| # taz.de -- Neues Zentrum für Einbürgerungen: Toll eingebürgert | |
| > Innensenatorin Spranger führt stolz durch die neue Einbürgerungsstelle. | |
| > Alles soll digitaler, schneller, besser werden. Alte Probleme bleiben | |
| > aber bestehen. | |
| Bild: Heimspiel für Innensenatorin Spranger (4. v. l.): Fünf Berliner*innen w… | |
| Berlin taz | „Das ist schon was Tolles“, sagt Iris Spranger und deutet auf | |
| eine weiße Wand, auf der einige bunte Smileys kleben. Daneben stehen, mit | |
| Hand und ebenfalls in verschiedenen Farben geschrieben, ein paar sperrige | |
| Worte: Aufenthaltszeit, Deutschkenntnisse, Straffreiheit. | |
| Stolz präsentiert Berlins Innensenatorin (SPD) an diesem Mittwochmorgen den | |
| ansonsten noch recht kahlen Besprechungsraum [1][im neuen | |
| Einbürgerungszentrum im Wedding]. Auch zwei Wochen nach dessen Eröffnung | |
| fehlen in dem Zimmer zwar Tisch und Stühle. Aber die beschreibbare Wand, | |
| die ist für Spranger ein Beispiel für „modern gestaltete Verwaltung“ in d… | |
| Zweigstelle des Landesamts für Einwanderung (LEA). | |
| Seit Anfang des Jahres sind in Berlin nicht mehr die Bezirke für | |
| Einbürgerungen zuständig, sondern das LEA. Dafür wurde eine neue Abteilung | |
| innerhalb der Behörde gegründet, die nun die Räume in der Sellerstraße | |
| bezogen hat. Gemeinsam mit LEA-Chef Engelhard Mazanke und Wiebke Gramm, die | |
| die Abteilung für Staatsangehörigkeitsangelegenheiten im LEA leitet, führt | |
| Innensenatorin Spranger am Mittwoch die Presse durch das Bürogebäude. Die | |
| Fenster sind blank geputzt, alles riecht sehr neu und etwas chemisch, nach | |
| Wandfarbe und Teppichkleber. | |
| „Wir werden hier jährlich mindestens 20.000 Menschen einbürgern“, | |
| verspricht Gramm. Das wäre ein großer Anstieg; in den vergangenen Jahren | |
| erhielten berlinweit jeweils lediglich zwischen 7.000 und 9.000 Personen | |
| die deutsche Staatsbürgerschaft – bei jährlich rund 15.000 Anträgen. | |
| ## Riesiger Berg an unbearbeiteten Anträgen | |
| Möglich machen soll das die Digitalisierung von Beratung und | |
| Antragstellung: So sollen Einbürgerungswillige künftig in einem sogenannten | |
| Quick-Check online prüfen können, ob sie berechtigt sind, den deutschen | |
| Pass zu erhalten. Alle Formulare und Unterlagen können sie dann digital | |
| einreichen. Persönlich vorbeikommen müssen Antragsteller:innen nur ein | |
| Mal am Ende des Prozesses, betont Gramm: wenn sie die Einbürgerungsurkunde | |
| erhalten. | |
| Für Spranger, Gramm und Mazanke ist es wohl ein Glücksfall, dass die | |
| Behörde auf digitale Akten umgestellt hat. Denn so kann am Mittwoch niemand | |
| [2][die 40.000 unbearbeiteten Anträge sehen, die sich in den vergangenen | |
| Jahren in den Bezirksämtern angesammelt haben]. Diesen Aktenstapel | |
| digitalisiert derzeit ein externer Dienstleister; wann alle Anträge erfasst | |
| sein werden, kann und will Abteilungsleiterin Gramm nicht sagen. Das | |
| bedeutet auch, dass das neue Einbürgerungszentrum eine ganze Weile damit | |
| beschäftigt sein wird, diesen Berg abzuarbeiten. | |
| ## Mehr als 70 freie Stellen unbesetzt | |
| Hinzu kommt: Voraussichtlich im Frühjahr tritt die Reform des | |
| Staatsangehörigkeitsgesetzes in Kraft. Dann muss man nicht mehr acht, | |
| sondern nur noch fünf Jahre in Deutschland gelebt haben, um eine | |
| Einbürgerung beantragen zu dürfen. Zudem wird es leichter, eine zweite | |
| Staatsangehörigkeit zu behalten. Das dürfte zu einem großen Anstieg der | |
| Anträge führen, meint LEA-Chef Mazanke. | |
| Ob das Einbürgerungszentrum damit zurechtkommt, hängt wohl auch davon ab, | |
| ob es bald gelingt, alle freien Stellen zu besetzen. Von den 210 Stellen in | |
| der neuen Abteilung sind bislang erst 139 besetzt, muss Behördenleiter | |
| Mazanke einräumen. Das sind zwar schon mehr, als es vorher insgesamt für | |
| Einbürgerungen gab – in den Bezirken waren es berlinweit 90. Doch gerade | |
| die Fachkräfte aus den Bezirksämtern sträuben sich offenbar, ins LEA zu | |
| wechseln. Nur 45 von ihnen haben das bisher getan. | |
| ## Ungewisse Wartezeit bleibt größtes Hindernis | |
| Für Jian Omar, migrationspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im | |
| Abgeordnetenhaus, zeugt das von Versäumnissen bei der Umstellung: „Man | |
| hätte dieses Projekt besser organisieren müssen“, sagt Omar der taz. | |
| Verantwortlich sei die Innenverwaltung – und damit Senatorin Spranger. Die | |
| sei viel zu schnell mit der Zentralisierung der Einbürgerungen vorgeprescht | |
| und habe damit die Mitarbeiter*innen in den Bezirken verunsichert, so | |
| Omar. Das sei der Hauptgrund, weshalb jetzt noch mehr als 70 Stellen | |
| unbesetzt sind. | |
| Den „Quick-Check“ und die digitale Antragstellung lobt der | |
| Grünen-Abgeordnete. Er habe die Online-Maske selbst getestet, sie sei sehr | |
| intuitiv gestaltet. Doch das größte Hindernis bei der Einbürgerung bleibe | |
| bestehen: die ungewisse Wartezeit. Wer alle Voraussetzungen erfülle, alle | |
| Unterlagen eingereicht habe, warte immer noch Monate, wenn nicht gar Jahre, | |
| bis der Antrag bewilligt werde, kritisiert Omar. | |
| Mahdieh Hashemi etwa hat 14 Monate gewartet. Das hat nun ein Ende: Die | |
| 31-jährige Informatikstudentin erhält am Mittwoch in der neuen Zweigstelle | |
| gemeinsam mit vier anderen Berliner*innen ihre Einbürgerungsurkunde. | |
| Die Übergabe – ein Heimspiel für Iris Spranger: „Seien Sie erfolgreich! | |
| Gründen Sie Familien“, gibt die Senatorin den fünf jungen Leuten noch mit | |
| auf den Weg, bevor sie im beflaggten und mit Blumen geschmückten Raum das | |
| erforderliche „feierliche Bekenntnis“ auf das Grundgesetz ablegen dürfen. | |
| 17 Jan 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Hanno Fleckenstein | |
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