# taz.de -- Einbürgerung: Vor Einbürgerung: Stau | |
> Zu wenige Mitarbeiter:innen stehen vor einem gewaltigen Überhang an | |
> Einbürgerungsanträgen. | |
Bild: Es kommt viel Arbeit auf das unterbesetzte Landesamt zu | |
BERLIN taz | Wer die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen will, braucht in | |
Berlin viel Geduld: Zwischen einem und fünf Jahren dauert es derzeit, bis | |
die völlig unterbesetzten Behörden einen Antrag bearbeiten. Und das wird | |
sich vorerst auch nicht ändern. | |
Zuständig für [1][Einbürgerungen] waren bisher die zwölf Bezirke, ab Januar | |
wird es eine neu zu schaffenden Abteilung | |
Staatsangehörigkeitsangelegenheiten im Landesamt für Einwanderung (LEA) | |
sein. Das hat – jedenfalls langfristig – durchaus Vorteile: Wer etwa | |
während der Bearbeitung des Einbürgerungsantrages von einem Bezirk in den | |
anderen zieht, braucht den Antrag deshalb nicht mehr neu zu stellen. | |
Zudem will die neue Abteilung, anders als die Bezirke, mit digitalen | |
Unterlagen statt mit Papier arbeiten. Die Ausländerakte aus dem LEA, die | |
für die Einbürgerung geprüft werden muss, kann dann elektronisch | |
übermittelt statt wie bisher ausgedruckt und auf dem Postweg an den Bezirk | |
gesendet werden – was oft Wochen dauerte. | |
Auch mehr Mitarbeiter:innen sollen zur Verfügung stehen. So will | |
Berlin künftig 20.000 Einbürgerungen pro Jahr schaffen statt 7.000 wie | |
bisher. Was immer noch deutlich unter dem Bedarf liegt und auch nur dann | |
erreicht werden kann, wenn die Behörde genügend Mitarbeiter:innen | |
findet. | |
## Berlin will 20.000 Einbürgerungen pro Jahr | |
65 der 210 vorgesehenen Stellen sind laut Sabine Beikler, der Sprecherin | |
der Senatsinnenverwaltung, noch unbesetzt. „Der Planung entsprechend werden | |
die Stellenbesetzungsverfahren das ganze Jahr über andauern, sodass die | |
Stellen im Wesentlichen bis zum 1. Januar 2024 besetzt sein sollen“, so | |
Beikler. | |
Nach Recherchen des RBB sind die meisten Mitarbeiter:innen noch nicht | |
geschult, auch ist die Software noch nicht einsatzbereit. Zudem kommt auf | |
die neue Abteilung ein Stau unbearbeiteter Altanträge zu. Denn Anfang des | |
Jahres forderte der Senat die Bezirke auf, vorrangig Anträge zu bearbeiten | |
und abzuschließen, die bis 2022 gestellt wurden, und die Neuanträge vorerst | |
abzulegen, um sie später der neuen Abteilung im Landesamt zu übergeben. | |
Die soll diese Anträge ab kommendem Jahr bearbeiten. Doch weil schon jetzt | |
Personalmangel herrscht, ist es den Bezirken nicht annähernd gelungen, die | |
älteren Verfahren abzuschließen. Laut Sabine Beikler stammen 17.000 der | |
insgesamt 35.500 unbearbeiteten Einbürgerungsakten von 2022 und den Jahren | |
davor. | |
Der Grünen-Abgeordnete Jian Omar geht sogar von rund 50.000 unbearbeiteten | |
Anträgen aus, die derzeit von den Bezirken zum LEA transportiert werden. | |
Legt man die angestrebte Zielmarke von 20.000 Einbürgerungen pro Jahr | |
zugrunde, wird die neue Behörde zwei Jahre allein damit zu tun habe, | |
Altfälle abzuarbeiten. | |
Derweil hat die Bundesregierung ein neues [2][Einbürgerungsgesetz auf den | |
Weg gebracht], das zu deutlich mehr Einbürgerungen führen soll. Wenn es in | |
Kraft tritt – das könnte ab April der Fall sein –, muss man nicht mehr | |
