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# taz.de -- Corona-Video von Salomon Kalou: Der Bundesliga-Zerstörer
> Ein Fußballprofi filmt in der Kabine und wird daraufhin suspendiert. Die
> Reaktion auf seine unbedarfte Aktion zeigt, wie autoritär die DFL ist.
Bild: Plötzlich wieder im Mittelpunkt: Stürmer Salomon Kalou
Was für ein kometenhafter, wenn auch wenig ruhmreicher Aufstieg! Bis zum
Montag hat dem 34-jährigen Profi Salomon Kalou kaum einer im deutschen
Fußball noch Beachtung geschenkt. Bei Hertha BSC spielte der Ivorer in den
letzten Monaten, als noch gekickt wurde, eh kaum eine Rolle.
Das Ende seines Vertrags im Sommer nahte, vielleicht gar das seiner
Karriere, und plötzlich wird er von den Medien und in den sozialen
Netzwerken als der Mann gehandelt, der die Deutsche Fußball Liga (DFL)
zerstörte oder zumindest deren als existenziell wichtig wahrgenommenen
Pläne, die Saison wieder zu starten.
Was war passiert? Kalou hatte am Montag mit seiner Handykamera die
Wirklichkeit in der Kabine des Berliner Bundesligisten Hertha BSC
festgehalten und via Facebook allen zugänglich gemacht. Er hatte
erstaunlich unbedarft dokumentiert, wie wenig man sich bei Hertha BSC um
das so [1][strenge Hygienekonzept der Deutschen Fußball Liga] schert, wie
man sich selbstverständlich die Hände schüttelt, Abstände nicht einhält,
wie der Physiotherapeut mit dem primitivsten Mundschutz Coronatests
durchführt und der Mann an der Handykamera auch noch über das Coronavirus
lacht.
Ein Anfängerfehler. Denn eigentlich weiß jeder Bundesligaprofi, dass für
die Wiedergabe der Wirklichkeit nicht Handykameras, sondern allein die
Deutsche Fußball Liga und ihre Vereine zuständig sind.
## Hier regiert die DFL
Für die DFL und die Bundesligavereine ist das ein recht ärgerlicher Vorgang
– zumal [2][schon dem Kölner Profi Birger Verstraete] vor wenigen Tagen ein
ähnliches Missgeschick unterlief. Er behauptete in einem Interview mit
einer belgischen Zeitung, er fände das DFL-Konzept ein wenig naiv und ihm
gingen die Schutzmaßnahmen auch wegen seiner vorerkrankten Freundin nicht
weit genug. Scheinbar hatte er ganz vergessen, dass die DFL Geschlossenheit
eingefordert hatte, um den Neustart der Saison als den Wunsch aller
präsentieren zu können.
Erst nachdem die Aussagen von Verstraete schon in ganz Deutschland
diskutiert wurden, konnte der Belgier in einer gemeinsamen Stellungnahme
mit dem Verein klarstellen, die Wirklichkeit sehe ganz anders aus. Er habe
sich nicht richtig informiert, sei ein wenig zu emotional gewesen,
Übersetzungsfehler hätten das Ihre getan und überhaupt wolle er niemandem
einen Vorwurf machen.
Aussagen lassen sich ja zurückbiegen, Verstraete kam mit einem Rüffel
davon. Filmaufnahmen als Fakeaufnahmen zu enttarnen, ist ein deutlich
komplizierteres Unterfangen. Der Ärger war entsprechend groß.
Deshalb wurde Salomon Kalou am Montagabend von Hertha suspendiert. Es ist
auch ein Zeichen für alle anderen, [3][dass die DFL und die Vereine nicht
gewillt sind], sich die Wirklichkeit aus der Hand nehmen zu lassen.
## Die Interessen der Spieler spielen keine Rolle
In einer ersten Reaktion twitterte der Verband: „Die Bilder von Salomon
#Kalou aus der Kabine von Hertha BSC sind absolut inakzeptabel.“ Nicht das
Verhalten von Kalou, der selbst eifrig Hände schüttelte, wurde gegeißelt,
sondern die Bilder. Das ist keine Haarspalterei, sondern ein wichtiges
Detail.
Denn auch Hertha BSC hob in seiner Stellungnahme gleich im ersten Satz
hervor, Kalou habe mit seinem Video einen falschen Eindruck erweckt. Auch
Hertha ging es vorrangig um die fatale Außenwirkung. Dass jeder, dem Kalou
die Hand reichte, diese wie selbstverständlich ergriff, war dem Klub nur
eine Randbemerkung wert.
An Kalous Dreh könnte man dagegen anprangern, dass er seine Mitspieler, die
ihrem Ärger über undurchsichtige Gehaltskürzungen durch den Verein Luft
machten, live im Internet ohne deren Wissen bloßstellte. Hertha-Manager
Michael Preetz aber bezifferte lediglich den Schaden für den Verein und für
die gesellschaftliche Diskussion um die Wiederaufnahme des Spielbetriebs.
Auch das ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Interessen der Spieler in
den Überlegungen der Verantwortlichen keine Rolle spielen. Die sehr
unterschiedlich gelagerten Geschichten von Verstraete und Kalou zeigen, wie
breit das Meinungsspektrum auch unter den Akteuren der Fußball-Bundesliga
ist. Und dass dies wie in der Bevölkerung auch Auswirkungen auf ihr
jeweiliges Verhalten hat.
## Eine Wirklichkeitsverweigerung
Die Vereinschefs und DFL-Bosse müssen sich schon um des Infektionsschutzes
willen mit der Stimmungslage unter den Profis beschäftigen.
Oder um es einfacher zu sagen: Sie müssen sich mit der Wirklichkeit
beschäftigen, auch wenn diese wirkliche Wirklichkeit nicht dem
Wirklichkeitsbild entspricht, das sie aus strategisch-ökonomischen
Interessen nach außen transportieren wollen.
Die Suspendierung von Kalou ist nichts anderes als eine
Wirklichkeitsverweigerung. Naiv ist es, wenn ausgerechnet
Gesundheitsminister Jens Spahn am Dienstag diesen Ausschluss als
Abschreckungsmaßnahme lobt. Denn die Profifußballer haben in der Hauptsache
eines vor Augen geführt bekommen: die Bilder sind inakzeptabel. Und die
Öffentlichkeit dies: nur das Fehlverhalten eines Einzelnen.
5 May 2020
## LINKS
[1] /Vor-dem-Bundesliganeustart/!5680489
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[3] /Fussball-in-Corona-Zeiten/!5667215
## AUTOREN
Johannes Kopp
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