# taz.de -- Rassistische Angriffe auf Fußballer: Eine massive Belastung | |
> Der englische Fußball boykottiert Social Media, um gegen Rassismus zu | |
> protestieren. Hoffenheim schließt sich an. Wie ist die Lage in der | |
> Bundesliga? | |
Bild: Wehrt sich: Ryan Sessegnon macht rassistischen Hass gegen ihn auf Social … | |
Geschlossener könnte der Protest im englischen Profifußball nicht sein. Der | |
Fußballverband (FA), die Premier League der Männer, die Women's Super | |
League der Frauen und weitere Vereine anderer Spielklassen und | |
Organisationen [1][treten nun in einen dreitägigen Social-Media-Streik]. | |
Vom 30. April um 15 Uhr an bis zum 3. Mai soll sich auf den Accounts des | |
englischen Fußballs nichts tun. Aus Protest gegen die massiv zunehmenden | |
rassistischen Anfeindungen, denen sich Profifußballer:innen im Internet | |
ausgesetzt sehen. | |
Vergangenen Herbst bereits nahm die Debatte Fahrt auf, als die Professional | |
Footballers' Association, die Gewerkschaft der Profifußballer, | |
erschreckende Ergebnisse einer Studie präsentierte: 43 Prozent der | |
befragten englischen Premier-League-Spieler hatten schon rassistische | |
Beschimpfungen im Netz erhalten. Mit der am Wochenende beginnenden | |
symbolischen Protestaktion soll der Forderung Nachdruck verliehen werden, | |
dass etwa die Plattformbetreiber von Facebook, Twitter und Instagram | |
handeln müssen. Die Zahlen belegen, wie einfach es ist, anonym | |
rassistischen Hass zu verbreiten. | |
Dem kollektiven Boykott in England hat sich nun diese Woche ein Verein aus | |
der Bundesliga, die TSG Hoffenheim, angeschlossen. Ist das Problem ein | |
vornehmlich englisches? Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der deutschen | |
Spielergewerkschaft (VDV), sagt, seiner Organisation lägen leider keine | |
genauen Daten für die Profis in der Bundesliga vor, zahlreiche | |
Erfahrungsberichte zeugten aber davon, dass es ein „relevantes Problemfeld“ | |
sei. Allerdings bezieht er sich in seiner Antwort auf Cybermobbing im | |
Allgemeinen und nicht auf rassistische Anfeindungen. | |
Bei der TSG Hoffenheim stellt Holger Kliem, der Leiter der Medien- und | |
Öffentlichkeitsarbeit, fest: „Rassistische Anfeindungen gegenüber unseren | |
Spielern nehmen auch auf deren Social-Media-Accounts zu. Es sind nicht | |
immer gleich extreme Beschimpfungen, wie sie unsere Spieler Ryan Sessegnon | |
und Diadié Samassékou erleben mussten. Aber Respektlosigkeit und | |
Alltagsrassismus sind leider an der Tagesordnung.“ | |
## „Keine Überraschung“ | |
Vergangenen November machte Sessegnon, Hoffenheims Leihspieler von den | |
Tottenham Hotspurs, [2][öffentlich, welch üble rassistische Beschimpfungen] | |
er nach einem Spiel bei Union Berlin auf seinem Instagram-Kanal erhielt. | |
Und er bemerkte: „Das Verrückteste ist, dass ich nicht einmal mehr | |
überrascht bin.“ Der Verein teilte seinen Post. Kliem sagt: „So etwas | |
belastet die Spieler massiv. Das kann man nicht einfach abstreifen, das | |
geht tief rein, hallt nach und beschäftigt einen.“ | |
Der zunehmende Rassismus habe auch Auswirkungen auf das Team. „Wir haben | |
eine Gruppe von Spielern“, berichtet Kliem, „die sehr engagiert sind und | |
sich mit dem Thema auseinandersetzen. Chris Richards etwa beschäftigt sich | |
sehr stark mit dem Thema – es geht ihm wahrlich unter die Haut. So trägt er | |
zum Beispiel mit großem Respekt ein Tattoo von Menschenrechtler Martin | |
Luther King auf seinem Oberarm, eines von Barack Obama soll folgen.“ Der | |
Entschluss des Vereins, sich am Boykott zu beteiligen, sei bei den Spielern | |
gut angekommen. | |
Auch bei Borussia Dortmund bestätigt man auf Anfrage eine Zunahme von | |
rassistischen Anfeindungen gegenüber den Profis: „Ja. Das Problem wird | |
zunehmend größer, nicht nur auf Social Media.“ Mehrere Spieler seien in der | |
letzten Zeit in den sozialen Netzwerken rassistisch beleidigt worden. Für | |
Aufsehen sorgte etwa im März ein Screenshot von [3][Jude Bellingham, der so | |
rassistische Beleidigungen sichtbar machte], die er auf seinen | |
Social-Media-Account erhielt. „Nur ein weiterer Tag in den sozialen | |
Medien“, schrieb er dazu. | |
Der Verein erklärt, wichtig sei es bei solchen Vorfällen, mit den | |
Betroffenen zu sprechen und nach ihren Wünschen zu fragen. Dem aktuellen | |
Boykott in England werde man sich nicht anschließen, da es sich um eine | |
konzertierte Aktion der Premier League handle. Man werde sich aber weiter | |
klar positionieren und „gegebenenfalls größere Maßnahmen umsetzen“. | |
Etwas anders fällt die Analyse bei Hertha BSC aus: „Wir können nicht | |
erkennen, dass Anfeindungen jeglicher Art in der jüngeren Vergangenheit | |
drastisch zugenommen hätten. Dieses gesellschaftliche Thema begleitet uns | |
aber wie alle anderen auch seit längerer Zeit.“ Es sei „derzeit“ nicht | |
vorgesehen, sich dem Boykott anzuschließen. Grundsätzlich stünde der Klub | |
für Vielfalt und Toleranz und setze sich für diese Werte sehr aktiv ein. | |
Der Hoffenheimer Pressesprecher Kliem hält die Fragen, wie sehr die Zahl | |
rassistischer Beschimpfungen zugenommen hat, ob das Problem in England | |
größer ist als in Deutschland, für gar nicht maßgeblich. „Ich möchte kein | |
Ranking aufmachen, wo wird mehr beleidigt. Jeder einzelne Hasskommentar ist | |
einer zu viel.“ | |
Die Befragung der Spielergewerkschaft in England hat wiederum gewiss dabei | |
geholfen, den kollektiven Protest zu formen und den von Rassismus | |
Betroffenen das Gefühl zu geben, dass jede einzelne Verletzung ernst | |
genommen wird. | |
30 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.thefa.com/news/2021/apr/24/english-football-social-media-boycot… | |
[2] https://www.dw.com/de/hoffenheim-profi-ryan-sessegnon-rassistisch-beleidigt… | |
[3] /Antirassismus-im-Fussball/!5762892 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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