# taz.de -- Desinformation im Netz: Am Rande der Meinungsfreiheit | |
> Immer mehr Menschen lesen Nachrichten im Netz. Seit einem Jahr kann die | |
> Medienaufsicht gegen Hetze und Fake News auf Webseiten vorgehen. Eine | |
> Bilanz. | |
Bild: März 2014: Der Ex-Moderator Ken Jebsen klärt darüber auf, dass 9/11 ei… | |
Ins Netz kann heute jede:r schreiben, was er oder sie will. Zum Beispiel | |
Sätze wie die folgenden: „In Wahrheit ist der Startschuss zur | |
Genmanipulation der homo sapiens sapiens gefallen. Die | |
mRNA-Impfstoff-Entwicklung ist hier nur ein weiterer Versuch, die Menschen | |
besser zu kontrollieren. Doch auch ein weiterer Versuch, einen Homozid zu | |
versuchen, ist damit eingeläutet.“ | |
So steht es in einem Beitrag zur Coronapolitik des | |
Verschwörungstheoretikers Rüdiger Lenz vom 9. September 2020 auf dem | |
Internetportal KenFM. Das „FM“ stehe für „Freie Medien für freie Mensch… | |
sagte einst dessen Gründer, der ehemalige TV- und Radiomoderator Ken | |
Jebsen. | |
Was Lenz dort schrieb, ist keine Volksverhetzung, weil es nicht zum Hass | |
gegen eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe aufstachelt. Es ist durch die | |
Meinungsfreiheit gedeckt. Ob es wahr ist oder nicht, spielt dabei keine | |
Rolle. Und das ist gut so. Doch von Seiten wie KenFM, aus Blogs, aus | |
sozialen Medien beziehen heute mehr Menschen ihre Informationen als von | |
vielen klassischen Medien. Wie will eine Gesellschaft damit umgehen, wenn | |
dort gefährlicher Unsinn steht? | |
Am 15. Februar 2021 bekam Jebsen einen Brief. Lenz’ und drei weitere | |
KenFM-Beiträge legten einen „Verstoß gegen die journalistischen | |
Sorgfaltspflichten nahe“, stand darin. Absender war die Medienanstalt | |
Berlin-Brandenburg (MABB). Sie setzte Jebsen eine zweiwöchige Frist, um die | |
Beiträge „kritisch durchzusehen und anzupassen“. Die MABB will über den | |
konkreten Fall nicht sprechen. Jebsen stellte den Schriftverkehr hingegen | |
ins Netz. | |
Dass eine Aufsichtsbehörde ein solches Schreiben überhaupt verschicken | |
kann, ist neu. Grundlage ist eine weitgehend unbeachtete [1][Reform des | |
Medienstaatsvertrags]. Der regelte lange nur, was Radio- und TV-Schaffende | |
beachten mussten. Doch seit dem 7. November 2020 erfasst er auch, was im | |
Netz publiziert wird. Nun heißt es [2][im Staatsvertrag], dass „Telemedien | |
mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten“ den | |
„journalistischen Grundsätzen zu entsprechen“ haben. Das klingt vage, | |
verschafft den Aufsichtsbehörden aber eine völlig neue Handhabe, um gegen | |
Desinformation und Hetze im Netz vorgehen zu können. | |
Jebsen war einer der Ersten, der ein solches Hinweisschreiben bekam. Nach | |
antisemitischen Äußerungen flog er 2011 beim Berliner RBB als Moderator | |
raus, ab 2012 baute er das Webportal KenFM auf. Auf Youtube abonnierten | |
zwischenzeitlich über eine halbe Million Menschen seine Beiträge. 2016 | |
besuchten durchschnittlich 100.000 Nutzer:innen pro Tag die Website | |
KenFM, im Juni 2020 kam KenFM auf den siebten Platz der umsatzstärksten | |
Nachrichten-Apps in Deutschland. | |
