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# taz.de -- Sportler als Rebellen: Anpassen und aufmucken
> Sportorganisationen neigen dazu, Athleten gleichzuschalten. Doch es regt
> sich Widerstand. Gerade mündige Sportler werden zu Stars.
Bild: Megan Rapinoe: sportliches und politisches Vorbild
Benedikt Höwedes hat für das Sportjahr 2020 einen besonderen Wunsch
formuliert. Als Wunschzettel diente ihm [1][seine Kolumne], die das
Nachrichtenportal eines großen deutschen börsennotierten Unternehmens
schmückt. Deutsche Sportlerinnen und Sportler, schrieb Höwedes, sollen bei
Großereignissen wie den Olympischen Spielen in Tokio und der
Fußball-Europameisterschaft Bewusstsein für wichtige Themen jenseits des
Sports schaffen – durch Proteste oder starke Aktionen“. Sie sollten ihre
Macht, die sie haben, nutzen. „Eine deutsche Rapinoe oder ein deutscher
Kaepernick, das ist es, was ich mir wünsche.“
Mit seiner Begeisterung für die beiden US-Ikonen ist der ehemalige deutsche
Fußballnationalspieler Höwedes nicht allein. Die Sehnsucht nach
Führungspersonal ist auch emanzipativen Bewegungen zu eigen. Rapinoe und
Kaepernick sind zu Popfiguren des Protests geworden. Die Werbeagentur von
Hertha BSC Berlin fand gar Gefallen an der Kniefall-Geste Kaepernicks gegen
Rassismus und Polizeigewalt und hatte ob der allgemeinen Begeisterung keine
Mühe, das Bundesligateam kollektiv vor Anpfiff einer Bundesligapartie in
die Knie zu zwingen. Ein uniformes Bild der Unterstützung für einen
mündigen Sportler, das sich prima vermarkten ließ.
Dieser Tage wurde bei Hertha indes deutlich, dass das
Selbstbestimmungsrecht der eigenen Angestellten bereits am Kleiderschrank
enden kann. Wie die Bild-Zeitung berichtete, hat der neue Trainer Jürgen
Klinsmann seinen Profis nach dem Ende der Winterpause das Tragen von
Jogginghosen auf Dienstreisen zu Auswärtsspielen verboten, weil sich ein
solches Auftreten für einen Hauptstadtklub nicht schickt.
Und Werder Bremens Stürmer Claudio Pizarro wird seinem Sportchef Frank
Baumann bald Rede und Antwort stehen müssen. Aus seinem Urlaub postete er
zum Jahresende ein Foto, auf dem er mit einer Bierdose zu sehen ist.
„Unglücklich“, nannte das Baumann. „Wir werden sicher mit ihm darüber
sprechen.“
## Die emanzipative Seite des Sports
Es ist Gegenläufiges zu beobachten. Zum einen gibt es den fortwährenden
Versuch der Entmündigung von Profisportlern, zum anderen positionieren sich
Sportlerinnen und Sportler individuell wie die Weitspringerin Malaika
Mihambo oder der Fußballer Neven Subotic klar und deutlich zu
tagesaktuellen Themen, oder organisieren sich kollektiv unter dem Vorsitz
des Fechters Max Hartung zu einer von deutschen Sportverbänden unabhängigen
Athletenorganisation.
Der Wettstreit zwischen der emanzipativen und repressiven Seite des Sports
wird auch in diesem Jahr weiter an Bedeutung gewinnen. Einerseits scheinen
in der Tat [2][mehr Rapinoes und Kaepernicks] etwa bei den Olympischen
Spielen möglich, andererseits demonstriert etwa China, dass der Sport auch
ein hervorragendes Instrument sein kann, um die eigene Zensurkultur zu
exportieren. Wegen missliebiger Äußerungen mussten bereits sportliche
Geschäftspartner aus den USA und England büßen – die Basketballer von den
Houston Rockets, die [3][Fußballer von Arsenal London] und ihre jeweiligen
Ligen.
Unlängst erklärte der Mitgliederratsvorsitzenden vom 1. FC Köln, Grund für
den Abbruch einer Kooperation mit China, sei die „totalitäre und brutale
Diktatur“ dort. Es dauerte nur wenige Stunden bis sich der Klub von der
Äußerung distanzierte. Es handle sich dabei um eine „ausschließlich private
Meinung“. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat erst in diesem Jahr in Peking
ein Büro eröffnet und erwartet sich von einer engeren Zusammenarbeit große
Gewinne.
Die von vielen propagierte Mündigkeit der Sportlerinnen und Sportler wird
mehr denn je auf die Probe gestellt werden. Es wird ein spannendes Jahr.
3 Jan 2020
## LINKS
[1] https://www.t-online.de/sport/fussball/bundesliga/id_87038380/benedikt-hoew…
[2] /Politische-Themen-im-Profisport/!5614085
[3] /Oezil-kritisiert-Uiguren-Unterdrueckung/!5646192
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Kolumne Frühsport
Sportpolitik
Megan Rapinoe
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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