# taz.de -- Die Berlinale und die AfD: Verspätete Haltung | |
> Die Berlinale hat die AfD erst zur Eröffnung eingeladen, weil sie dachte, | |
> das müsse so sein. Nach Druck von außen lud sie schließlich wieder aus. | |
Bild: Das Leitungsduo der Berlinale: Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian | |
Die Berlinale hat vor ihrem Beginn nächste Woche schon den ersten Skandal. | |
[1][Unter den eingeladenen Gästen, die zur Eröffnung des Filmfestivals | |
kommen sollten, waren auch fünf Abgeordnete der AfD]. Zwei von ihnen hatten | |
zugesagt. Mehr als 200 nationale und internationale Filmemacher | |
protestierten letztes Wochenende in einem offenen Brief gegen die | |
Einladung. Initiiert hatten den Brief Mitarbeiter der Berlinale. | |
Es folgte weitere Kritik aus der Filmbranche, aus der Politik und in den | |
Medien. Die Geschäftsführerin der Berlinale, Mariëtte Rissenbeek, | |
versuchte zu beschwichtigen und berief sich darauf, dass der Berliner Senat | |
Einladungen erhielte, die er „auf die gewählten Mitglieder aller Parteien | |
im Abgeordnetenhaus verteilt“. | |
Das Festival hätte diese Entscheidung selbstbewusst verteidigen können. | |
Immerhin gab es solche Einladungen schon in der Vergangenheit. Man hätte | |
die AfD-Abgeordneten bei der Eröffnung etwa von der Bühne aus damit | |
konfrontieren können, dass das Festival für eine gesellschaftliche Vielfalt | |
steht, die die AfD bekämpfen will. Das wäre eine konsequente, wenngleich | |
sicher nicht unumstrittene Geste gewesen. Stattdessen waren öffentlich | |
lediglich unentschlossene Ausweichmanöver zu vernehmen. | |
Am Donnerstag folgte die Erklärung des Leitungsduos, dass man entschieden | |
habe, die eingeladenen AfD-Politiker wieder auszuladen: „Gerade auch | |
angesichts der Enthüllungen, die es in den vergangenen Wochen zu explizit | |
antidemokratischen Positionen und einzelnen Politiker*innen der AfD | |
gab, ist es für uns – als Berlinale und als Team – wichtig, | |
unmissverständlich Stellung zu beziehen für eine offene Demokratie. Wir | |
haben daher heute alle zuvor eingeladenen AfD-Politiker*innen | |
schriftlich ausgeladen und sie darüber informiert, dass sie auf der | |
Berlinale nicht willkommen sind“, so Rissenbeek und der künstlerische | |
Leiter der Berlinale, Carlo Chatrian. | |
## Kaum überzeugend | |
Das kommt zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht bloß zu spät, es kann auch kaum | |
mehr überzeugen. [2][Am Montag hatte Rissenbeek in einem defensiv | |
gehaltenen Interview mit dem Radiosender Deutschlandfunk Kultur] nämlich | |
den Satz geäußert: „Als Festival politisch zu agieren, gerade in Zeiten, wo | |
man nicht weiß, wo die Politik sich hinentwickelt, ist ja auch eine große | |
Gefahr.“ | |
Diese höchst vage Formulierung kann man schwerlich anders begreifen als | |
haltungs- und verantwortungslos. Schließlich wäre es erst recht gefährlich, | |
unbeteiligt abzuwarten, ob sich die Politik in eine Richtung entwickelt, in | |
der Kulturveranstaltungen wie die Berlinale sogar fürchten müssten, gleich | |
ganz abgeschafft zu werden. | |
Dagegen lohnt jedes Engagement. Wenn es glaubhaft ist. | |
9 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Offener-Brief-an-die-Berlinale/!5987218 | |
[2] https://www.deutschlandfunkkultur.de/die-berlinale-die-afd-entgegnungen-der… | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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