Jebsens Kanäle waren ein Katalysator für verschwörungsideologisches Geraune | |
aller Art – und später auch für Coronadesinformation. Gleichzeitig war | |
KenFM eines der erfolgreichsten crowdfinanzierten Medienportale | |
Deutschlands. | |
Als „Telemedium“ gilt laut Staatsvertrag alles, was im Internet steht. | |
„Journalistisch-redaktionell“ sind Inhalte dann, wenn sie Nachrichten oder | |
politische Infos enthalten, die „gestaltend“ oder „kommentierend“ | |
bearbeitet wurden. Sie müssen die öffentliche Meinungsbildung beeinflussen | |
können und „fortgesetzt und planmäßig“ angeboten werden – also „nich… | |
privat oder nur bei Gelegenheit“. Videoblogger:innen können ebenso | |
erfasst sein wie Betreiber:innen von Querdenker-Telegramkanälen, | |
Instagram-Influencer, rechte Webportale oder eben KenFM. | |
Es gehört zu Ken Jebsens Geschäftsmodell und ideologischem Programm, trotz | |
seiner enormen Reichweite über die Beschneidung der Meinungsfreiheit zu | |
jammern: „Der digitale Raum in der ‚Corona-BRD‘“ werde täglich enger, … | |
Jebsen im Oktober 2020. Zensur sei inzwischen „alltäglich“ und mache | |
„freien Journalismus zu einem Spießrutenlauf“. Der Brief der MABB dürfte | |
ihm da gar nicht ungelegen gekommen sein. „Wenn das Wahrheitsministerium | |
Maulkörbe verteilt“ betitelte er seine erste öffentliche Replik auf das | |
Schreiben und warf der Anstalt vor, einen „digitalen Scheiterhaufen zu | |
errichten“. | |
Das Ganze ist fraglos heikel – eine „Operation am offenen Herzen der | |
Meinungsfreiheit“ nennt es die Sprecherin der MABB. Dass manche, die die | |
Medienaufsicht in den Blick nimmt, über „Zensur“ oder ein „Ministerium f… | |
Wahrheit“ wie im Roman „1984“ klagen, liegt auf der Hand. Dass die | |
Landesmedienanstalten sich selbst immer explizit als „staatsfern“ | |
definieren, ändert daran nichts. | |
Für den Zensurvorwurf will der MABB-Justiziar Marco Holtz so wenig Anlass | |
wie möglich geben. „Wir schauen uns Inhalte grundsätzlich erst nach | |
Veröffentlichung an“, sagt er. Entscheidend ist dabei einzig das Kriterium | |
der „journalistischen Sorgfaltspflicht“, das auch im Medienstaatsvertrag | |
steht: Inhalte dürfen nicht aus dem Zusammenhang gerissen, Quellen müssen | |
genannt werden, Zitate „unverfälscht“ bleiben. Ob etwas richtig oder falsch | |
ist, spiele keine Rolle. „Wir sind keine Wahrheitspolizei“, sagt Holtz. Es | |
ist vermutlich ein sinnvoller Kompromiss zwischen dem Rechtsgut der | |
Meinungsfreiheit und dem gesellschaftlichen Interesse, gefährliche | |
Pseudonews einzudämmen. | |
„Echokammer“ ist eins der Schlagworte, mit denen | |
Kommunikationswissenschaftler schon seit einem Jahrzehnt die Mechanik | |
sozialer Medien zu beschreiben versuchen: ein sich selbst verstärkender | |
virtueller Umgang mit Gleichgesinnten, der zu einer sich stetig | |
verfestigenden Verengung der Weltsicht führt. Eine | |
Radikalisierungsmaschine. Das zeigt sich auch hierzulande. | |
Ende September 2021, Idar-Oberstein: Der Software-Entwickler Mario N. | |
schießt in einer Tankstelle [3][einem 20-jährigen Studenten in den Kopf], | |
