# taz.de -- Rassimus bei großen Turnieren: Die Kehrseite des runden Balls | |
> Nicht zum ersten Mal ist es bei einem großen Sport-Turnier zu | |
> rassistischen und völkischen Ausbrüchen gekommen. Das gab es auch schon | |
> in Deutschland. | |
Bild: Antirassismus als Daueraufgabe im Fußball | |
Am Anfang scheint es oft harmlos zu sein. Als Deutschland 1954 erstmals | |
Fußballweltmeister wurde, standen [1][zwei Männer nebeneinander] auf der | |
Tribüne: Helmut Schön, damals Nationaltrainer des Saarlandes und quasi zur | |
Weiterbildung im Berner Wankdorfstadion, und Ignatz Bubis, späterer | |
Vorsitzender des Zentralrats der Juden. | |
Nach dem Schlusspfiff kochte die deutschnationale Stimmung über. „Ich habe | |
den Helmut nie gefragt: ‚Wieso hast du eigentlich Deutschland, Deutschland | |
über alles gesungen?‘“, hat Bubis Jahre später berichtet. Die Überraschu… | |
sei so groß gewesen, da habe er das seinem Freund nicht übelgenommen. Erst | |
später habe er die unangenehme politische Dimension der nationalen Eruption | |
bemerkt. Mit Schön aber blieb er bis zu dessen Tod eng befreundet. | |
1974 war dieser Helmut Schön Trainer der DFB-Elf, und als die im Finale | |
gegen die Niederlande Weltmeister wurde, kam es zu Duellen mit | |
Feuerwerkskörpern an der Grenze. Nichts Dolles sei das gewesen, hieß es. | |
Schön, der Ende 1974 mit Erwin Kostedde auch den ersten schwarzen | |
Nationalspieler einsetzte, verlangte von diesem, er solle in Interviews | |
erklären, [2][es gebe keinen Rassismus] in Deutschland. „Doch das war | |
natürlich nicht wahr und das sagte ich ihm“, berichtet Kostedde. „Das nahm | |
er mit übel.“ | |
Beim westdeutschen WM-Erfolg 1990 stand die Wiedervereinigung bereits fest. | |
Und als die DFB-Elf ihren 1:0-Sieg eingefahren hatte, rotteten sich Nazis | |
zusammen, um auf dem (damaligen Ostberliner) Alexanderplatz mit | |
Baseballschlägern Vietnamesen zu jagen. Das ist weitgehend verdrängt. Wer | |
heute an diese Zeit erinnert, bemüht meist Bilder aus Rostock-Lichtenhagen. | |
Tatsächlich aber waren die ersten an Pogrome erinnernden Ausschreitungen | |
dieser Zeit aus dem Fußball entstanden. | |
Das gilt auch für die WM 2006, gerne als „Sommermärchen“ des ach so | |
normalen und gesunden Patriotismus verklärt. Kurze Zeit nach der WM wurde | |
der schwarze Nationalspieler Gerald Asamoah in Rostock attackiert. „Es hat | |
sehr weh getan, weil du gedacht hast, du bist endlich akzeptiert. Und keine | |
vier Wochen später ist alles vergessen.“ | |
Ob Erfolg oder Niederlage: Der Fußball, wie er konstituiert ist und auch | |
bei dieser EM zu erleben war, lädt zum Ausleben von rassistischer Gewalt | |
gerade zu ein. Das gilt auch für sexistische Übergriffe, es betrifft | |
schlimmste Homophobie, es dürfte keine Unterdrückungsideologie geben, die | |
hier nicht ausgelebt wird. Hier gilt es harmlos. Ist ja nur Fußball. Ignatz | |
Bubis sagte über seinen Freund, den Bundestrainer: „Helmut hat sich nur für | |
Fußball interessiert, für sonst nichts.“ | |
12 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.juedische-allgemeine.de/unsere-woche/arm-in-arm-im-wankdorf-sta… | |
[2] https://www.zeit.de/news/2021-04/11/erwin-kostedde-mit-finger-auf-mich-geze… | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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