# taz.de -- Stundenlange Kontrolle durch die Polizei: Nachspielzeit für St.-Pa… | |
> Rund 140 St. Pauli-Fans wurden nach einem Auswärtsspiel aufgehalten und | |
> kontrolliert. Es ist die zweite große Kontrolle innerhalb weniger Wochen. | |
Bild: In Hannover erwarteten Bundespolizist*innen in Kampfmontur (hier bei eine… | |
HAMBURG taz | Nach der [1][Razzia gegen HSV-Fans in Hamburg-Bergedorf Mitte | |
Februar] kam es am späten Samstagabend erneut zu einer groß angelegten | |
Kontrolle von Hamburger Fußballfans: Diesmal waren Anhänger*innen des | |
FC St. Pauli betroffen. Rund 140 von ihnen wurden nach dem Auswärtsspiel in | |
Nürnberg am Bahnhof Hannover aufgehalten und kontrolliert. | |
Grund war laut der Polizei eine Auseinandersetzung am Bahnhof Göttingen | |
zwischen Fans des Hamburger Vereins und Fans des FC Augsburg, der am | |
Samstag auswärts in Wolfsburg spielte. Beide Fanszenen hatten einen kurzen | |
Aufenthalt in Göttingen und seien dort aufeinander getroffen. Die | |
Bundespolizei spricht von insgesamt 60 „aggressiven Fans“ beider Lager, die | |
mit Glasflaschen geworfen haben sollen. Beamt*innen hätten die | |
Auseinandersetzung gestoppt, Verletze habe es keine gegeben. | |
Unter den St. Pauli-Fans, die in Hannover kontrolliert wurden, war nach | |
eigener Aussage auch Konstantin, der eigentlich anders heißt, aber anonym | |
bleiben will. Der taz erzählt er, dass die Polizei in Göttingen schnell mit | |
Pfefferspray eingegriffen habe, um die Auseinandersetzung zu beenden. Er | |
selbst sei daran nicht beteiligt gewesen, habe sich aber anschließend um | |
Fans gekümmert, die Pfefferspray abbekommen hatten. | |
Als der Zug nach dem Zwischenfall in Göttingen wenig später in Hannover | |
einfuhr, sei das Bahngleis bereits voll mit Polizist*innen gewesen. Im | |
Zug habe es dann die Ansage gegeben, dass alle Gäste einen Platzverweis | |
erhalten und den ICE verlassen müssen. Konstantin habe auf dem Bahngleis | |
gewartet, bis ihn ein Polizist zu einer Gruppe an Beamt*innen geführt | |
habe, die ihn mit Fotos abglichen. Erst danach habe er wieder in den Zug | |
einsteigen dürfen. | |
## Kein Trinkwasser und kaputte Klos | |
Die Polizei spricht davon, nach der Auswertung von Videoaufnahmen aus | |
Göttingen 138 Fans kontrolliert und mit den verdächtigen Personen aus den | |
Videos abgeglichen zu haben. Von mehreren Fans seien anschließend | |
Personalien aufgenommen worden. Insgesamt will die Polizei so acht | |
Tatverdächtige identifiziert haben. Gegen sie werde nun wegen gefährlicher | |
Körperverletzung und Landfriedensbruch ermittelt. Der Einsatz soll | |
insgesamt zweieinhalb Stunden gedauert haben. Alle unbeteiligten Fahrgäste | |
hatten vorher bereits die Möglichkeit, mit einem anderen Zug weiter | |
Richtung Hamburg zu fahren. | |
Die [2][Fanhilfe von St. Pauli] spricht von einer überzogenen Maßnahme und | |
fordert betroffene Fans auf, Gedächtnisprotokolle anzulegen. In einem | |
Statement auf ihrer Website zweifelt die Fanhilfe darüber hinaus an, ob der | |
Einsatz rechtmäßig durchgeführt wurde: Denn ein Platzverweis wie ihn die | |
Polizei ausgesprochen hat, sei nur „zur Abwehr einer Gefahr“ erlaubt. | |
„Unserer Ansicht nach hat die zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr | |
existiert“, sagt ein Sprecher der Fanhilfe der taz. Die Fans seien zum | |
Zeitpunkt des Verweises weder am Ort der Auseinandersetzung gewesen noch | |
seien Augsburg-Fans anwesend gewesen. | |
Eine Polizeikontrolle dieser Größenordnung habe er noch nicht erlebt, sagt | |
St. Pauli-Fan Konstantin der taz. Er fährt nach eigener Aussage seit 15 | |
Jahren zu fast jedem Auswärtsspiel. „Das stärkt natürlich nicht wirklich | |
mein Vertrauen in die Polizei“, sagt er. Einsatzleiter und Polizeidirektor | |
Martin Kröger hingegen sagt: „Wer auf der Bahnreise zum oder vom Fußball | |
Straftaten begeht, hat jederzeit mit Folgemaßnahmen der Bundespolizei zu | |
rechnen.“ | |
Erst Mitte Februar hatten etwa 400 Beamt*innen der Bundespolizei 855 | |
HSV-Fans nach dem Auswärtsspiel in Rostock stundenlang in einem Regionalzug | |
festgehalten und kontrolliert. Die Bundespolizei wollte 60 Fans | |
identifizieren, die im vergangen September an einer Schlägerei in Mannheim | |
beteiligt gewesen waren. Viele betroffene Fans beschwerten sich | |
anschließend über den Einsatz: Es habe kein Trinkwasser gegeben, zum Teil | |
seien auch die Toiletten im Zug nicht mehr benutzbar gewesen. Ob der | |
Einsatz verhältnismäßig war, wurde auch von der Politik angezweifelt. | |
In den folgenden Wochen kochte der Konflikt zwischen der Polizei und | |
HSV-Anhänger*innen immer weiter hoch. Bei Spielen des HSV hielten Fans | |
Banner hoch, auf denen unter anderem zu lesen war: „Niemals Freund. Niemals | |
Helfer. Ganz Hamburg hasst die Polizei“. Vor zwei Wochen verbrannte ein Fan | |
während des Spiels gegen Osnabrück eine Polizeiuniform. Gegen ihn wird | |
ermittelt, zwischen den Ultras, dem HSV und der Polizei fanden anschließend | |
mehrere Gespräche statt. Der Verein hofft auf eine Deeskalation zwischen | |
Fans und Polizei. | |
19 Mar 2024 | |
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[1] /Stundenlange-Kontrolle-der-Bundespolizei/!5990375 | |
[2] https://www.braunweissehilfe.de/ | |
## AUTOREN | |
Anna Lindemann | |
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