# taz.de -- „Deutsche Wohnen enteignen“ in Berlin: Volksentscheid wohl alte… | |
> Erst im Juni will sich die rot-rot-grüne Regierung in Berlin mit dem | |
> Enteignungsvolksbegehren beschäftigen. Eine politische Lösung ist nicht | |
> in Sicht. | |
Bild: Seit Anfang April werden Unterschriften gesammelt | |
BERLIN taz | Ein Verhandlungsangebot hat Rouzbeh Taheri noch nicht | |
bekommen. „Wir sind mit der Linkspartei und den Grünen im Gespräch, und | |
auch einige SPD-Unterorganisationen laden uns ein“, sagt der Sprecher des | |
Volksbegehrens „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“. Aber eine konkrete | |
Anfrage, um über das Thema in Verhandlungen zu treten, gebe es bislang | |
nicht. | |
Deutlich mehr als 20.000 Unterschriften hat die Initiative bislang nach | |
eigenen Angaben gesammelt. Konkrete Zahlen wird es aber erst nach dem 1. | |
Mai geben. „Dann wird wieder gezählt“, sagt Taheri. Aber schon jetzt | |
zeichnet sich ab, dass das Volksbegehren zur Enteignung von | |
Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen einen anderen Verlauf | |
nehmen könnte als zum Beispiel beim Radverkehr oder dem | |
Mietenvolksentscheid. | |
Die Berliner „Initiative Volksentscheid Fahrrad“ war im Juni 2016 gestartet | |
und hatte dem Senat innerhalb von dreieinhalb Wochen mehr als 100.000 | |
Unterschriften überreicht – fünfmal mehr, als für die erste Stufe nötig | |
gewesen wären. Zu einem abschließenden Volksentscheid, bei dem 50 Prozent | |
der Abstimmenden und mehr als 25 Prozent der Wahlberechtigten zustimmen | |
müssen, kam es aber nicht. Der rot-rot-grüne Senat hatte die Ziele des | |
Volksbegehrens übernommen, in zähen Verhandlungen mit den Initiatoren wurde | |
schließlich am 28. Juni 2018 das Berliner Mobilitätsgesetz verabschiedet. | |
Ähnlich wurde auch der Mietenvolksentscheid politisch abgeräumt. Weil ein | |
Teil der Forderungen vom Senat übernommen wurde, verzichtete die Initiative | |
auf die zweite Stufe des Volksbegehrens, bei der 170.000 Unterschriften | |
gesammelt werden müssen. Am Ende verabschiedete das Abgeordnetenhaus das | |
Berliner Wohnraumversorgungsgesetz. | |
## Regierender macht keinen Hehl aus Ablehnung | |
Nach einer solchen politischen Lösung sieht es beim Volksbegehren „Deutsche | |
Wohnen und Co. enteignen“ derzeit allerdings nicht aus. Zwar hat die | |
Linkspartei auf einem Parteitag beschlossen, das Volksbegehren zu | |
unterstützen, und auch die Grünen halten eine solche Drohkulisse politisch | |
für richtig. Der Berliner Landesverband der SPD hat eine Abstimmung aber | |
beim letzten Landesparteitag Ende März auf den Oktober vertagt. | |
SPD-Landeschef und Regierender Bürgermeister Michael Müller hat aus seiner | |
ablehnenden Haltung zuletzt keinen Hehl gemacht. Er setzt lieber auf | |
freiwillige Verkäufe von Wohnungen der Deutsche Wohnen an landeseigene | |
Berliner Wohnungsbaugesellschaften. | |
„Bislang gibt es keine gemeinsame Willensbildung von SPD, Linken und | |
Grünen“, sagt die Sprecherin für Wohnen und Mieten der Grünen im | |
Abgeordnetenhaus, Katrin Schmidberger. Sie geht aber davon aus, dass das | |
Thema Enteignung beim Koalitionstreffen der drei Parteien am 5. Juni auf | |
die Tagesordnung kommt. | |
„Ich finde es wichtig, dass wir in der Koalition den Schwung der | |
Unterschriftensammlungen nutzen, um möglichst viel davon umzusetzen“, sagte | |
