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# taz.de -- Debatte um Coronakosten: Das Virus, der soziale Spaltpilz
> Die Grundrente wackelt und Altmaier will weniger Steuern für Firmen. Das
> droht soziale Ungleichheit zu verstärken.
Bild: Ein Gabenzaun für Hilfsbedürftige wie hier in Greifswald sollte eigentl…
Die Coronadebatten erinnern derzeit an einen Karnevalsschlager aus der
Nachkriegszeit: „Wer soll das bezahlen? … Wer hat so viel Geld?“ Denn die
jüngste Steuerschätzung hat schockiert. Hundert Milliarden Euro werden dem
Staat in diesem Jahr fehlen; bis 2024 dürften es mehr als 300 Milliarden
Euro sein. Gleichzeitig steigen die Ausgaben ständig, was das Minus weiter
vergrößert. Aus der schwarzen Null ist ein tiefrotes Loch geworden.
Dieses Milliardenminus löst einen altbekannten Reflex aus: Wenn das Geld
fehlt, muss der Staat den Gürtel eben enger schnallen! Unionspolitiker
wissen auch schon, wo sie den Rotstift als Erstes ansetzen würden: [1][bei
der Grundrente für arme Ruheständler], die eigentlich im Januar 2021
eingeführt werden sollte.
Die Grundrente würde etwa 1,4 Milliarden Euro im Jahr kosten. Man muss kein
Rechenkünstler sein, um sofort zu erkennen, dass sich damit ein Loch von
100 Milliarden garantiert nicht stopfen lässt. Vor allem aber fällt auf,
dass die Sparfüchse aus der Union sofort sehr freigiebig werden, wenn es
darum geht, die Wohlhabenden zu beglücken. So wird CSU-Chef Markus Söder
nicht müde zu fordern, dass der „Soli“ komplett abgeschafft werden soll.
Dies würde satte 9 Milliarden Euro im Jahr kosten – und allein die
reichsten fünf Prozent der Bevölkerung begünstigen.
Grundrente für die Armen oder Soli-Entlastung für die Reichen? Wie ein
Brennglas bündelt dieser Streit, wie die Konfliktlinien in den nächsten
Monaten verlaufen werden. Der Staat will viele Milliarden Euro ausgeben, um
die coronageschwächte Wirtschaft wieder anzukurbeln. Dabei wird die Frage
immer sein: Wer profitiert, wer verliert?
Wenn es nach CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier ginge, [2][sollen die
Unternehmen „strukturell“ entlastet werden]. Da müssen alle Alarmglocken
schrillen. „Strukturell“ ist nämlich nur das latinisierte Wort für „imm…
Die vorübergehende Coronakrise soll also genutzt werden, um die
Kapitaleigner auf Dauer zu begünstigen. Altmaier stellt sich
„Steuererleichterungen“ vor. Konkreter wurde er bisher nicht, aber schon
dieses Wort reicht, um zu wissen, dass sich der Wirtschaftsminister auf
Abwegen befindet.
Denn Steuererleichterungen kurbeln die Konjunktur garantiert nicht an, wie
US-Starinvestor Warren Buffet immer wieder betont. Er würde niemanden
kennen, so ließ er verlauten, der investiert, weil er Steuern sparen will.
„Man investiert, um Gewinne zu machen.“ Es sei ziemlich uninteressant, wie
hoch die Steuern seien, die anschließend auf diese Profite zu zahlen sind.
Gewinne fallen aber nicht vom Himmel. Profite sind nur möglich, wenn sich
Waren und Dienstleistungen absetzen lassen. Es muss also Käufer geben. Die
Grundrente wäre eine geeignete Maßnahme: Die Rentner würden das zusätzliche
Geld bestimmt nicht sparen, sondern sofort lang gehegte Wünsche
verwirklichen. Genauso sinnvoll wäre es, wenn der Staat verstärkt in den
Klimaschutz investiert und beispielsweise die Gebäudedämmung voranbringt.
Davon würde die Bauindustrie weit mehr profitieren als von Steuersenkungen.
Vielen Bürgern wird mulmig, dass der Staat ständig neue Kredite aufnimmt
und dabei praktisch aus dem Nichts neues Geld entsteht. Sie fürchten, dass
es zu einer rasanten Inflation kommen könnte. Doch diese Angst ist derzeit
unnötig. In einer Krise steigen die Preise nicht, weil Firmen und Läden um
jeden Kunden ringen. In Deutschland lag die Inflation im April bei 0,8
Prozent.
Nicht die Geldentwertung ist gefährlich – sondern dass eine falsche
Coronapolitik, die die Ungleichheit zwischen Arm und Reich weiter
verschärft. Die Krise darf nicht genutzt werden, um die Wohlhabenden
hinterrücks „strukturell“ zu entlasten. Ökonomisch wäre es unsinnig und
politisch bedrohlich. Schon jetzt ist die Verbitterung über die „Eliten“
groß. Demokratien können aber nur funktionieren, wenn die Bürger ihren
Politikern vertrauen.
16 May 2020
## LINKS
[1] /Streit-um-Grundrente/!5685804
[2] /Wirtschaftsweiser-ueber-die-Konjunktur/!5650208
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Steuern
Soziale Gerechtigkeit
John Maynard Keynes
Rente
Inflation
Schwerpunkt Coronavirus
Grundrente
Schwerpunkt Coronavirus
Reichensteuer
Soli-Zuschlag
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