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# taz.de -- Einbrechende Steuereinnahmen: Schwarze Null wird schwarzes Loch
> Etwa 100 Milliarden Euro an Steuereinnahmen gehen Bund, Ländern und
> Gemeinden wegen Corona verloren. Der Finanzminister setzt nun auf
> Schulden.
Bild: Das Terminal 1 des Flughafens Frankfurt liegt derzeit brach
Wegen der Coronakrise sinken die Steuereinnahmen in diesem und den nächsten
Jahren dramatisch. 2020 nimmt der Staat wohl 98,6 Milliarden Euro weniger
ein, als bei der Steuerschätzung im Oktober 2019 berechnet, erklärte
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag in Berlin. Deshalb
wird die Staatsverschuldung stark zunehmen.
Der Bund muss 2020 wohl auf rund 44 Milliarden Euro verzichten. Seine
Steuereinnahmen gehen von erwarteten 329 auf 285 Milliarden zurück,
errechnete der Arbeitskreis Steuerschätzung, dem Expert*innen von Bund,
Ländern und Forschungsinstituten angehören. Bei den Bundesländern beträgt
der prognostizierte Rückgang 35 Milliarden, bei den Städten und Gemeinden
15,6 Milliarden, zu Lasten der EU weitere 4 Milliarden.
Und in den nächsten Jahren werden sich die geringeren Einnahmen wohl
fortsetzen. Zwischen 2020 und 2024 gehen den öffentlichen Haushalten
ungefähr 316 Milliarden verloren, mit denen sie vor der Krise rechneten.
Trotzdem werden die Steuereinnahmen weiter wachsen, allerdings von
niedrigerem Niveau aus – von 718 Milliarden 2020 auf rund 883 Milliarden
2024.
Die starken Mindereinnahmen liegen an den wirtschaftlichen Problemen und
Kontaktbeschränkungen wegen der Corona-Epidemie. Nach Annahmen der
Regierung könnte die hiesige Wirtschaftsleistung dieses Jahr um mehr als 6
Prozent zurückgehen.
## „So jemand gehört ausgebuht!“
Die Beschäftigten verdienen weniger, viele sind in Kurzarbeit, eine bisher
unbekannte Zahl wird ihre Arbeitsplätze verlieren. Deshalb erhalten die
Finanzämter weniger Lohn- und Einkommensteuer. Die Gewinn- und
Gewerbesteuern von Unternehmen bleiben ebenfalls massiv unter den
Erwartungen.
So steigen auch die Defizite in den öffentlichen Haushalten. Die
Steuerausfälle beim Bund sind höher, als im Nachtragshaushalt vom
vergangenen März angenommen. Parallel dazu wachsen die Kosten.
Für die [1][bislang zugesagten Hilfspakete für Wirtschaft und Bürger]
brauchen die Finanzminister*innen über 450 Milliarden Euro. Hinzu kommen
staatliche Garantien für Unternehmenskredite von mehr als 800 Milliarden
Euro. Wie viel davon irgendwann fällig wird, ist unklar.
Außerdem wollen Finanzminister Scholz und Bundeswirtschaftsminister Peter
Altmaier (CDU) demnächst ein [2][Konjunkturprogramm] auflegen, um die
Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Zudem soll die Grundrente kommen.
Weil Unionsfraktionschef Ralph [3][Brinkhaus an diesem Projekt zweifelt],
sagte Scholz: „So jemand gehört eigentlich ausgebuht.“
## Kommunen stabilisieren
Ein besonderes Problem haben die Kommunen, von denen einige ohnehin bis zum
Anschlag verschuldet sind. Deren Sozialkosten wachsen, während sie
gleichzeitig die öffentliche Infrastruktur, etwa die Gesundheitsämter oder
den Nahverkehr mit Bussen und Bahnen, aufrechterhalten müssen.
Die [4][kommunalen Spitzenverbände fordern] eine spezielles
Milliarden-Programm, um die Städte und Gemeinden zu unterstützen. „Wir
haben eine große Verantwortung, die Kommunen zu stabilisieren“, sagte
Scholz.
So kann sich das Loch im Bundeshaushalt dieses Jahr auf eine Größenordnung
von 200 Milliarden Euro oder mehr belaufen. Weil nicht klar ist, wie sich
die Krise weiterentwickelt, lässt sich das noch nicht genau berechnen. Eine
weitere außerplanmäßige Steuerschätzung soll laut Scholz im September
vorgenommen werden.
Zum Vergleich: Bevor Corona zuschlug, sollte der Bundeshaushalt 2020 rund
360 Milliarden Euro umfassen. Das neue, zusätzliche Defizit könnte also
eine Größe von etwa der Hälfte oder mehr des ursprünglichen Etats
erreichen.
## Vermögensabgabe zu klein
Eine spannende Frage ist nun, ob und wie derartige Löcher in den
öffentlichen Etats in den kommenden Jahren wieder zu schließen sind. Einige
Politiker*innen, unter anderem SPD-Vorsitzende [5][Saskia Esken] und
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch, plädieren dafür, eine Sonderabgabe
auf hohe Vermögen zu erheben. Vertreter*innen von Union und FDP lehnen das
ab.
Ohnehin erscheint es unwahrscheinlich, dass eine Vermögensabgabe Hunderte
Milliarden Euro einspielt. Aus den normalen, wahrscheinlich eher moderaten
Steuereinnahmen der kommenden Jahre lässt sich das Defizit wohl auch nicht
decken. Und die Rücklage im Bundeshaushalt, die die Regierung seit 2015
angespart hat, ist mit knapp 50 Milliarden Euro viel zu klein.
So geht an einer deutlich höheren Staatsverschuldung wohl kein Weg vorbei.
Vor der Krise lag sie insgesamt bei etwa 60 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts. Das waren ungefähr 2 Billionen Euro. Rund die Hälfte
davon hat der Bund aufgenommen. Einige Hundert Milliarden Euro werden in
den nächsten Jahren wohl dazukommen. Die Schuldenbremse im Grundgesetz ist
einstweilen ausgesetzt.
14 May 2020
## LINKS
[1] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Sc…
[2] https://www.wiwo.de/politik/deutschland/durchstarten-nach-der-krise-koaliti…
[3] https://www.zeit.de/zustimmung?url=https%3A%2F%2Fwww.zeit.de%2Fpolitik%2Fde…
[4] https://www.wz.de/nrw/steuereinbruch-durch-corona-nrw-kommunen-fordern-sofo…
[5] https://www.tagesschau.de/inland/vermoegensabgabe-101.html
## AUTOREN
Hannes Koch
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