| # taz.de -- Politische Themen im Profisport: Der Sportler als Rebell? | |
| > In den USA gibt es eine lange Tradition der politischen Pose im | |
| > Spitzensport. So etwas könnte der deutsche Fußball im Moment auch gut | |
| > gebrauchen. | |
| Bild: Ein guter Mann: US-Nationalspieler Alejandro Bedoya freut sich über ein … | |
| Hat eigentlich der Fußball auch dann noch nichts mit Politik zu tun, wenn | |
| sich ein Profikicker, der sich von zunehmender Gewalt und Rassismus bedroht | |
| sieht, gegen freien Zugang zu [1][Schusswaffen] ausspricht? Die Frage | |
| hatten sich zu Wochenbeginn die Verantwortlichen der Major League Soccer | |
| (MLS) in den USA zu stellen. Sollte Alejandro Bedoya von Philadelphia Union | |
| bestraft werden, weil er sich nach dem ersten Treffer zum 5:1-Sieg über DC | |
| United ein Mikrofon schnappte und rief: „Hey, Kongress, macht etwas! Stoppt | |
| die Waffengewalt!“? Um es kurz zu machen: Die MLS entschied, dass Bedoya | |
| nicht bestraft wird. Und dank großer Fanunterstützung wurde Bedoya auch | |
| noch „Spieler der Woche“. | |
| Wer jetzt zur Erklärung greift, das seien eben die USA, hier habe es doch | |
| gerade erst Megan Rapinoe gegeben, hier habe im Football Colin Kaepernick | |
| gekniet, im Tennis Billie Jean King für Frauenrechte gekämpft, im | |
| Basketball Kareem Abdul-Jabbar Haltung bewiesen, in der Leichtathletik | |
| Tommy Smith und John Carlos ihren Rauswurf riskiert – und überhaupt habe es | |
| doch Muhammad Ali gegeben, der hat ja recht: Solche Athletenproteste, eine | |
| derartige Breite der Beteiligung von Profisportlern an sozialen Kämpfen, | |
| kann man nur vor dem Hintergrund der politischen Kultur der USA verstehen. | |
| Doch in den großen Teamsportarten gibt es die mächtigen Clubowner, die die | |
| Ligen kontrollieren. Die MLS etwa hat sich immer wieder sehr bemüht, das, | |
| was sie für Politik hält (übersetzt: das, was ihr Produkt Profifußball aus | |
| ihrer Sicht beschädigen könnte), aus dem Stadion fernzuhalten. Dass die MLS | |
| Bedoyas Aktion nun nicht bestraft, begründet sie so: „Die | |
| Major-League-Soccer-Familie macht sich gemeinsam mit allen Menschen Sorgen | |
| um den Verlust von Menschenleben in Texas und Ohio. Wir wissen, dass unsere | |
| Spieler und Mitarbeiter eine starke und leidenschaftliche Meinung zu diesem | |
| Thema haben.“ | |
| Was da formuliert wird, ist das Arrangement der Ligaverantwortlichen mit | |
| den Verhältnissen, die stärker von Rebellion gekennzeichnet sind, als sie | |
| das gerne hätten. Und hier wird’s interessant: Gerade jüngere Versuche, den | |
| Sport, namentlich den Profifußball, wie es dann heißt, „kundenfreundlich“ | |
| zu gestalten, haben dazu geführt, dass er langweiliger wird. Nix mehr los | |
| auf der Tribüne. Mittelklasseleute gehen ins Stadion, um mal zu erleben, | |
| wie toll die Fans da singen und ihre Choreos machen. Und auf einmal sind | |
| nur noch die da, die gucken wollen. Das Stehplatzpublikum kann sich das | |
| nicht mehr leisten, aber ohne diese Fans ist das Gesamtsportspektakel | |
| entwertet. | |
| ## Wir brauchen so einen wie Bedoya | |
| Hermann L. Gremliza, der große Publizist und Herausgeber der Konkret, | |
| schrieb einmal über diesen „kleinen anarchischen Moment zwischen | |
| Provokation und Anpassung“, der entsteht, „wenn der Reporter die Hände | |
| überm Kopf zusammenschlägt, die Masse über die Zäune ins Stadion bricht und | |
| der Präsident nach Polizeischutz ruft“. Dann, so Gremliza, „erleben wir die | |
| Schönheit des Sports“. Der Gedanke lässt sich gewiss auch anders | |
| ausdrücken, aber prägnanter vermutlich kaum. Fehlen nur noch die Sportler. | |
| Alejandro Bedoya zum Beispiel. Der hat sich etwas getraut, was in der | |
| Bundesliga nicht denkbar scheint – nicht einmal nach [2][Clemens Tönnies’ | |
| rassistischen Ausfällen.] Er schnappte sich eines dieser Fernsehmikros, die | |
| eine vermeintlich authentisch anmutende Stadionatmosphäre aufnehmen sollen | |
| – er war im ganzen Land gut zu hören. Alejandro Bedoya ist ein Profi, der | |
| weiß und zeigt, dass selbst bei immer dichter werdender Kapitalisierung des | |
| Sports noch Spielräume für guten Widerstand bleiben. Bedoya ist ein guter | |
| Mann, den könnten wir in der Bundesliga sehr gut gebrauchen. | |
| 8 Aug 2019 | |
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| Martin Krauss | |
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