weil dieser ihn auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte. Nach seiner | |
Festnahme sagt N., dass er die Coronamaßnahmen ablehne. Der Täter sei schon | |
länger „in einer Welt voller Verschwörungserzählungen unterwegs“, sagte | |
kurz darauf der Analyst Miro Dittrich von der Amadeu Antonio Stiftung der | |
„Tagesschau“. Solche Konsequenzen könne es haben, wenn Menschen in | |
alternative Wirklichkeiten im digitalen Raum abrutschten. Und es gehört | |
nicht viel Fantasie dazu, sich auszumalen, dass in manchen Köpfen Sätze wie | |
in den beanstandeten KenFM-Beiträgen zu Handlungen wie dem Mord in der | |
Tankstelle in Idar-Oberstein führen können. | |
Um die „alternativen Wirklichkeiten“ nicht völlig sich selbst zu | |
überlassen, können die Medienanstalten heute sogenannte Hinweisschreiben | |
verschicken, wie Jebsen es zunächst bekam. Wird ein beanstandeter Beitrag | |
korrigiert oder gelöscht, ist die Sache erledigt. Ansonsten können die | |
Anstalten Zwangsgelder festsetzen und als Ultima Ratio den Weiterbetrieb | |
des Angebots untersagen. Letztlich können sie auch die | |
Plattformbetreiber:innen in die Pflicht nehmen und etwa Youtube | |
anweisen, einen Videokanal zu löschen. So weit kam es bisher nie. Die | |
Anstalten sind gehalten, mit den neuen Befugnissen äußerst behutsam | |
vorzugehen. Kleinen Videoblogger:innen mit geringer Reichweite darf | |
die Aufsicht nicht mit schwersten Geschützen zu Leibe rücken – selbst wenn | |
sie gegen das Gebot der Sorgfaltspflicht verstoßen. | |
Im März schrieb Jebsens Anwalt an die Behörde. Alle monierten Beiträge | |
seien als „Kommentare“ gekennzeichnet und hätten als solche keiner Quellen | |
bedurft. Doch „um die Angelegenheit zu einem raschen Abschluss zu führen“, | |
fügte der Anwalt eine Liste von Links an, die die in den drei Beiträgen | |
aufgestellten Behauptungen belegen sollten. Darunter waren etwa | |
Stellungnahmen des Hamburger Arztes Wolfgang Wodarg, einer wichtigen Figur | |
der Querdenkerszene. | |
Die MABB akzeptierte das, so geht es aus der von Jebsen geposteten Antwort | |
hervor. „Zu sagen, Wissenschaftler A ist seriös und Wissenschaftler B | |
nicht, das ist extrem schwierig“, sagt Marco Holtz. „Wir können das nicht | |
entscheiden. Wenn jemand zweifelhafte Experten für Behauptungen findet, | |
muss man das so hinnehmen.“ Trotz dieser Schwäche sei die neue Regelung ein | |
Fortschritt. „Vorher gab es gar keine Regulierung.“ | |
Podcasts, Chatrooms, Foren, Communitys und Webportale – das Netz ist heute | |
voller Kanäle, auf denen jeder praktisch alles verbreiten kann. Es ist ein | |
Gewinn an Informations- und Meinungsfreiheit, dem gleichzeitig enorme | |
gesellschaftliche Sprengkraft innewohnt. Wer bislang Nachrichten | |
verbreitete, war der Kontrolle durch das Presserecht, | |
Ausbildungsinstitutionen, Branchenstandards und Selbstorganisationen | |
unterworfen. Für die amorphe Welt der Neuen Medien gab es vieles davon | |
lange nicht. | |
Ein Blick in die USA zeigt, was passiert, wenn Desinformation und Hetze im | |
Internet heißlaufen. Ende 2020, kurz vor der Präsidentschaftswahl, gab es | |
