| # taz.de -- Sport und NS-Diktatur: Erkenntnisse über Pferde | |
| > Was Reitsport mit Auschwitz zu tun hat. Und was man wissen könnte, wenn | |
| > man denn wollte. | |
| Bild: SA-Männer in der Reichs-Reiterführer-Schule in Berlin-Zehlendorf, 1930e… | |
| Ein Gespräch über Pferde ist unschuldig. Die Tiere werden geritten, | |
| gestreichelt, gestriegelt, und es gibt Experten, die alles wissen über | |
| Kalt- und Warmblüter, über Trab und Galopp und Dressur. Pferde waren das | |
| Lebensthema von Richard Sternfeld und Gustav Rau. Sie waren bedeutende | |
| [1][Pferdesport]-Journalisten in Deutschland. | |
| Richard Sternfeld wurde 1943 in [2][Auschwitz] ermordet. Gustav Rau ist | |
| 1954 in Warendorf gestorben. | |
| Sternfeld war Jude, stammte aus einer Bielefelder Kaufmannsfamilie, | |
| beschäftigte sich nach seinem Studium mit vielen zoologischen Themen, doch | |
| immer mehr kristallisierte sich die Pferdezucht als sein großes Thema | |
| heraus. Er wurde in den 1920er Jahren Redakteur von Vollblut. Zeitschrift | |
| zur Förderung der Beziehungen des Rennsports zur Vollblutzucht, später | |
| Chefredakteur von Sport-Welt, dem Organ der Galoppsportszene. 1933 trennten | |
| sich die deutschen Sportjournalisten sehr schnell von ihren jüdischen | |
| Kollegen. Nicht zuletzt wurden ja Posten frei. Sternfeld und seine Familie | |
| wurden immer schlimmer drangsaliert. Zwangsarbeit in einem Rüstungsbetrieb | |
| musste er leisten, 1943 wurde er nach Auschwitz deportiert. | |
| ## Ein SS-Gestüt in Auschwitz | |
| Gustav Rau stammte aus einer Offiziersfamilie, auch er war Redakteur der | |
| Sport-Welt. Nach 1933 forderte er die „Reinheit des Blutes“ nicht nur für | |
| Pferde, sondern auch für Züchter. „Gemischtstämmige Bauern und solche, die | |
| ihre Scholle wechselten, gehörten nie in die Elite der Pferdezüchter“, | |
| schrieb er. Die Historikerin Nele Fahnenbruck hat erst vor wenigen Jahren | |
| über Rau geforscht. 1941 zog Gustav Rau gemeinsam mit dem Reichsführer SS, | |
| [3][Heinrich Himmler], und Hitlers Schwager [4][Hermann Fegelein] im KZ | |
| Auschwitz eine Holsteiner Zucht auf. Geritten wurden die Pferde von | |
| Angehörigen der Reiter-SS. | |
| Nach Gustav Rau sind heute noch Straßen benannt, die Deutsche Reiterliche | |
| Vereinigung vergibt die Gustav-Rau-Medaille. 2020 sendete der Saarländische | |
| Rundfunk ein Porträt. „Es ist Gustav Rau zu verdanken, dass die deutschen | |
| Reiter heute zur Weltspitze gehören“, heißt es anerkennend. | |
| In den Erinnerungen eines anderen Sportjournalisten, Hans Borowik, | |
| berichtet dieser, wie 1943 Kollegen in einem Berliner Weinlokal | |
| zusammensaßen und einer berichtete, dass Sternfeld in Auschwitz zu Tode | |
| gekommen sei. Von Bedauern wird berichtet, aber so sei es halt, der Kollege | |
| sei ja Jude gewesen. Offiziell gelten die Todesumstände Sternfelds bis | |
| heute als ungeklärt. Das Berliner Amtsgericht hat ihn und seine Frau Lotte | |
| 1952 „für tot erklärt“. | |
| Die lustige Berliner Weinlokalrunde wusste 1943 mehr, als Deutschland nach | |
| 1945 wissen wollte. Alles war bekannt. | |
| 27 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Martin Krauss | |
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