# taz.de -- Arsenal-Fan-TV-Gründer über Rassismus: „Die Uefa greift nicht e… | |
> Arsenal-Fan-TV-Gründer Robbie Lyle fordert, Rassismus im Fußball müsse | |
> von den Verbänden viel schneller und strenger bekämpft werden. | |
Bild: Stadionatmosphäre ohne Rassismus: Robbie Lyle kämpft für eine bessere … | |
taz: Herr Lyle, [1][Sie haben einen Film über Rassismus im Fußball | |
gedreht.] Stimmt es, dass Ihre Freund*innen nicht wollten, dass Sie ins | |
Stadion gehen? | |
Robbie Lyle: Ja, das ist richtig. In den 80er- und Anfang der 90er-Jahre | |
dachten viele meiner Freund*innen, ich sei deswegen von allen guten | |
Geistern verlassen. Manchmal hält mich auch meine Frau für verrückt. Es ist | |
eben Liebe zum Fußball, Arsenal und der Atmosphäre im Stadion. | |
Was bewirkt der Rassismus? | |
Erfahrungen mit Rassismus bleiben lange in der Erinnerung. Viele Fans | |
verlieren deswegen die Lust am Fußball. In Bradford leben viele Menschen | |
mit pakistanischem Hintergrund, aber sie gehen selten ins Stadion. Sie | |
haben keine Lust, rassistisch angemacht zu werden. | |
Bei Arsenal ist es besser? | |
Bei Arsenal gibt es eine große Diversität unter den Fans. Als Schwarze | |
Person fühlt es sich dort nicht unangenehm an. Bei Auswärtsspielen bemerke | |
ich jedoch manchmal rassistische Haltungen, gerade unter älteren Fans. Ich | |
frage mich dann immer, wie es heute noch sein kann, dass jemand nicht weiß, | |
dass Rassismus nicht in Ordnung ist. Dass man etwa nicht eine Bananenschale | |
wirft. | |
Sind auch die sozialen Medien daran schuld? | |
Nein, sie führen nur das, was existiert, allen vor Augen. | |
In ihrem Film zeigen Sie die rassistischen Kommentare, die immer wieder auf | |
ihrem Fernsehkanal, dem Arsenal-Fan-TV, hinterlassen werden. Wieso löschen | |
Sie die nicht einfach? | |
Es sind zu viele. Vor zwei Monaten drehten wir einen Livestream über | |
Rassismus im Fußball. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele | |
rassistische Kommentare da gemacht wurden. Was ich anstatt des Löschens | |
tue, ist, die Kommentare sogar in den Vordergrund zu stellen, damit alle | |
sie sehen können. | |
Vor einigen Wochen [2][haben englische Klubs drei Tage lang soziale Medien | |
boykottiert], als Protest gegen den Rassismus. Was halten Sie davon? | |
Eindeutiges und klares Vorgehen wäre mir lieber. Rassistische | |
Onlinekommentare müssen Konsequenzen haben, etwa Stadionverbote oder | |
Haftstrafen. Das muss so schnell und zielstrebig geschehen, wie die | |
Reaktion der Verbände gegen die Super League. Da hatten sie es eilig, weil | |
es ums Geld ging. Beim Rassismus gibt es nur geringe Bußgelder. Als | |
englische Fußballspieler in Bulgarien mit Hitlerarm begrüßt wurden und sich | |
einige Spieler gar weigerten weiterzuspielen, griff die Uefa nicht ein. Das | |
Spiel hätte abgebrochen werden müssen mit einer Siegwertung für England und | |
einer Disqualifikation Bulgariens. Mit solchen Spielregeln wird sich | |
irgendwann auch der letzte Ultra anständig benehmen. | |
Fehlen an der Verbandsspitze Schwarze oder Vertreter anderer Minderheiten? | |
Ja, Menschen mit diesen Hintergründen würden verstehen, wie sich Rassismus | |
oder Antisemitismus anfühlt. | |
Sie sagen, dass Veränderungen von den Fans kommen müssen. | |
Ja. Fans sind in der Lage, Rassismus, den sie beobachten, bloßzustellen und | |
zu melden. | |
Viele der Beispiele kommen aus England. Wieso ist es gerade hier so | |
wichtig, etwas dagegen zu machen? | |
Hooligans und Rassismus im Fußball stammen aus England und haben sich von | |
dort in die Welt verbreitet. Wir haben also damit länger zu tun, und hier | |
gibt es zugleich viele Schwarze Spieler*innen, die sich Rassismus nicht | |
mehr gefallen lassen. | |
Was treibt Sie persönlich denn an? | |
Meine Kinder sollen, wenn sie alle erwachsen sind, nicht mit dem Gleichen | |
konfrontiert werden wie meine Generation. Was mir Hoffnung gibt, ist, dass | |
jüngere Menschen Rassismus auch nicht mehr tolerieren. Das zeigt sich bei | |
den Black-Lives-Matter-Protesten. Es sind nicht nur Minderheiten, die sich | |
gegen Rassismus stellen. Wenn der Fußball den Rassismus nicht erfolgreich | |
bekämpft, verdirbt er es sich mit neuen Fans aus dieser Generation. | |
Sie haben mit Ihrem Vater gemeinsam nie ein Arsenal-Spiel besucht. Er | |
wollte nicht – wegen des Rassismus. | |
Mein Vater verfolgte Fußball sein Leben lang nur im Fernsehen. Er sah ein | |
einziges Spiel live im Stadion: Jamaika gegen England. Als Einwanderer aus | |
der Karibik erfuhr er generell viel Rassismus. Er und meine Mutter | |
erlaubten uns Kindern nicht, zu den Spielen ins Stadion zu gehen. | |
Wie waren die Reaktionen auf Ihren Film? | |
Fußballer wie etwa Ian Wright waren sehr zufrieden. Es gab aber auch | |
negative Reaktionen, etwa Leute, die sagen, es sei doch gar nicht so | |
schlimm. Anders als noch vor zehn Jahren wird Rassismus viel eher | |
wahrgenommen, während bekannte Fußballer wie Raheem Sterling keine Angst | |
haben, offen darüber zu sprechen, und sich sogar gegen die großen Medien zu | |
stellen. Ihre eigenen Plattformen in den sozialen Medien helfen dabei. Mit | |
AFTV kann auch ich Millionen erreichen. | |
Werden Sie weiter an dem Thema arbeiten? | |
Ich werde immer Rassismus beim Namen nennen. In der nächsten Saison werde | |
ich mit AFTV und weiteren Leuten eine Kampagne starten, die alle dazu | |
aufruft, Rassismus anzuprangern und zu melden. | |
18 May 2021 | |
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[1] https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/fussballszene-england--die-fa… | |
[2] /Rassistische-Angriffe-auf-Fussballer/!5763535 | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
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