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# taz.de -- Antirassismus im Fußball: Immer wenn es passt
> TSG Hoffenheim schließt sich dem antirassistischen Social-Media-Boykott
> englischer Fußballklubs an. Wie glaubwürdig ist die Aktion?
Bild: Sinsheim 2020: Karl-Heinz Rummenigge, Dietmar Hopp und ihre Spieler aktiv…
Die letzten Wochen haben dem Fußballgeschäft und seinem Image ordentlich
zugesetzt: Berichte über 6.500 tote Arbeitsmigranten [1][auf WM-Baustellen
in Katar], Scheitern des [2][Goldesels Super Leauge] und die ganze Zeit
schon Spiele in coronabedingt leeren Stadien, womit die Geschäftemacher den
Fußballfans etwas mitteilen, was die meisten von denen ohnehin schon
wissen: Es geht auch ohne euch! Aber das Geld kommt eben auch nur solange
zu den Klubs, solange Fans den Fußball konsumieren. Deshalb haben diese ihr
Image noch nicht völlig aufgegeben und stellen einmal mehr ihre Fähigkeit
unter Beweis, immerzu Tugend aus der Not machen zu können. Aktuell machen
sie Werbung aus Rassismus.
So haben Englands Fußballklubs einen kollektiven Social-Media-Boykott vom
30. April bis zum 3. Mai angekündigt, um gegen rassistische Beleidigungen
in den sozialen Netzwerken zu protestieren, wie die Premier League und der
englische Fußballverband FA am Wochenende mitgeteilt haben. Boykottieren
werden sie Facebook, Twitter und Instagram. Man wolle die Plattformen dazu
bewegen, mehr gegen den Hass im Netz zu unternehmen und zeigen, wie wichtig
der Kampf gegen Diskriminierung sei, heißt es in einer Stellungnahme.
Rassismus ist nach wie vor auch ein großes Problem im Fußball. Das zeigt
der laufende Spielbetrieb immer wieder und das illustrierte auch die vor
Kurzem veröffentlichte [3][Doku „Schwarze Adler“] eindrücklich. Nachdem
dieser Rassismus sich international schon seit Jahren in entsprechenden
Fangesängen und Rufen in Stadien äußert, zeigt er sich zuletzt auch immer
mehr auf Social Media: In England sind zuletzt immer wieder Spieler auf
rassistische Weise angegriffen worden, darunter Marcus Rashford von
Manchester United, der auch durch sein Engagement gegen Kinderarmut auf
sich aufmerksam gemacht hat. Auch der englische Nationalspieler Jude
Bellingham von Borussia Dortmund war betroffen.
Der Anlass für antirassistisches Engagement ist also gegeben. Und er ist
real. Das ändert nichts daran, dass Antirassismus im Profifußball gerne als
Marketingtool genutzt wird. Und dass zugleich entschiedenes Vorgehen gegen
Rassismus immer wieder dort fehlt, wo es möglich wäre. So hat [4][der DFB
2008 einen rührenden Werbespot] für „Integration“ mit migrantischen
Spielereltern gedreht, sich aber Jahre später nicht entschieden genug
hinter einen Spieler mit Migrationsgeschichte gestellt – als berechtigte
Kritik an Mesut Özil, der sich mit dem türkischen [5][Präsidenten Recep
Tayyip Erdoğan] fotografieren ließ, immer mehr in Rassismus umkippte und
schließlich zu Özils [6][Austritt aus der Nationalmannschaft] führte.
## Zwischen Marketing und Aufrichtigkeit
Dass sich nun ausgerechnet die TSG Hoffenheim, wie [7][am Montag
angekündigt], als erster deutscher Fußballklub der englischen Aktion
anschließt, hat bezüglich dieser Kluft zwischen kalkuliertem Marketing und
aufrichtiger Absicht eine ironische Note. Zwar klagt der Verein über
Rassismus gegen eigene Spieler wie Ryan Sessegnon und Diadie Samassékou.
Gleichzeitig stand er im vergangenen Jahr im Fokus, als der sogenannte
Dreistufenplan in der Bundesliga zum ersten Mal konsequent umgesetzt wurde.
Die Regel, die sich eigentlich ausdrücklich gegen Rassismus richtet, sieht
in solchen Fällen ein Eingreifen des Schiedsrichters vor, das bis zu einem
Spielabbruch führen kann.
Seine Premiere feierte der Plan aber nicht wegen Rassismus, sondern weil
FC-Bayern-Fans Ende Februar 2020 beim Auswärtsspiel in Hoffenheim den
Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp als „Hurensohn“ beleidigt hatten. Der
Schiedsrichter unterbrach das Spiel zwei Mal, am Ende kam es zu keinem
Spielabbruch, aber die Spieler beider Mannschaften schoben sich den Ball
aus Protest nur noch hin und her. Die Inszenierung fand ihren Höhepunkt als
nach Abpfiff Hopp und Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge gemeinsam
mit den Spielern auf dem Spielfeld standen und bei dramatisch strömendem
Regen sich selbst applaudierten.
Irritierend war diese Aktion damals nicht nur deshalb, weil
[8][Hertha-Spieler Jordan Torunarigha] ein ähnlich entschlossenes Vorgehen
des Schiedsrichters, Funktionären und Spielern vermisst hatte, als er nur
wenige Wochen vorher bei einem Spiel gegen Schalke rassistisch beleidigt
worden war. Verstörend war dabei auch, dass der DFB den Beleidigungen gegen
Milliardär Hopp, der auf narzisstische Weise und mit rechtlichen Mitteln
eine persönliche Fehde gegen Ultras führt, [9][diskriminierenden Charakter
zusprach] – und diese sogar in einen Zusammenhang mit den
[10][rassistischen Morden von Hanau] stellte.
Eine kürzlich erschienene Doku über den Konflikt zwischen den Ultras und
Hopp hat schließlich gezeigt, dass alle damals beteiligten
Antidiskriminierungsaktivisten von Hoffenheim über die geplanten
[11][Beleidigungen Bescheid wussten], und dass die große Inszenierung
sicher nicht so spontan war, wie sie den Eindruck erweckte. So viel zur
Glaubwürdigkeit, die man im Kampf gegen Rassismus schon braucht.
27 Apr 2021
## LINKS
[1] /Debatte-ueber-WM-in-Katar/!5754743
[2] /Gescheiterte-Super-League/!5763393
[3] /Doku-ueber-schwarze-Fussballprofis/!5761076
[4] https://www.youtube.com/watch?v=ZMZqIMHKc0A
[5] https://gazete.taz.de/article/index.html%3Farticle=!5506264.html
[6] /Nach-Debatte-um-Foto-mit-Erdoan/!5523134
[7] https://www.tsg-hoffenheim.de/aktuelles/news/2021/04/gegen-rassismus-und-ha…
[8] /Rassismus-gegen-Hertha-Spieler/!5658247
[9] /Diskriminierung-von-Hoffenheims-Hopp/!5666640
[10] https://www.dfb.de/news/detail/faq-zur-anwendung-des-drei-stufen-plans-213…
[11] /Sportmoderator-Breyer-ueber-Hopp-Doku/!5758565
## AUTOREN
Volkan Ağar
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