Schmidberger der taz. Daraus solle dann ein Gesetz erarbeitet werden. Bei | |
der SPD sieht die Grünen-Politikerin noch viel Bewegungsspielraum. „Ich bin | |
guter Dinge, dass die SPD im Herbst Ja sagt.“ Ein Nein würden sich die | |
Sozialdemokraten nicht erlauben können, glaubt die Grüne. „Der politische | |
Druck wird noch zunehmen.“ | |
Dem widerspricht freilich Schmidbergers mietenpolitische Kollegin bei der | |
SPD, Iris Spranger. „Ich glaube nicht an eine Parteitagsmehrheit für den | |
Volksentscheid“, so Spranger. „Wir legen als SPD unseren Fokus auf den | |
Mietendeckel und den Wohnungsneubau.“ Mit Spranger steht neben dem Lager | |
des Regierenden Bürgermeisters auch das von Fraktionschef Raed Saleh bei | |
den Neinsagern. | |
Auch die Linkspartei ist daher skeptisch, ob es zu einer gemeinsamen | |
Position der rot-rot-grünen Koalition kommen wird. „Ob es uns gelingt, da | |
im Senat zu einer Einigung zu kommen, halte ich für offen“, sagt der | |
parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Steffen Zillich. Ohne | |
Einigung wird aber ein Enteignungsvolksentscheid wahrscheinlich. Für | |
Zillich wäre das keine Niederlage von Rot-Rot-Grün. „Angesichts der | |
gesellschaftlichen Tragweite ist es kein Schaden, tatsächlich die | |
Wählerinnen und Wähler entscheiden zu lassen.“ | |
## Die Kosten werden eine wichtige Rolle spielen | |
Das Procedere hält allerdings noch ein paar Unwägbarkeiten bereit. Sollte | |
die erste Stufe – woran kaum einer zweifelt – erfolgreich sein, muss | |
zunächst Innensenator Andreas Geisel (SPD) prüfen, ob die Ziele des | |
Volksbegehrens verfassungskonform sind. Dies kann mehrere Monate in | |
Anspruch nehmen. Bestehen Zweifel, muss das Berliner Verfassungsgericht | |
eingeschaltet werden. Hinter vorgehaltener Hand wird deshalb befürchtet, | |
dass die Enteignungsgegner auf Zeit spielen und ein Entscheid erst bei den | |
Abgeordnetenhauswahlen 2021 stattfindet. Dann wäre der jetzige Senat aus | |
dem Schneider. Grünen-Politikerin Schmidberger hält das aber für nicht sehr | |
wahrscheinlich. „Das wäre politisch nicht zu vermitteln“, sagt sie. | |
Gibt der Innensenator grünes Licht, kann die zweite Stufe gezündet werden. | |
Wird dann mit dem neuerlichen Sammeln für Unterschriften begonnen, sind | |
politische Verhandlungen nicht mehr möglich, sagt Initiativensprecher | |
Taheri. „Eine politische Lösung ist nur zwischen erster und zweiter Stufe | |
möglich.“ | |
So oder so werden mit zunehmender Mobilisierung für oder gegen Enteignungen | |
die Kosten eine wichtige Rolle spielen. Während die | |
Stadtentwicklungsverwaltung von 28,8 bis zu 36 Milliarden Euro spricht, | |
gehen die Initiatoren des Volksbegehrens von einer Summe zwischen 7,3 und | |
14 Milliarden Euro aus. Grund sind unterschiedliche Auffassungen bei der | |
Ermittlung des Verkehrswertes der Wohnungen. | |
Gut möglich sei es daher, dass es auch bei einem Volksentscheid noch keine | |
verbindliche Summe gibt, sagt Rouzbeh Taheri. Denn anders als beim | |
Radgesetz oder dem Mietenvolksentscheid steht diesmal kein Gesetzentwurf | |
zur Abstimmung, sondern lediglich ein Beschluss. „Eine offizielle Zahl wird | |
es dann erst geben, wenn der Senat nach einem erfolgreichen Volksentscheid | |
einen Gesetzentwurf vorlegt“, so der Sprecher der Initiative. | |
24 Apr 2019 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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