| # taz.de -- Fußballverein erzieht Mitarbeiter*innen: Weniger CO₂, mehr Geld | |
| > Der Zweitligist VfL Osnabrück hat eine Gemeinwohl-Klausel zur | |
| > CO₂-Reduktion in seinen Arbeitsverträgen verankert. Ist das übergriffig | |
| > oder sinnvoll? | |
| Bild: Auch politisches Engagement gibt es beim VfL: Schweigeminute vor dem Spie… | |
| Osnabrück taz | Gemeinwohl. Klingt gut, dieses Wort. Nach ethischer | |
| Haltung, sozialem Bewusstsein. Perfekt, um sich damit zu profilieren. Auch | |
| der Osnabrücker „Verein für Leibesübungen von 1899“ (VfL), dessen | |
| Fußball-Profimannschaft derzeit in der Zweiten Bundesliga spielt, setzt auf | |
| dieses Wort. Es gibt Gemeinwohl-Tickets. Und es gibt eine | |
| Gemeinwohl-Klausel; seit 2021 steht die in seinen Arbeitsverträgen. | |
| „Die Themen Enkeltauglichkeit und Gemeinwohl beschäftigen uns in vielerlei | |
| Hinsicht als Klub und sind fester Bestandteil unserer Mission und Vision“, | |
| sagt VfL-Sprecher Sebastian Rüther der taz. Ein Aspekt dabei sei die | |
| [1][Nachhaltigkeit]. So sei die Idee der Gemeinwohl-Klausel entstanden. | |
| Ihren Wortlaut will Rüther der taz allerdings nicht nennen. Nur so viel: | |
| Sie enthält die Kompensation der persönlichen, berufsbezogen emittierten | |
| CO2-Äquivalente. Das geschieht, indem der „entsprechende monetäre Wert“ v… | |
| Gehalt abgezogen wird, so schreibt es der Verein demonstrativ auf seiner | |
| Website. Auch „Aspekte wie vegane oder vegetarische Ernährungsgewohnheiten“ | |
| seien „eingeflossen“, heißt es dort. | |
| Als Partner hat sich der VfL dafür „Fortomorrow“ gesucht, eine Berliner | |
| gemeinnützige GmbH, deren Gesellschaftsvertrag „Projekte zur Minderung von | |
| Treibhausgasemissionen“ als Zweck anführt, „Projekte, die die | |
| atmosphärische Treibhausgas-Konzentration senken“, von der Baumpflanzung | |
| bis zu Aufkauf von Emissionsberechtigungen. Auch von „Maßnahmen zur Bildung | |
| und Bewusstseinsbildung“ zu Umwelt- und [2][Klimaschutz] spricht der | |
| Vertrag. Die Kompensationen der VfL-Belegschaft tragen dazu bei, dies | |
| mitzufinanzieren. | |
| Der Arbeitgeber berechne „das Thema Mobilität in Bezug auf den Weg zur | |
| Arbeit“, erklärt Rüther; pro Tonne CO2 falle eine Kompensationszahlung von | |
| rund 40 Euro an. Die weitere Bilanz werde vom Mitarbeitenden selbst | |
| ermittelt, über den CO2-Rechner des Umweltbundesamtes. „Ob er dies tut, ob | |
| seine Angaben korrekt sind und wie viele der berechneten CO2-Emissionen er | |
| davon über die Klausel kompensieren möchte, ist seine persönliche | |
| Entscheidung und völlig freiwillig“, sagt Rüther. Der Maximalbetrag aber | |
| sei „mit 750 Euro pro Jahr festgeschrieben“. | |
| Etwa zwei Drittel der Arbeitsverträge beim VfL Osnabrück enthalten die | |
| Klausel schon. „Das Feedback war generell positiv“, sagt Rüther. „Niemand | |
| hat sich geweigert, einen Vertrag mit Klausel zu unterschreiben. Auch kam | |
| es weder in der Vergangenheit noch würde es in Zukunft zu einer | |
| Nichteinstellung kommen, wenn jemand mit der Klausel nicht einverstanden | |
| ist. Die Gemeinwohl-Klausel unterliegt der Freiwilligkeit.“ | |
| Das liest sich auf der [3][Website des Vereins] anders. Dort sagt | |
| VfL-Geschäftsführer Michael Welling, die Klausel sei „verpflichtend für | |
| jeden neuen Mitarbeitenden“, bezeichnet die Kompensierung als „effektiv“. | |
| Aber wenn die Klausel „verpflichtend“ ist, warum bekommt dann auch der beim | |
| VfL einen Job, der „nicht einverstanden“ ist? Das klingt nach einem | |
| Widerspruch. Allerdings wäre es ja auch nicht schlimm, trotzdem zu | |
| unterschreiben, schließlich lässt sich die Kompensation offenbar weitgehend | |
| unterlaufen, was das Ganze potenziell zur Luftnummer macht. | |
| Mehr noch: Niemand mit der Klausel im Vertrag werde finanziell schlechter | |
| gestellt als ohne, sagt Rüther, „weil sie nur mit einer entsprechenden | |
| Gehaltserhöhung oder in der Verbindung mit Gehaltsverhandlungen bei neuen | |
| Arbeitsverträgen Berücksichtigung findet“. Es liege kein | |
| Bestrafungsmechanismus, sondern ein Anreizsystem zugrunde. Auch Welling | |
| spricht von einem „direkten monetären Anreiz zur Verhaltensänderung“. | |
| Nachhaltigkeit soll sich also rechnen. Und der VfL will zu ihr erziehen. | |
| Die Klausel sei „eine Option, um für das Thema ökologische Nachhaltigkeit | |
| zu sensibilisieren“, sagt Rüther, und das passt zum VfL, denn der zeigt | |
| auch anderweitig gesellschaftlich Flagge: Seine [4][Positionierung gegen | |
| rechte Gesinnung] ist demonstrativ. | |
| ## In der Umsetzung hakelig | |
| Die Frage, auf welcher arbeitsrechtlichen Grundlage die Klausel fußt, wehrt | |
| Rüther ab: „Ob die Gemeinwohl-Klausel in Verträgen vor einem Arbeitsgericht | |
| standhalten würde, spielt für uns keine entscheidende Rolle, weil sowohl | |
| die Unterschrift und Anerkennung der Klausel als auch die Angabe und | |
| Kompensation der meisten Emissionen auch mit Klausel auf Freiwilligkeit | |
| beruhen.“ | |
| In Zahlen drückt sich diese Freiwilligkeit so aus: In der Saison 2022/23 | |
| betrug das Kompensationsvolumen insgesamt rund 7.000 Euro, bei 19 | |
| Arbeitsverträgen. Heute steht die Klausel in mehr als doppelt so vielen | |
| Verträgen. Eine gute Idee, auch für das Image des Fußballvereins. Aber in | |
| der Umsetzung hakelig. | |
| Die Klausel des VfL „scheint ein Bestreben, seine gesellschaftliche | |
| Verantwortung wahrzunehmen“, räumt Gewerkschaftssekretär Olaf Cramm ein, | |
| DGB-Region Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim. Solange die Absicht die | |
| Bewusstmachung gemeinsam zu verantwortenden Handelns sei „und nicht | |
| disziplinierender Zwang oder übergriffige Kontrolle“, sei der VfL „auf | |
| einem sinnigen Weg“. | |
| Cramm mahnt jedoch: Freiwilligkeit habe beim Verkauf von Arbeitskraft | |
| „immer einen fragwürdigen Beigeschmack“. | |
| 7 Nov 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Harff-Peter Schönherr | |
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