kein großes Medium, kaum einen namhaften Politologen, der nicht ernsthaft | |
die Möglichkeit eines Putsches in Betracht zog, falls Donald Trump die Wahl | |
verliert. Die Angst: Ein in den sozialen Medien aufgestachelter Mob von | |
Trump-Anhängern tut sich mit Teilen von Polizei und Militär zusammen. | |
Ende Oktober 2021 veröffentlichte die US-NGO Media Matters einen Bericht, | |
der enthüllt, dass Facebook über 1.000 Gruppen mit rund 2,2 Millionen | |
Mitgliedern kannte, die zu jener Zeit gegen die mögliche Impfpolitik eines | |
neuen US-Präsidenten Biden agitierten oder Wahlfälschung zulasten Trumps | |
behaupteten. Facebook ging lange nicht gegen sie vor – und der Staat hatte | |
sich schon vor Trump entschieden, die Meinungsfreiheit über alles zu | |
stellen und untätig zu bleiben. | |
In Deutschland tat er ebenfalls nicht genug, befand 2019 [4][eine Studie | |
der Berliner Denkfabrik Stiftung Neue Verantwortung]. Hierzulande seien die | |
Versuche des Staats, manipulative Meinungsmache und Hetze im Netz zu | |
bekämpfen, „kaum geeignet, Desinformation einzudämmen“. Das Anfang 2018 in | |
Kraft getretene sogenannte Facebook-Gesetz etwa sei „auf einen Großteil der | |
Desinformation im Netz nicht anwendbar“. Desinformation erreiche im | |
digitalen Raum ein „neues Ausmaß“. Politische Haltungen könnten so | |
„verzerrt, extremistische Stimmungen verstärkt und das Vertrauen in | |
gemeinschaftliche Institutionen wie Wahlen, Parlamente und Medien | |
untergraben“ werden. | |
Und auch die von den Techkonzernen angekündigten Instrumente zur | |
Selbstkontrolle taugen bislang wenig. Erst vor Kurzem etwa trat eine | |
ehemalige Facebook-Mitarbeiterin an die Öffentlichkeit und warf Facebook | |
vor, eigene Gewinne über die Sicherheit von Menschen zu stellen – mit | |
verheerenden Folgen für Menschen, Demokratie und Gesellschaft. | |
Welches Ausmaß das Problem hat, zeigt [5][der 2021 erschienene Reuters | |
Digital News Report]. In Deutschland stieg demnach der Anteil der Menschen, | |
die Nachrichten aus sozialen Medien beziehen, in den letzten acht Jahren | |
von 18 Prozent auf fast ein Drittel an. Zwar gab nur etwa jede:r Siebte | |
an, Nachrichten in sozialen Medien zu vertrauen – das ändert jedoch nichts | |
daran, dass immer mehr Menschen von dort ihre Informationen bekommen. | |
Facebook nutzt laut der Reuters-Studie dafür in Deutschland im Schnitt fast | |
jede:r Fünfte, Whatsapp und Youtube rund jede:r Sechste, Instagram 7 | |
Prozent, Twitter 6 Prozent und Telegram 4 Prozent – bei jüngeren | |
Nutzer:innen sind es teils deutlich mehr. Das Problem ist dabei nicht, | |
dass Menschen Nachrichten aus sozialen Medien beziehen. Das Problem ist, | |
dass dort Vertrauenswürdiges und Lügen, Demagogie und Fake News direkt | |
nebeneinander stehen und für viele immer schwieriger zu unterscheiden sind. | |
„Die Steuerung digital verbreiteter Inhalte ist zwangsläufig von der Nische | |
zu einer der weltweit wichtigsten Aufgaben avanciert“, schrieb Anja Zimmer, | |
die ehemalige Direktorin der MABB, kürzlich in einem Gastbeitrag in der | |
FAZ. | |
Für Ken Jebsen war mit der Angabe der Quellen für die auf seiner Seite | |
