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# taz.de -- EM-Trikot wird Verkaufsschlager: Pink wie Profis
> Das Genöle als Reaktion auf das pinke Trikot hat der DFB clever in die
> Präsentations-Kampagne eingespeist. Alles gut ist damit aber noch lange
> nicht.
Bild: Der DFB zeigt Geschmack
Manchmal fühlt man sich in Deutschland ein bisschen wie Jonas Kahnwald, der
sich in der [1][Netflix-Serie „Dark]“ plötzlich in den 1980er-Jahren
wiederfindet. Das ist der Fall, wenn jemand aktuell von Integration oder
Leitkultur anfängt. Oder wenn mal wieder eine Diskussion über ein
vermeintlich politisches Statement ausbricht. Die einen stellen sich dann
bedingungslos dahinter und überhöhen seine Bedeutung maßlos. Die anderen
erkennen darin den Untergang ihres Abendlandes. Aktuell darf man sich
angesichts der schon tagelangen Aufregung über das neue, pinkfarbene
Deutschlandtrikot fühlen wie der ungläubig aus dem gelben Regenmantel
dreinblickende Jonas Kahnwald in einer vergangenen Zeit, in der Twix noch
Raider hieß und die Welt auch sonst in Ordnung war.
Bereits am Donnerstag hatten der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und Adidas das
pink-lila EM-Auswärtstrikot der Männer gemeinsam mit dem klassisch weiß
gehaltenen Heimtrikot vorgestellt. Während zentrale DFB-Protagonisten die
passenden Zitate lieferten – „eine mutige Entscheidung“ (Trainer Julian
Nagelsmann) und „sehr cool!“ beziehungsweise „mal etwas anderes und
wirklich außergewöhnlich“ (Florian Wirtz, DFB-Hoffnungsträger) –, rastet…
die üblichen Internetrambos auf Social Media aus: „Team Woke“, „Ihr seid
nicht Deutschland!“, „Den Mädels stehts echt gut“ beziehungsweise „Nein
einfach nein“. Der DFB dagegen, so heißt es [2][in einer Mitteilung], will
das neue Auswärtstrikot als Statement für „die neue Generation deutscher
Fußballfans und die Vielfalt des Landes“ verstanden wissen.
Ein bisschen Neid dürfte dahinter stecken, wenn der Ex-DFB-Manager Oliver
Bierhoff bei Welt TV verrät, dass hinter der Farbwahl ja eigentlich ein
„kommerzieller Gedanke“ stecke, also das profane Ziel, „die Trikots zu
verkaufen“ und „den Nerv der Kids“ zu treffen – hatte Bierhoff doch mit
seiner [3][emotionslosen und von oben diktierten Erzählung von der
„Mannschaft“] diesen Nerv einst überhaupt nicht getroffen. Das Shirt legt
dabei den besten Verkaufsstart für ein deutsches Auswärtstrikot jemals hin,
[4][wie Hersteller „Adidas“ auf Anfrage dem Sport- Informations-Dienstes
mitteilte.]
Dass die Agentur Jung von Matt dieses Mal ganze Arbeit geleistet hat,
zeigen auch die vielen positiven Reaktionen auf zwei Videoclips, die die
Kampagne rund um die Vorstellung der neuen Trikots begleiten. Darin kommen
neben Wirtz auch Ilkay Gündoğan, Thomas Müller und sogar der gute alte Rudi
Völler vor. Rapper Rin und das Model Lena Gercke sind als Extras auch noch
dabei.
## Aufregung als Teil der Strategie
Während das erste der zugegebenermaßen gelungenen Videos ironisch mit der
bekannten Frage spielt, was typisch deutsch sei, wurde das zweite ein paar
Tage später veröffentlicht. Es ist konzipiert als Antwort auf die
erwartbare Häme. Denn dieses Mal sind eben wirklich Profis am Werk, die in
ihrer Werbekampagne die Reaktionen von Anfang an mit einkalkuliert und ein
Antwortvideo gedreht haben, bevor es überhaupt etwas gab, worauf sie
antworten konnten. Die erwartbare Aufregung ist also Teil der Strategie.
„Ist das ein Frauentrikot?“, wird da aus dem Off gefragt. „Ich weiß nich…
sieht für mich noch nicht nach acht EM-Titeln aus“, antwortet
[5][Nationalspielerin Jule Brand] mit Verweis auf die zahlreicheren
EM-Erfolge der DFB-Frauen.
Während die Marketingstrategie des DFB dieses Mal also ausnahmsweise
aufgeht, stellt sich nur noch die Frage, inwiefern ein pinkes Fußballtrikot
im Jahr 2024 als politisches Statement gelesen werden kann. Das bringt uns
zu „Dark“ zurück. Einerseits sind pinke Fußballtrikots für Männer wirkl…
nichts Neues (Palermo, Miami). Andererseits galten pinkfarbene Shirts für
Männer vielleicht in den 80ern noch als mutig. Heutzutage spielt der Film
Barbie über 1 Milliarde Dollar ein, was ihn zum ertragreichsten Film des
vergangenen Jahres macht und mehr Mainstream als Pink sind vielleicht nur
noch die Farben Rot und Grün.
Ein politisches Statement, wenn es wirklich darum geht, hätte der DFB 2022
bei der WM der Männer im autokratisch und homophob geführten Land Katar
geben können. Stattdessen hat der Verband die übliche Pride-Binde im
vorauseilenden Gehorsam [6][vor dem Turnier durch eine eigenartige,
nichtssagende One-Love-Binde ersetzt]. Und hat seinen Kapitän diese dann
nicht tragen lassen, weil er vor dem den Gastgebern freundlich gesinnten
[7][Weltverband Fifa eingeknickt] ist.
Politische Statements haben einen Preis, den man zu zahlen bereit sein
muss. Pinke Trikots kosten den DFB nichts. Die Fans kosten sie im
offiziellen DFB-Shop stolze 100 Euro.
19 Mar 2024
## LINKS
[1] /Finale-der-Netflix-Serie-Dark/!5693084
[2] https://www.dfb.de/news/detail/dfb-und-adidas-praesentieren-neues-heim-und-…
[3] /Nationalmannschaft-in-der-Krise/!5756690
[4] https://www.t-online.de/sport/fussball/frauenfussball/nationalmannschaft-de…
[5] /Jule-Brand-und-die-Baller-League/!5987122
[6] /Kapitaensbinde-bei-der-WM-in-Katar/!5879893
[7] /Streit-um-Kapitaensbinde-bei-WM/!5894105
## AUTOREN
Volkan Ağar
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