| # taz.de -- Holocaust-Gedenken und Bundesliga: #We remember? Wir doch nicht! | |
| > Viele Fans gedenken Holocaust-Opfern. Doch meist dominiert Ignoranz. | |
| > Schalke-Boss Tönnies redet Rassismus schön und Bayern trauert um einen | |
| > SS-Mann. | |
| Bild: Gedenken mit gutem Willen und falschem Trauerflor: Bayern und Schalke | |
| Wer gedenkt eigentlich der Opfer des Holocaust, wenn vermeldet wird, dass | |
| der Fußball gedenkt? Schauen wir einmal genauer hin. Der FC Bayern München | |
| beispielsweise stellte sich vor seinem Heimspiel zwar gemeinsam mit den | |
| Schalker Gästen mit dem Schild „[1][#we remember]“ den Fotografen. Auch zu | |
| sehen auf dem Bild ist aber der Trauerflor, den die Mannschaft für den | |
| gerade verstorbenen Club-Geschäftsführer Walter Fembeck trug. Der gebürtige | |
| Wiener war nach dem „Anschluss“ 1938 der Waffen-SS beigetreten, zum Schluss | |
| war er Oberscharführer. Für Fembeck, dem der FCB „stets ein ehrendes | |
| Andenken bewahrt“, so Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge, gab es | |
| an diesem „Tag der Erinnerung“ sogar eine Schweigeminute. | |
| Und welche Lehren zieht der Profifußball aus der Beschäftigung mit der | |
| Geschichte? Schalkes Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Tönnies nutzte den | |
| besonderen Tag, um zu erklären, dass seine rassistischen Äußerungen vom | |
| Sommer, die ihm eine [2][dreimonatige Sperre] einbrachten, bloß ein | |
| Missverständnis gewesen seien. Wir erinnern uns nur ungern: Die Afrikaner | |
| sollten Kraftwerke bauen und keine Bäume mehr fällen, so Tönnies in einem | |
| Vortrag über „Unternehmertum mit Verantwortung“, weil sie dann nicht mehr | |
| so viele Kinder im Dunkeln produzierten. Heute, nach Ablauf seiner Sperre, | |
| erzählt ein aufgeräumter Tönnies, seinen Rassismus habe er doch nur gut | |
| gemeint, „Afrika ist ein Traumkontinent“. | |
| Viele Fans, genauer: engagierte Ultras vieler Bundesligisten, stellten sich | |
| an diesem Spieltag der historischen Verantwortung, die jeder | |
| gesellschaftliche Bereich dieses Landes trägt – auch der Fußball. Die Fans | |
| gedachten etwa vertriebener und ermordeter jüdischer Spieler und | |
| Vereinsmitglieder, und auch der neue DFB-Präsident Fritz Keller erinnerte | |
| in sympathisch deutlichen Worten daran, dass sich sein Verband ebenfalls | |
| mitschuldig gemacht hat. Auch ist zu würdigen, dass Eintracht Frankfurt | |
| seinem früheren Präsidenten [3][Rudolf Gramlich] postum die | |
| Ehrenpräsidentschaft aberkennen wird, weil der im 8. SS-Totenkopfregiment | |
| diente und sich als „Arisierer“ bereicherte. | |
| Gewiss, es sind nicht „die“ Fans, die für die Erinnerung eintreten. Es ist | |
| ganz sicher nicht „der“ DFB, der sich zu seiner Schuld bekennt, die sich | |
| unter anderem im früheren DFB-Präsidenten Felix Linnemann offenbart, der | |
| für die Deportation von mindestens 700 Sinti und Roma nach Auschwitz | |
| verantwortlich war. Und es ist vermutlich auch nicht „die“ Eintracht, die | |
| sich ob des Funktionärs Rudolf Gramlich schämt. Und doch stehen gerade die | |
| Fans, die engagierten Ultras moralisch besser da als der offizielle | |
| Bundesligafußball – inklusive seine aktuelle Berichterstatterschar bei Sky, | |
| ARD und ZDF – die mit offenkundiger Arroganz durchblicken lassen, dass für | |
| sie die NS-Geschichte nichts mit dem Fußball zu tun hat. | |
| Es sind die engagierten Anhänger, die sich des Themas stellen und die | |
| besser für ihre Vereine sprechen sollten als das Personal, das sich für den | |
| Fußball hält und in Gestalt von Herren wie Rummenigge oder Tönnies schwer | |
| offiziell in Mikrofone blubbert. So gesehen heißt „#we remember“ auch: Wir | |
| sind Eintracht, wir sind FC, wir sind VfL und SC und SV, wir sind Borussia | |
| und FSV und Fortuna, und wir sind sogar TSG und RB – soweit wir uns der | |
| Verantwortung stellen. Wenn es der Fußball ist, der gedenken soll, dann | |
| muss man den Profiklubrepräsentanten diese Macht streitig machen. | |
| 26 Jan 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://twitter.com/hashtag/weremember | |
| [2] /DFB-Ethikkommission-zu-Clemens-Toennies/!5621852&s/ | |
| [3] https://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/nach-eintracht-frankfurt-beraet-… | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Krauss | |
| ## TAGS | |
| Kolumne Press-Schlag | |
| Fußball und Politik | |
| Auschwitz | |
| Kolumne Press-Schlag | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Auschwitz | |
| Sinti und Roma | |
| FC Bayern München | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Sport und NS-Diktatur: Erkenntnisse über Pferde | |
| Was Reitsport mit Auschwitz zu tun hat. Und was man wissen könnte, wenn man | |
| denn wollte. | |
| Ermittlungen nach Pokalspiel: Spielverzögerung oder Rassismus? | |
| Nach dem Skandalspiel zwischen Schalke und Hertha fällt Schiedsrichter | |
| Osmers mit Ungereimtheiten auf. Profis zeigen Solidarität mit Torunarigha. | |
| Rassismus gegen Hertha-Spieler: Zum Ausrasten | |
| Beim Fußballspiel gegen Schalke 04 wird Hertha-Spieler Jordan Torunarigha | |
| rassistisch beleidigt. Weil er wütend reagiert, kassiert er eine rote | |
| Karte. | |
| Fußball und Boxen in Auschwitz: „SS-Leute kamen zum Zuschauen“ | |
| Die Historikerin Veronika Springmann hat über Sport im KZ intensiv | |
| geforscht: Es gab ihn als Vergünstigung und als Bestrafung. | |
| Mittäterschaft des DFB in der NS-Zeit: Gnadenloser „Papa Gnädig“ | |
| In Fußballstadien wird der NS-Opfer unter den Sinti und Roma gedacht. An | |
| der Vernichtung hat ein DFB-Präsident mitgewirkt. | |
| Historisches Fußballspiel: Als Bayern München spielen lernte | |
| Vor hundert Jahren trat der FC Bayern München gegen MTK Budapest an. Das | |
| 1:7 war eine beeindruckende Lehrstunde mit großen Nachwirkungen. |