acht, sondern im Regelfall nur fünf Jahre in Deutschland gelebt haben, um | |
eine Einbürgerung beantragen zu dürfen. | |
Auch aus der alten Staatsangehörigkeit muss man sich dann nicht mehr | |
ausbürgern lassen. Nach Erfahrungen von Anwälten werden diese Änderungen zu | |
einer riesigen Zahl einbürgerungswilliger Menschen führen, darunter viele | |
Türk:innen, für die die doppelte Staatsangehörigkeit bisher selten möglich | |
war. | |
Hinzu kommt noch, dass viele Menschen, die mit der Flüchtlingswelle ab 2013 | |
nach Deutschland kamen, bereits jetzt, in noch größerer Zahl aber in den | |
kommenden Jahren ihre Einbürgerung beantragen können. Das schlägt sich | |
bereits seit 2019 in leicht höheren Zahlen von Einbürgerungsanträgen | |
nieder, im Jahr 2022 war es sogar eine Verdoppelung von 8.000 auf 16.000 | |
Anträge. | |
Der Trend scheint sich in diesem Jahr fortzusetzen, wobei die Zahlen noch | |
nicht vollständig vorliegen. Wie Jian Omar berichtet, erzählen ihm viele | |
dieser Antragsteller:innen in seiner Sprechstunde von ihrer | |
Frustration, noch nicht eingebürgert worden zu sein. „Das sind integrierte | |
Menschen, sie sind straffrei und verdienen ihren Lebensunterhalt selbst“, | |
so der Grüne zur taz. „Wir sollten uns über ihre Anträge eigentlich freuen. | |
Aber die lange Wartezeit erzeugt Frust, denn von der Staatsangehörigkeit | |
hängt für sie oft viel ab: von der Berufswahl bis zur Reisefreiheit.“ | |
## Die lange Wartezeit erzeugt Frust | |
Aber nicht nur bei den Einbürgerungsbehörden hakt es, sondern auch an den | |
Volkshochschulen. Wer die deutsche Staatsbürgerschaft will, muss dort einen | |
Sprach- und einen Einbürgerungstest absolvieren. Auf Termine wartet man | |
etwa in Lichtenberg zwei bis drei Monate, erzählt ein Somalier der taz, der | |
vor Wochen Termine für Ende Januar erhielt. | |
Hinzu kommt: Die Einbürgerungsbehörde muss eine Regelanfrage auf | |
Unbedenklichkeit beim Verfassungsschutz stellen. Und auch dieser Vorgang | |
zieht sich in die Länge. Vor dem Hintergrund durchgewunkener Einbürgerungen | |
von Putin-Propagandisten wird hier zu Recht Gründlichkeit erwartet. | |
Laut der Antwort des Senats auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen | |
will nur rund die Hälfte der Mitarbeiter:innen der Bezirksämter, die | |
in Sachen Einbürgerung eingearbeitet sind, in die neue LEA-Abteilung | |
wechseln. Die taz erfuhr aus unterschiedlichen Quellen, dass viele dieser | |
Mitarbeiter:innen sich auf freie Stellen in ihren Bezirken beworben | |
und oft schon dort die Arbeit aufgenommen haben, weil sie einen kurzen | |
Arbeitsweg schätzen. | |
Jian Omar spricht von einer konzeptionslosen Übergangsphase: „Ich fordere | |
Innensenatorin Spranger auf, das LEA inklusive der dort neu anzusiedelnden | |
[3][Einbürgerungsbehörde] endlich personell so auszustatten, dass es den | |
Arbeitsaufwand bewältigt.“ Der Fokus der Senatorin liege auf Polizei und | |
Feuerwehr – nicht aber beim LEA, kritisiert der Abgeordnete. | |
29 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Neuer-Entwurf-fuer-Einbuergerungsgesetz/!5933193 | |
[2] /Integrationsbeauftragte-ueber-Einbuergerung/!5895499 | |
[3] /Migrationsdebatte/!5967950 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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