veröffentlichten Corona-Schauergeschichten die Angelegenheit nicht | |
erledigt. Die MABB schrieb ihm, für Behauptungen wie jene des | |
„Startschusses zur Genmanipulation der homo sapiens sapiens“ habe er keine | |
Belege geliefert. Er bekam eine zweiwöchige Frist zur Anhörung, ansonsten | |
drohte die MABB „Untersagung“, „Sperrung“ sowie „Zwangsgeld“ an. | |
Obwohl sich diese Drohungen nur auf die monierten Beiträge bezogen, | |
behauptete Jebsen, die MABB wolle KenFM „final plattmachen“. Es handele | |
sich um eine „Zensurbehörde“, die die „Regierungsform Demokratie | |
offensichtlich nicht verstanden hat“. Sie wolle „bestimmen, was wahr ist | |
und was nicht, was zukünftig in unabhängigen Medien noch gesagt werden darf | |
und was nicht“. Per Video kündigte Jebsen an, in ein anderes Land umziehen, | |
„wo man uns in Ruhe arbeiten lässt“. Im Juni schaltete er KenFM ab – ohne | |
dass die MABB irgendwelche Maßnahmen ergriffen hätte. | |
Die taz hat alle 14 Landesmedienanstalten gefragt, wie sie von dem neuen | |
Instrument Gebrauch machen. Dreizehn von ihnen schickten Antworten. Demnach | |
gab es im ersten Jahr bislang mindestens 216 Prüfverfahren. Nur in rund 15 | |
Fällen wurden sogenannte Hinweisschreiben verschickt. Förmliche Verfahren | |
gab es nur in einer Handvoll Fälle. Diese Zahl kann sich jedoch noch | |
erhöhen, wenn auf die Hinweisschreiben nicht reagiert wird. | |
Die Anstalt des kleinen Saarlands prüfte rund 70 Webseiten, zum Teil | |
allerdings nur um festzustellen, ob es sich bei diesen überhaupt um ein | |
journalistisches Telemedium im Sinne des Gesetzes handelt. Sachsen hingegen | |
ist deutlich zurückhaltender: Bisher seien „insbesondere mit Verweis auf | |
die enge Aufgabeneröffnung“ und unter Beachtung der „höchstrichterlichen | |
Rechtsprechung zum Schutzbereich der Meinungs- und Pressefreiheit keine | |
Maßnahmen beendet“. In Rheinland-Pfalz entging ein Anbieter dem weiteren | |
Verfahren, indem er ankündigte, Mitglied im Presserat werden zu wollen. In | |
Bayern wurde die Landeszentrale für neue Medien ausschließlich aufgrund | |
externer Beschwerden, nicht aufgrund eigener Prüfungen aktiv. Bremen | |
hingegen prüft von sich aus „laufend Webseiten im Hinblick auf mögliche | |
Verstöße“. | |
„Bei Rundfunk und Presse war immer klar: Sorgfaltspflichten müssen | |
eingehalten werden und das wird auch kontrolliert“, sagt Heike Raab, | |
Medien-Staatssekretärin in Rheinland-Pfalz, der taz. Sie hat die Reform des | |
Medienstaatsvertrags mit allen Bundesländern koordiniert. „Bei den | |
publizistischen Online-Anbietern gab es das bislang so nicht.“ Künftig | |
sollten die Regeln für Rundfunk und Presse auch im Netz gelten. „Wer da | |
journalistisch-redaktionell arbeitet, hat eine große Verantwortung. Und der | |
müssen sich auch die neuen Anbieter stellen.“ Am liebsten wäre Raab, wenn | |
alle Anbieter sich einer freiwilligen Selbstkontrolle, ähnlich wie dem | |
Deutschen Presserat, anschließen würden. Die gibt es bereits, mit der | |
[6][FSK.Online]. Doch nur ein Bruchteil ist dort Mitglied. | |
