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# taz.de -- Doku über schwarze Fußballprofis: Der unerreichbare Adler
> Die Doku „Schwarze Adler“ erzählt Geschichten schwarzer Fußballprofis in
> Deutschland. Und zeigt, wie wenig sich nach fast 50 Jahren getan hat.
Bild: Er war der erste Schwarze im deutschen Nationaltrikot: Erwin Kostedde, Au…
Fußball ist ein Versprechen, so wie Demokratie: Alle sollen gleiche Chancen
bekommen, alle sollen teilhaben, niemand soll benachteiligt werden. Je mehr
Hoffnung man in diesen Anspruch setzt, desto größer ist die Enttäuschung,
wenn die Versprechen nicht eingehalten werden. In der Dokumentation
„Schwarze Adler“ von Regisseur Thorsten Körner erzählen aktuelle und
ehemalige schwarze Fußballprofis, die gehofft haben und enttäuscht wurden,
von denen manche es ganz nach oben, in die Nationalmannschaft, geschafft
haben, aber trotzdem nie richtig dazugehören konnten; oder gerade ganz oben
so richtig erfahren mussten, wie wenig sie in den Augen der anderen
dazugehören.
Da ist die Geschichte von Erwin Kostedde, dem ersten schwarzen deutschen
Nationalspieler, der als Sohn eines afroamerikanischen Soldaten in Münster
geboren wurde. Heute ist er 74 Jahre alt, sitzt im urigen, holzverkleideten
Wirtshaus oder im Stadion seines einstigen Vereins Preußen Münster – und
erzählt; dass die Leute sehr überrascht gewesen seien, als er 1974 auf
Malta sein Länderspieldebüt gab, dass Journalisten komische Fragen gestellt
hätten; von seinem zweiten Länderspiel gegen England; wie er im Bus zum
Wembley-Stadion am Fenster gesessen habe, als dieser wegen angetrunkener
deutscher Fans anhalten musste; wie die ihn in dann rassistisch beleidigt
hätten.
„Dann geht das rein“, sagt Kostedde, als er das erzählt, und bewegt seine
Hand zur Brust. „Da müssen Sie unwahrscheinlich abgebrüht sein, wenn das
nicht hier bei Ihnen reingeht“. Einer von vielen Momenten in einem
traurigen Film, einem Film, der einen Schmerz zum Vorschein bringt, der
sich durch alle deutschen Fußballstadien und Bolzplätze zieht, aber auch
durch Schulklassen und Arbeitsstätten. “Da habe ich das ganze Spiel daran
gedacht“, sagt Kostedde.
Es werden Szenen aus dem Spiel gegen England eingeblendet: Beckenbauer
flankt, Kostedde im grünen Trikot mit der stolzen Stürmerneun auf dem
Rücken köpft ungefährlich in die Hände des Torwarts, oder Kostedde bekommt
im Strafraum den Ball zugespielt, er rutscht aber aus. „Ich war nicht der
Erwin Kostedde auf dem Platz, der ich hätte sein können“.
Insgesamt drei Spiele hat er für die Nationalelf gemacht, dann war der
Traum aus. Kostedde sagt heute, er sei nie warm geworden mit der
Mannschaft.
## Wer übernimmt Verantwortung?
Nun kann man denken, dass das alles ja vor fast 50 Jahren passiert ist,
dass sich doch bestimmt viel getan hat. Bestimmt. Denn während die
ehemalige Nationalspielerin und spätere Bundestrainerin Steffi Jones wie
auch Kostedde erzählt, dass sie als Kind die Idee gehabt habe, ihre
Hautfarbe vielleicht doch mit Seife abwaschen zu können, grinst der heute
21-jährige Jean-Manuel Mbom, Mittelfeldspieler bei Werder Bremen,
selbstbewusst in die Kamera und sagt, er finde sich so schön, wie er sei
und er sei auch stolz darauf.
Trotzdem folgen auf Kosteddes Geschichte der Enttäuschung viele weitere,
die bis in die Gegenwart reichen; von Jimmy Hartwig, der in der Doku stolz
sein Nationaltrikot von 1979 präsentiert; der sich damals trotz Erfolge
ebensowenig bei der Nationalmannschaft etablieren konnte; von Anthony
Baffoe, Patrick Owomoyela, Otto Addo, Gerald Asamoah, aber auch von
Hertha-Spieler Jordan Torunarigha, der im Februar letzten Jahres mit einer
roten Karte vom Platz geflogen ist, [1][als er nach rassistischen Fanrufen
in seiner Wut] eine Getränkekiste wegschleuderte.
Und die Geschichten sind alle ähnlich: Spieler werden von Fans rassistisch
beleidigt, dann folgen im besten Fall Solidaritätsbekundungen, grundlegende
Konsequenzen bleiben aus. Insofern wäre es ein Gewinn gewesen, wenn der
Film auch der Verantwortung des Deutschen Fußball-Bundes und der Vereine
nachgegangen wäre.
Die ehemalige Bundesligistin Shary Reeves sagt über den „Schwarzen Adler“,
das Emblem der Nationalmannschaft: „Er ist irgendwo da oben, weit weg von
mir, da komme ich gar nicht ran, er hat die Stärke und gibt mir das Gefühl,
dass ich schwach bin.“ Und solange die Frage nach strukturellen Ursachen
ausbleibt, wird der Fußball auch nur ein Versprechen bleiben.
14 Apr 2021
## LINKS
[1] /Rassismus-gegen-Hertha-Spieler/!5658247
## AUTOREN
Volkan Ağar
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