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# taz.de -- Rassismus gegen Hertha-Spieler: Zum Ausrasten
> Beim Fußballspiel gegen Schalke 04 wird Hertha-Spieler Jordan Torunarigha
> rassistisch beleidigt. Weil er wütend reagiert, kassiert er eine rote
> Karte.
Bild: Hertha-Spieler Jordan Torunarigha mit Trainer Jürgen Klinsmann nach dem …
In der 100. Minute des Pokal-Achtelfinales sieht Jordan Torunarigha
Gelb-Rot. Für den Abwehrspieler von Hertha BSC ist das der Tiefpunkt eines
Pokalspiels, vielleicht seiner Profikarriere, den er so schnell nicht
vergessen wird.
Vom Platz verwiesen wurde er, weil er in einem Wutanfall eine Kiste mit
Trinkflaschen auf den Boden knallte. Zuvor hatte ihn der [1][Schalker] Omar
Mascarell gefoult und Torunarigha war im Fall mit Schalke-Trainer David
Wagner zusammengestoßen. Es ist nicht selten, dass Fußballspieler nach
solch einem physischen Intermezzo die Nerven verlieren. Vor allem wenn
gerade die Verlängerung gespielt wird, bei einem Spielstand von 2:2.
Dabei war es sicher nicht das Foul, das ihn zum Ausrasten brachte. Nach dem
Spiel berichteten Hertha-Trainer Jürgen Klinsmann und Teamkollege Niklas
Stark, dass Torunarigha zuvor von Schalke-Fans rassistisch beleidigt worden
sei. Von Affenlauten ist die Rede. Klinsmann und Stark verurteilten die
rassistischen Rufe. Schalke-Trainer Wagner sagte nach dem Spiel, er habe
die Rufe zwar nicht gehört, entschuldige sich dafür aber im Namen seines
Vereins. Am Tag nach dem Spiel [2][twitterte der offizielle Account] von
Hertha BSC: „Wir stehen hinter dir, Jordan! #NoToRacism.“ Mittlerweile hat
auch der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes Ermittlungen wegen
des Vorfalls eingeleitet.
Dass nun ausgerechnet Schalke-Fans rassistisch auffallen, überrascht nicht.
War es nicht ihr Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Tönnies, der vergangenes
Jahr [3][mit rassistischen Aussagen über Afrikaner] empört hatte? Und der
mit dem Segen des Ehrenrats von Schalke 04 („Vorwurf des Rassismus
unbegründet“) und der Ethikkommission des DFB („rassistische Aussagen, aber
kein Rassist“) nach drei Monaten Pause [4][zu seinem Posten zurückkehrte]?
Welche Schlüsse rassistische Schalke-Fans aus diesem nachlässigen Umgang
mit Tönnies ziehen, liegt auf der Hand: Rassismus wird nicht sanktioniert.
## Hertha macht's vor
Klar, nicht alle Schalke-Fans sind rassistisch. Und Rassismus im Fußball
beschränkt sich schon gar nicht nur auf Schalke. In europäischen Stadien
kommt es [5][immer wieder zu rassistischen Beleidigungen], Spieler werden
mit Affenlauten adressiert, Bananen werden geworfen.
Ultra-Gruppen positionieren sich aktiv politisch gegen solche
Diskriminierungen, zum Glück. Sie widersprechen der Illusion, beim Fußball
gehe es nicht um Politik – sondern um den Spaß am Sport. Nur: Alleine
werden die engagierten Fans den Rassismus nicht aus den Stadien verbannen.
Auch Vereine und Verbände müssen aktiv werden. Im Fall von Torunarigha
machen Trainer und Verein aktuell richtig vor, was der DFB und sein
Bundestrainer im [6][Fall von Mesut Özil] falsch gemacht haben: Klinsmann
und Hertha BSC stellen sich in aller Deutlichkeit hinter ihren Spieler. Und
sie nennen das Problem beim Namen: Rassismus.
Zu klären bleibt noch die Reaktion von Schiedsrichter Harm Osmers. Sollte
er über die rassistischen Beleidigungen beim Spiel am Dienstagabend
informiert worden sein, wie es Trainer Klinsmann und Hertha-Spieler Stark
sagen, hätte er anders reagieren müssen. Seit 2017 gibt es die „Three-Step
Procedure“ des Weltfußballverbands Fifa.
Demnach soll ein Schiedsrichter bei rassistischen Rufen das Spiel
unterbrechen und eine Stadiondurchsage veranlassen. Wenn sich rassistische
Rufe wiederholen, soll er die Teams vom Platz nehmen und eine weitere
Durchsage verordnen. Nach dem dritten Mal soll er das Spiel abbrechen.
## Kungfukick ist auch eine Variante
Nichts davon hat Osmers im Fall von Torunarigha veranlasst. Stattdessen
reagierte er maßlos übertrieben, strafte den Spieler mit einem
Platzverweis. Damit hat der Schiedsrichter mindestens Empathielosigkeit
bewiesen. Denn dass Torunarigha angesichts der Beleidigungen die Nerven
verloren hat, ist nur nachvollziehbar.
Dabei reagierten Fußballspieler schon sehr viel wütender auf rassistische
Sprüche von Fans, Torunarigha wirkt da im Vergleich fast schon gefasst. Am
25. Januar 1995, ziemlich genau vor 25 Jahren, flog der Franzose Eric
Cantona von Manchester United beim Auswärtsspiel gegen Crystal Palace über
die Werbebande und kickte einen Fan. Zuvor war Cantona des Platzes
verwiesen – und nach der roten Karte von jenem Fan rassistisch beleidigt
worden. Dafür erhielt Cantona eine Spielsperre von einem halben Jahr. Sein
Kungfukick wurde zum antirassistischen Stickermotiv.
5 Feb 2020
## LINKS
[1] /Holocaust-Gedenken-und-Bundesliga/!5656557
[2] https://twitter.com/HerthaBSC/status/1224982748798038017?s=20
[3] /DFB-Ethikkommission-zu-Clemens-Toennies/!5621852
[4] /Rassismus-des-Schalke-Aufsichtsrates/!5616558
[5] /Rassismus-im-Fussball/!5454979
[6] https://gazete.taz.de/article/?article=!5506264
## AUTOREN
Volkan Ağar
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