# taz.de -- Forscherin über Rassismus im Fußball: „Das Denken aus der Kolon… | |
> Welche Position ein Spieler auf dem Feld bekommt, kann von rassistischen | |
> Stereotypen abhängen. Julia Becker hat an einer Studie dazu | |
> mitgearbeitet. | |
Bild: Offenbarte Rassismus und ließ Nationalspieler Jonathan Tah zu Wort komme… | |
taz: Frau Becker, Rassismus im Fußball zeigt sich nicht nur in Affenlauten | |
von der Tribüne und in Bananenwürfen auf das Spielfeld, sondern auch in der | |
Besetzung von Spielpositionen. Warum ist das so? | |
Julia Becker: Das liegt an rassistischen Stereotypen, die während der | |
Kolonialzeit entstanden sind als Rechtfertigung Weißer, warum sie Schwarze | |
versklaven. Sich selbst haben sie als intelligent und führungsgeeignet | |
gesehen, Schwarze dagegen als primär körperlich stark. Dieses Denken setzt | |
sich bis heute fort: Weiße Spieler werden häufiger auf kognitiv fordernden, | |
strategisches Denken verlangenden Positionen eingesetzt, Schwarze und | |
PoC-Spieler oft da, wo es eher auf die Physis ankommt. | |
taz: Aber rein biologistisch ist der Rassismus im Fußball nicht? | |
Becker: Oft heißt es, der biologistische sei einem kulturellen Rassismus | |
gewichen; heute gehe es eher um die Abwertung anderer Kulturen als um | |
vermeintliche Rassen. Unsere Studie zeigt: Noch heute wird unter bestimmten | |
Umständen auf die alten Stereotype zurückgegriffen. | |
taz: Ist das ein Resultat des fatalen Rechtsrucks, den wir dieser Tage | |
erleben? | |
Becker: In der Tat tendiert unsere Gesellschaft derzeit in eine ungute | |
Richtung. Aber struktureller Rassismus ist nicht neu. Hätten wir unsere | |
Studie vor ein paar Jahren durchgeführt, wäre das Ergebnis vermutlich | |
dasselbe gewesen. | |
taz: Auf welcher Grundlage haben Sie gearbeitet? | |
Becker: Die Studie basiert auf einer Publikation von Tina Nobis und Felicia | |
Lazaridou. Sie haben Fußballer der Bundesliga und der 2. Liga ausgezählt. | |
Dort gibt es 70 Prozent weiße und 20 Prozent Schwarze Spieler sowie 10 | |
Prozent People of Color. Offensive Außenbahnen waren mit 37 Prozent | |
überproportional durch Schwarze Spieler besetzt, das Tor stark | |
unterproportional nur mit 3 Prozent. Im Sturm waren es 24,3 Prozent, also | |
leicht erhöht. Wir haben dazu den kausalen Mechanismus getestet, mit | |
Experimenten. | |
taz: Wie sah das aus? | |
Becker: Wir haben uns an Panini-Fußballkarten orientiert und Spielerkarten | |
kreiert. Fußballinteressierte Versuchspersonen haben ein Bild von einem | |
fiktiven weißen oder Schwarzen Spieler bekommen, mit identischem Grundtext | |
zu Alter, Größe, Gewicht, sie sollten einschätzen, wie geeignet der Spieler | |
für verschiedene Positionen auf dem Feld ist. | |
taz: Und? | |
Becker: Es zeigte sich, dass die Schwarzen als geeigneter für den Sturm und | |
die offensiven Außenbahnen gesehen wurden und als weniger geeignet für die | |
Position des Torhüters. Dann haben wir in weiteren Studien objektive | |
Leistungsindikatoren dazugegeben, zu Sprinttempo, Ausdauer, Taktik, | |
Spielübersicht. Gezeigt hat sich: Wussten die Versuchspersonen, wie gut die | |
Spieler auf bestimmten Parametern scoren, ließen sie sich nicht von | |
rassistischen Stereotypen leiten. | |
taz: Ist auch der Frauenfußball betroffen? | |
Becker: Wir haben uns nur mit dem Männerfußball befasst, weil es dazu schon | |
mehr Forschung gibt. Lara Kronenbitter und Tina Nobis von der Universität | |
Wuppertal haben aber auch die ersten Ligen der Frauen ausgezählt. In der | |
Tendenz ist das Ergebnis gleich, aber man muss es mit Vorsicht | |
interpretieren, weil es im Vergleich zum Männerfußball viel weniger | |
Schwarze Spielerinnen gibt. | |
taz: Vor einiger Zeit ergab eine [1][WDR-Umfrage, dass sich 21 Prozent der | |
Deutschen mehr Nationalspieler mit weißer Hautfarbe wünschen.] | |
Becker: Das war ein sehr erschreckendes Ergebnis. Aber wenn man sich die | |
derzeitigen Zustimmungswerte zur AfD ansieht, kann es nicht verwundern. | |
Diese Ergebnisse zu lesen, war für Schwarze und für PoC-Sportler, die ja | |
für Deutschlands Diversität stehen, sicher hart. | |
taz: Um diesen [2][Rassismus] zu minimieren, schlagen Sie Workshops zur | |
Sensibilisierung für TrainerInnen vor; zudem müsse es mehr Schwarze und | |
PoC-TrainerInnen geben. Wie realistisch ist das? | |
Becker: Zunächst ist mir wichtig zu sagen: Gerade im Profifußball sind | |
Entscheidungen, wer auf welcher Position spielt, von sehr vielen Faktoren | |
abhängig – das muss gar nichts mit Rassismus zu tun haben. Aber | |
rassistische Stereotype können eine Rolle spielen. Es gibt bereits | |
Projekte, die das adressieren. Ein Beispiel: „Roots – Against Racism in | |
Sports“ des deutsch-ghanaischen Fußballtrainers [3][Otto Addo]. Es macht | |
Rassismus sichtbar, hilft den Betreffenden, sensibilisiert Verbände. Aber | |
die Vorstände und Funktionäre sind alle sehr weiß, da dauert es [4][lang, | |
etwas zu verändern]. Im Zweifelsfall braucht es eine Quote. | |
taz: Gab es Reaktionen von den Vereinen auf Ihre Studie? | |
Becker: Bisher noch nicht. Aber sie ist ja auch noch sehr neu. | |
taz: Sind Sie selbst manchmal im Stadion? | |
Becker: Ich habe zwei fußballinteressierte Söhne, da gehen wir manchmal zum | |
[5][VfL Osnabrück]. Ich selbst habe da noch keinen Rassismus wahrgenommen. | |
Aber es gab ihn auch hier. Sogar mit Spielabbruch. Das ist gut, um den Fans | |
zu zeigen: So nicht! | |
23 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/sport-inside/audio-einigkeit-und-r… | |
[2] /Schwerpunkt-Rassismus/!t5357160 | |
[3] /Ghanas-Trainer-kritisiert-Doppelmoral/!5893573 | |
[4] /Schwarze-Fussballtrainer-in-Deutschland/!6083376 | |
[5] /VfL-Osnabrueck/!t5066493 | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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