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# taz.de -- Fans und SportlerInnen gegen Verbände: Die Macht der Aktiven
> Diese EM hat das Verhältnis von SpielerInnen und Verbänden neu justiert.
> SpielerInnen können natürliche Verbündete kritischer Fans sein.
Bild: Everton-Fans danken Marcus Rashford für sein soziales Engagement
Ein letztes Mal haben beim EM-Finale die Spieler gemeinsam gekniet. Eine
Geste, die die Uefa widerwillig tolerieren muss und absurderweise für
unpolitisch erklärt. Auf dem Rasen stand später auch [1][Marcus Rashford],
der Boris Johnson dermaßen unter Druck gesetzt hatte, dass dieser [2][das
Gratisessen an Schulen für Kinder aus armen Verhältnissen doch nicht
aussetzte]. Rashford hatte sehr offen über die Armut seiner eigenen
Kindheit gesprochen. Mit dabei war auch Raheem Sterling, ebenfalls aus
prekären Verhältnissen, der immer wieder Rassismus anprangert. Und Harry
Kane, [3][der gegen Deutschland in Solidarität die Regenbogenbinde trug].
Manche Teams sind politisch progressiver als andere, die Engländer sicher
deutlich eher als die Italiener, die während des Turniers wirkten, als
wüssten sie nicht genau, wie nun umgehen mit den lästigen Debatten. Oft
spiegelt das den politischen Stand der Dinge im Land. Aber es hat sich, das
lässt sich nicht leugnen, etwas geändert mit diesem Turnier in der
Beziehung zwischen Spielern und Uefa.
Die Angestellten, die lange Zeit vor allem als ausübende Gehilfen auf dem
Rasen standen, sind laut geworden. Im deutschen Team repräsentiert niemand
den neuen Typus des politisch engagierten Fußballers so wie [4][Leon
Goretzka,] der zu vielem die richtigen Worte findet. Außerhalb des Rasens
war das etwa in Form von Torhüterin Almuth Schult sichtbar, die den DFB
sehr direkt für Beteiligung von Frauen, aber auch Erneuerung unter Druck
setzt.
Und man muss sich fragen, warum Fans nicht längst darauf gekommen sind, die
SpielerInnen beim Widerstand gegen die Verbände mit ins Boot zu holen. Der
Unmut über die autokratischen, erzkonservativen, auf immer mehr Geld
spekulierenden Fußballverbände mit ihrer unerträglichen Arroganz, ihrer
[5][Korruption] und ihren politischen Mauscheleien hat schon lange breite
Milieus erfasst. Kaum jemand fühlt sich repräsentiert von diesen
Altherrenbünden.
## Rassismus, Katar, LGBTIQ – die Liste ist lang
Aber während in der Politik Verbündete gesucht werden, tut man oft immer
noch so, als seien die SpielerInnen Teil einer unerreichbaren, angepassten
Gattung, mit denen man nichts gemein hat. Das Gegenteil ist der Fall.
Diese FußballerInnen sind junge Menschen, aufgewachsen in einer
postmodernen Gesellschaft und durch Social Media in der Lage, sehr gezielt
und unabhängig Stellung zu nehmen. Sie haben qua ihrer Position auf dem
Rasen sehr viel Macht. Sie können medienwirksam knien oder stehen, singen
oder nicht singen, und sie können spielen oder streiken. Bisher unerhört
auf politischen Druck, aber warum eigentlich nicht?
Die Macht der SpielerInnen ist ein sehr starkes Instrument. Denn im
Gegensatz zu Gig-WorkerInnen bei Lieferdiensten sind sie kaum ersetzbar.
Alle Bälle stehen still, wenn dein starker Fuß es will, das gilt hier noch
ganz in echt. Ein Bündnis aus SpielerInnen und Fans hätte gute Optionen.
Gewiss, manche Themen funktionieren besser als andere. [6][Rassismus],
[7][Menschenrechte in Katar] oder [8][LGBTIQ] gehen gut, Antikapitalismus
wäre eher schwierig. Weniger Geld für die Fußballbranche oder eine ganz
andere Spielidee setzt man sicher nicht Hand in Hand mit Manuel Neuer
durch.
Und doch, die Proteste vieler Spieler gegen die Superliga künden davon,
dass Auswüchse nicht mehr bedingungslos toleriert werden. Sie seien „nur
die Marionetten von Fifa und Uefa“, empörte sich Toni Kroos in – nicht
zufällig – seinem Podcast. Wenn es eine Spielergewerkschaft gäbe, die
entscheiden könnte, so Kroos weiter, würde es weder Nations League noch
Supercup in Saudi-Arabien geben. Bruder Felix stellte trocken fest, eine
Superliga wäre ihm „so was von scheißegal“. Man muss Boykottforderungen u…
Traditionsargumente nicht intelligent finden, um zu sehen, welches
Potenzial da brachliegt. Potenzial für gemeinsame Proteste, gemeinsame
Aktion, gemeinsamen Widerstand.
Noch ein wenig mehr übrigens unter Spielerinnen, die näher an der Basis
sind und unter denen sich gelegentlich sogar Köpfe finden, die sich einen
Fußball ohne Fifa und Uefa und nach ganz anderen Regeln vorstellen können.
Auch wenn die Kommerzialisierungsfraktion in der Mehrheit ist. Eine
Entmachtung der Verbände darf nicht zu einem gleichen Spiel unter
Regentschaft eines Investors führen, der weiß, dass heute Regenbogenfahnen
dazugehören.
Ein demokratischer Fußball durch die Menschen für die Menschen muss
systemischer denken, muss verstehen, was es ist, das ihn kaputt macht. Und
mutiger sein. Die Angestellten auf dem Rasen sind seine natürlichsten
Verbündeten. Und er sollte ihnen diese Rolle zutrauen.
13 Jul 2021
## LINKS
[1] /Schulspeisung-in-Grossbritannien/!5726840
[2] /Sozialpolitik-mit-Fussballprofi-Rashford/!5720754
[3] /EM-Spiel-Deutschland-gegen-England/!5783416
[4] /Fussball-Krimi-im-Zeichen-des-Regenbogens/!5777756
[5] /Schwerpunkt-Korruption/!t5008142
[6] /Rassistische-Angriffe-auf-Fussballer/!5763535
[7] /Leichtathletik-WM-in-Katar/!5627750
[8] /Toleranz-im-Sport/!5777618
## AUTOREN
Alina Schwermer
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