| # taz.de -- Kulturpolitik in der sächsischen AfD: Der Beginn eines Kulturkampf… | |
| > Die Kulturpolitik der AfD in Ostdeutschland ist von klaren patriotischen | |
| > Interessen geleitet. Gleichzeitig zeugt sie von wenig Kompetenz. | |
| Bild: Dem Kunstzentrum Hellerau wirft die AfD vor, ein „wirtschaftliches Desa… | |
| Dresden taz | Siegesgewiss lassen sich derzeit die Spitzen der sächsischen | |
| AfD schon für Regierungsämter coachen und plaudern mit Journalisten über | |
| das 100-Tage-Programm nach den Landtagswahlen am 1. September. Beflügelt | |
| haben sie die Europawahlergebnisse, bei denen sie in Sachsen und | |
| Brandenburg stärkste Kraft wurde. Welche Kultur- und Medienpolitik im Falle | |
| einer Machtbeteiligung der AfD zu erwarten ist, zeichnet sich bereits jetzt | |
| in den Programmen und in den Forderungen auf Kommunal- und Landesebene ab. | |
| Ein Kulturkampf wie in Polen oder Ungarn deutet sich an. | |
| Durch alle kulturpolitischen Äußerungen der AfD zieht sich die Forderung | |
| nach einer „ideologiefreien“, strikt neutralen und entpolitisierten Kunst, | |
| einer abstrakten „l’art pour l’art“. Karin Wilke beispielsweise, | |
| kulturpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag, | |
| vergleicht die heutige Situation mit der Rolle der Kunst im 20. | |
| Jahrhundert, als sie die Fesseln der bürgerlichen Gesellschaft sprengte. | |
| Jetzt müsse man analog die wahre Kunstfreiheit wieder erkämpfen, indem man | |
| sie „aus dem Leid linker Indoktrination befreit“. | |
| Jedes Eintreten für die Würde aller Menschen, für die im Artikel 5 des | |
| Grundgesetzes garantierte Kunstfreiheit gilt als politisch einseitige und | |
| linke Positionierung. (Eine solche Auffassung kollidiert mit einer | |
| Erklärung der Kulturminister der Länder vom 13. März dieses Jahres. „Es ist | |
| das Recht künstlerischer Arbeit, gesellschaftspolitische Fragen zu | |
| reflektieren und Position zu beziehen“, heißt es darin.) | |
| Mit der Forderung nach Entpolitisierung kaschiert die AfD nur mehr oder | |
| weniger geschickt das Streben nach eigener kultureller Hegemonie. Niemand | |
| verlangt auf plumpe Weise wieder eine Reichskulturkammer. Aber wohin es | |
| gehen soll, zeigte bereits das Landtagswahlprogramm 2016 der AfD | |
| Sachsen-Anhalt. „Museen, Orchester und Theater sind in der Pflicht, einen | |
| positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern“, hieß es damals. | |
| Auch das Kommunalwahlprogramm der Dresdner AfD 2019 betont den Zusammenhang | |
| von Kultur und Identität. Im dünnen Kulturteil des Landtagswahlprogramms | |
| Sachsen 2014 stach die Denkmalpflege heraus, also die retrospektive | |
| Orientierung der AfD. Das am 1. Juni verabschiedete Wahlprogramm 2019 des | |
| sächsischen Landesverbandes ist immer noch nicht im Internet nachlesbar. | |
| ## Mangelnde kuturpolitische Kompetenz | |
| Der AfD mangelt es für die Aufstellung solcher Postulate indessen | |
| weitestgehend an kulturpolitischer Kompetenz. Diejenigen, die im Dresdner | |
| Wahlprogramm beispielsweise die „aufwendige Förderung von randständigen | |
| Minderheitenprojekten“ kritisieren, sind bei den entsprechenden | |
| Aufführungen oder Vernissagen in der Regel nicht zugegen. Die Inkompetenz | |
| führt zu sachlichen Fehlern, wenn von einem angeblichen Ensemble am | |
| Festspielhaus Dresden-Hellerau gesprochen wird. | |
| Karin Wilke und ihr Mitarbeiter Thomas Hartung, ein promovierter Germanist, | |
| sind die einzigen auf Kunst und Kultur ansprechbaren Abgeordneten und ernst | |
| zu nehmenden sächsischen Landesverbandsmitglieder. Sie sind in diesem | |
| Landesverband weitgehend isoliert, wurden auf hintere Plätze der | |
| Landesliste durchgereicht. Sehr dürftig fallen Passagen in den | |
| Wahlprogrammen aus. „Die Kulturpolitik wird in der AfD sekundär behandelt“, | |
| drückt es Thomas Hartung milde aus. | |
| So sind möglicherweise auch die ins Auge springenden Widersprüche in den | |
| Äußerungen zu erklären. Das von Hartung maßgeblich geschriebene | |
| Landtagswahlprogramm 2014 wettert einerseits gegen einen „normierten und | |
| nach reinem Verkaufswert zusammengezimmerten Kulturbegriff“ und gegen | |
| „formatierte und hoch-manipulativen Produkte von Privatradio, | |
| Musikindustrie oder serieller Seichtbelletristik“. | |
| ## Gegen öffentlich-rechtliche Medien | |
| Auf der anderen Seite verlangt die AfD nicht nur die Abschaffung des | |
| öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern auch die Abkehr von einem | |
| „Verordnungsstaat, der durch Fördermittel und Auszeichnungen in die | |
| Kulturproduktion eingreift“. Kultursprecherin Wilke definiert | |
| erstaunlicherweise Kunst als „die Entdeckung des Neuen und Unbekannten“. | |
| Zugleich gebiete „schon der gesunde Menschenverstand“, dass das | |
| Kunstzentrum Hellerau, wo genau dieses Experiment seinen Platz hat, „nicht | |
| förderungswürdig ist“. | |
| Aus dem Kulturverständnis des Dienstes an der nationalen Sache folgt | |
| hingegen logisch, dass die AfD der Soziokultur und allen Initiativen, | |
| Vereinen und Programmen die Förderung streichen will, hinter denen sie den | |
| altbösen kommunistischen Feind wittert. Entsprechende Anträge sind schon in | |
| den Landtag eingebracht worden. In Leipzig sieht sich die Freie Szene | |
| Extremismus-Vorwürfen der AfD ausgesetzt, die ihr die Gelder kappen will. | |
| Was die AfD wirklich von einer offenen Debatte hält, demonstrierte sie | |
| anlässlich einer Diskussion zum Vordringen rechtspopulistischer Kreise in | |
| die Kirchen am Theater Freiberg. Nachdem AfD und eine rechte | |
| Facebook-Gruppe gegen die Veranstaltung polemisiert hatten, untersagten die | |
| städtischen Gesellschafter des Theaters künftig politisch intendierte | |
| Veranstaltungen dieser Art. | |
| 21 Jun 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Bartsch | |
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