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# taz.de -- Vom Ritual der Trikotübergabe: Heilige Hemden
> Warum wird mittlerweile selbst Trainern zum Amtsantritt feierlich ein
> Trikot überreicht? Und was sollen eigentlich Politiker mit dem Textil
> anfangen?
Bild: Trainer Hansi Flick mit seinem Barcelona-Trikot
Es ist Wechselzeit im Fußball. Klubpräsidenten präsentieren ihre Einkäufe
und überreichen ihnen ein Trikot, frisch beflockt mit dem Spielernamen. Von
Kylian Mbappé, dessen Wechsel von Paris Saint-Germain („mein
Herzensverein“) zu Real Madrid („mein Lieblingsklub“) nun endlich
feststeht, waren schon Bilder im Umlauf, die ihn im Real-Trikot zeigen –
lange bevor ihm ein echtes Leibchen der Königlichen überreicht worden ist.
Technik macht’s möglich. Andere Trikotübergaben haben wahrhaftig
stattgefunden und sind fotografisch dokumentiert, ohne dass sich eine
künstliche Intelligenz eingemischt hätte. Dennoch werfen die Bilder Fragen
auf.
Warum nur hat es sich eingebürgert, auch neue Trainer mit einer feierlichen
Trikotübergabe zu begrüßen, als würden sie selbst gegen den Ball treten?
Gerade hat der FC Barcelona seinem neuen Coach ein Leibchen mit
Namensaufdruck übergeben. Das hat dieser stolz in die Kameras gehalten hat,
wohl um die letzten Zweifler davon zu überzeugen, dass fortan [1][nun
wirklich Hansi Flick] beim katalanischen Großklub arbeitet. Auch José
Mourinho hat man bei seiner Vorstellung als neuer Trainer von Fenerbahçe
Istanbul mit einem Klubtrikot ausgestattet. Stolz hielt er es in die Höhe
und sagte: „Dieses Trikot ist meine Haut“. Was einer halt so sagt, zu dem
man „der spezielle Eine“ sagt.
Es gibt auch politische Trikotübergaben. Dass diese weitreichende Folgen
haben können, zeigt [2][der Fall Mesut Özil]. Der ist bekanntlich aus der
deutschen Fußballnation ausgeschlossen worden, nachdem er dem türkischen
Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ein Trikot des FC Arsenal überreicht
hatte. Das Trikot von Manchester City, das İlkay Gündoğan beim gleichen
Anlass Erdoğan überreicht hat, blieb weitgehend folgenlos. Gündoğan holte
sich einen Anschiss bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ab, gelobte
Besserung und ist heute Kapitän der Nationalmannschaft.
Wo Erdoğan in seinem Präsidentenpalast die ihm anvertrauten Trikots
aufbewahrt, ist nicht bekannt. Immerhin taugen die Leibchen zum Angeben.
Erdoğan könnte sie durchaus mal aus dem Schrank holen, wenn er jemanden
zeigen will, welch tolle Typen er schon getroffen hat.
## Blutrotes Textil aus Belarus
Was aber macht ein Politiker, wenn ihm jemand das Outfit der
Nationalmannschaft von Belarus schenkt? Dieses Problem hat gerade der
ungarische Außenminister Péter Szijjártó. Der ist in der vergangenen Woche
nach Minsk gereist, um sich mit seinem dortigen Amtskollegen darüber
auszutauschen, wie man Atomkraftwerke russischer Provenienz zum Laufen
bekommt.
Dass Belarus seit dem von dem Land unterstützten Überfall auf die Ukraine
von der EU diplomatisch weitgehend isoliert ist, hat ihn nicht gestört. Und
als er das Trikot bekommen hat, hat er brav gelächelt, ganz so, als wäre es
normal, sich über ein Trikot der Nationalmannschaft von Belarus zu freuen,
die in der Fifa-Weltrangliste auf Platz 96 geführt wird.
Dass [3][Lukaschenkas] Kicker überhaupt – anders als Russland – am
offiziellen Spielbetrieb teilnehmen dürfen, kann man getrost als Skandal
bezeichnen. Vikor Orbáns Außenminister hat damit wahrscheinlich keine
Probleme. Wir wünschen also viel Spaß mit dem blutroten Textil!
6 Jun 2024
## LINKS
[1] /DFB-suspendiert-Bundestrainer-Flick/!5956518
[2] /Mesut-Oezil-beendet-Fussballkarriere/!5923773
[3] /Pressefreiheit-in-Belarus/!6007524
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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