterscheiden sich deshalb
im Flugverhalten aber nicht unbedingt von anderen Teams. Die Hoffenheimer
flogen vergangene Saison beispielsweise in das 314 Kilometer entfernte
München. Und die Stuttgarter nach Köln, obwohl eine schnelle Zugverbindung
(2 Stunden und 14 Minuten) besteht.
Ein Vergleich, welche Vereine weniger Flüge bucht, wäre eh schief. Hertha
BSC und RB Leipzig weisen zu Recht darauf hin, dass man aufgrund des
Standortes häufiger weitere Auswärtsreisen unternehmen muss als andere
Vereine. Im Schnitt, legt Hertha offen, sei man pro Saison 11 bis 13 Mal
mit dem Flugzeug unterwegs.
## Auch ein wenig Flugscham
Die Nutzung von Inlandsflügen ist eine Selbstverständlichkeit in der
Bundesliga. Häufig machen die Vereine in ihren Antworten auf den Konflikt
zwischen den Anforderungen des Profisports und dem
Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Umwelt aufmerksam. Flugscham,
darauf deutet die mitunter spärliche Auskunftsfreude hin, gibt es in der
Liga durchaus.
Diejenigen Klubs, die mit Transparenz in die Offensive gehen, verweisen
gern auf ihre Konzepte zur Verringerung ihres gesamten CO2-Fußabdrucks. Es
ist der Versuch, schlechtere Werte in einer Disziplin durch gute Taten in
anderen zu kompensieren.
Auf die Frage der taz, ob der jeweilige Verein in Zeiten der Klimakrise das
Flugzeug heute seltener nutzt als früher, hat übrigens nur Werder Bremen
offen geantwortet: Man versuche zwar Synergien zu nutzen, mit St. Pauli sei
man gemeinsam ins Wintertrainingslager geflogen, die Anzahl der Flüge
bewege sich aber noch auf gleichbleibendem Niveau.
18 Feb 2023
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=OyfnGzvuFzg
[2] /Fussball-entdeckt-Klimaschutz/!5846296
[3] https://www.vfb.de/de/vfb/aktuell/neues/vfbfairplay/2223/kontinuierlich-den…
## AUTOREN
Johannes Kopp
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