| # taz.de -- Fußball und Haltung: Lob für die Laptoptrainer-Antifa | |
| > Ralf Rangnick war mal ein besserer Brauseverkäufer. Heute ist er | |
| > Österreichs Teamchef und macht Ansagen gegen Homophobie und den drohenden | |
| > Rechtsruck. | |
| Bild: Hört, hört! Ralf Rangnick meint es ernst mit seinem Engagement gegen Ho… | |
| Das wird jetzt unangenehm, aber da muss ich durch: Ich muss Ralf Rangnick | |
| loben. Ich tue das nur sehr ungern und unter dem zuckenden Protest jenes | |
| Teils meines Hirns, das sich nicht in seine Schubladen pfuschen lassen | |
| will. Aber Ambivalenzen auszuhalten ist Zeichen einer gereiften | |
| Persönlichkeit, und da ich das schon gerne wäre, muss es eben sein. | |
| Ralf Rangnick also, dieser Schnösel, dem zuzuhören mich häufig daran | |
| erinnert, dass ich Sülze nicht mag; ebenjener Rangnick, der mich allzu sehr | |
| an jenen Typus Beamten erinnert, den einst die Duodezfürstentümer | |
| hervorgebracht haben müssen; jene Leute, die mit besonderem Stolz am | |
| Schlagbaum standen und die zum Markt durchreisenden Bäuer*innen | |
| schikanierten, weil sie drei Eier mehr als erlaubt in ihrem Korb hatten; | |
| jener Ralf Rangnick auch, der für [1][diese Marketing-Farce eines Leipziger | |
| Fußballklubs] den Erfolg organisierte; der also ein besserer | |
| Brauseverkäufer ist; wobei ich ihm das besonders übel nehme, wenn ich | |
| bedenke, wie während der Weimarer Republik italienische Eisverkäufer, die | |
| vor dem faschistischen Regime Mussolinis geflohen waren, in Deutschland die | |
| Idee von der Gleichheit aller Menschen und andere kommunistische Ideale | |
| verbreiteten; den muss ich nun loben. Warum eigentlich? | |
| Nach dem Wiener Derby Rapid gegen Austria hatten die Spieler Guido | |
| Burgstaller, Marco Grüll und Niklas Hedl homophobe Gesänge angestimmt, um | |
| ihre Gegner zu schmähen. Daraufhin hat Ralf Rangnick, [2][der aktuell | |
| Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft ist], sie nicht in den | |
| Kader für die anstehenden Länderspiele zu berufen. | |
| Seine Begründung könnte deutlicher nicht sein: „Das ist etwas, das ich in | |
| meiner Mannschaft nicht tolerieren werde. (…) Alles, wofür wir mit der | |
| Nationalmannschaft stehen, ist diametral am anderen Ende der Werteskala.“ | |
| Die Spieler müssten sich „ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzen und | |
| verstehen, was es für Menschen bedeutet, wenn sie auf so eine Art und Weise | |
| öffentlich beleidigt und diskriminiert werden“. Ein öffentliches „sorry“ | |
| allein wird nicht reichen; alle drei werden sich beweisen müssen, um wieder | |
| eingeladen zu werden. | |
| ## Alltag und Politik | |
| Das ist die richtige Reaktion auf Menschenfeindlichkeit: nicht nur | |
| pflichtschuldige Entschuldigungen einholen, sondern, um es im | |
| Fußballdeutsch zu sagen, zu erwarten, dass die Spieler jetzt eine Reaktion | |
| zeigen. Ralf Rangnick fordert dies sicher auch vor dem Hintergrund ein, | |
| dass er sich große Sorgen macht angesichts des Erstarkens der | |
| Rechtsextremen in Europa. | |
| Im [3][Interview mit dem Standard] sagte er: „Jeder kann in seinem | |
| persönlichen Bereich etwas tun. Es ist gut, dass es Massendemonstrationen | |
| gegen rechts gibt, die schweigende Mehrheit nicht mehr länger bereit ist, | |
| den Mund zu halten. Wir können nicht sagen, wir sind Sport, wir halten uns | |
| komplett aus allem raus. Wir stehen alle in der Verantwortung.“ | |
| Ich komme nicht umhin festzustellen, dass er dieser Verantwortung gerecht | |
| geworden ist. Es ist freilich nicht so, dass die Herren Burgstaller, Grüll | |
| und Hendl handfeste Nazis wären, aber sie haben sich menschenfeindlich | |
| geäußert und müssen dafür die Konsequenzen tragen: das ist fair. | |
| Es ist oft die Rede davon, dass Fußball und Politik getrennt gehören. Das | |
| ist auf eine Art und Weise Quatsch, dass es schwer wird, dem rational zu | |
| widersprechen. Denn wie Gesellschaften zusammenleben, gehört nicht in den | |
| Bereich der Politik, sondern in den Alltag. Wenn wie in Deutschland die | |
| Farbe eines T-Shirts schon politisch ist, wie es viele Klemmnazis | |
| angesichts [4][einer neuen Edition des Nationaltrikots] behaupten, kann man | |
| eigentlich nur noch sagen: Bist wo agrennt, du Hiafla? | |
| Insofern finde ich mich auf einer Seite mit Ralf Rangnick: Randlosbrille, | |
| trotzdem da; Laptoptrainer-Antifa. | |
| 21 Mar 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Die-steile-These/!5855603 | |
| [2] /Oesterreich-Debuet-fuer-Ralf-Rangnick/!5855310 | |
| [3] https://www.derstandard.de/story/3000000211935/oefb-teamchef-ralf-rangnick-… | |
| [4] /EM-Trikot-wird-Verkaufsschlager/!5996343 | |
| ## AUTOREN | |
| Frédéric Valin | |
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