Die MABB hat das Verfahren gegen KenFM im Oktober eingestellt, weil die | |
Seite abgestellt wurde. Wer heute nach ihr sucht, wird auf apolut.net | |
umgeleitet. Dort werden seit einigen Monaten Beiträge mit ähnlicher | |
Stoßrichtung wie jene bei KenFM gepostet. Jebsen taucht in vielen Videos | |
auf, ist aber nicht als Verantwortlicher eingetragen. „Wir sind in einem | |
Nachrichtenkrieg“ gegen die „totale globale Kontrolle“, behauptet er dort | |
in einem Mitte Oktober geposteten Video. Deshalb baue er mit Apolut an | |
einer Nachrichtenseite, die „man nicht abstellen kann“. | |
Der Tagesspiegel schrieb, Jebsen habe mit der Neugründung von Apolut „sehr | |
schlau gezeigt“, wie man sich dem MABB-Verfahren „entziehen und trotzdem | |
weitermachen kann“. Tatsächlich aber verfügt das neue, in Berlin ansässige | |
Portal – bislang jedenfalls – nicht ansatzweise über die gleiche Reichweite | |
wie einst KenFM. Auf Facebook etwa hatte es fünf Monate nach seinem Start | |
gerade mal 1.400 Follower, KenFM folgten hingegen rund 270.000 Menschen. | |
Ein Umgang mit Apolut werde geprüft, sagte eine MABB-Sprecherin kürzlich | |
der FAZ. | |
Dass ein:e Betreiber:in angibt, ins Ausland abzuwandern oder für eine | |
Seite nicht mehr verantwortlich zu sein, reiche allein noch nicht aus, um | |
ein Verfahren zu stoppen. „Es müsste verifiziert werden, dass hier keine | |
Redaktion mehr existiert und dass das keine Schutzbehauptung ist.“ Doch wer | |
tatsächlich ins Ausland geht, ist erst mal fein raus. „Wir versuchen, das | |
schon zu ermitteln, sind aber nicht die Polizei“, sagt Marco Holtz. „Wenn | |
sich herausstellt, dass ein Dienst vom EU-Ausland weiterbetrieben wird, | |
dann sind die dortigen Schwesterbehörden zuständig.“ Außerhalb der EU gebe | |
es „nur sehr bedingte“ Handhabe. „Wir können mit Behördenaufsicht nicht | |
alle Probleme des Internets lösen.“ | |
Das „Verwaltungsverfahren“ wird bei der Abschaltung von KenFM nicht der | |
einzige Faktor gewesen sein. Auch der Verfassungsschutz hatte begonnen, | |
KenFM zu beobachten. Im Januar 2021 sperrte Youtube den Kanal, im Juni | |
erklärte eine Hackergruppe, auf Jebsens Seite Daten von fast 40.000 | |
Abonnent:innen erbeutet zu haben. | |
Doch auch die Intervention der Medienaufsicht wird Wirkung gezeigt haben. | |
KenFM ist nicht das einzige Portal, das im Anschluss an eine solche | |
Intervention verschwand. Die Landesmedienanstalt NRW hatte im Frühjahr auch | |
dem extrem rechten Jugendportal Flinkfeed geschrieben. Mittlerweile ist das | |
mit AfD-Fraktionsmitarbeitern des Düsseldorfer Landtags verbandelte Portal | |
aus dem Netz verschwunden. Konkrete Maßnahmen hatte die Medienanstalt nicht | |
ergriffen. Wer die URL eingibt, bekommt allerdings nur noch | |
„Hundekrankenversicherungen im Test“ angeboten. | |
10 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Neuer-Medienstaatsvertrag/!5721182 | |
[2] https://www.ard.de/die-ard/Rechtsgrundlagen-Medienstaatsvertrag-100 | |
[3] /Radikalisierter-Coronaprotest/!5797948 | |
[4] https://www.mediamatters.org/facebook/new-data-shows-facebooks-groups-probl… | |
[5] https://www.hans-bredow-institut.de/de/publikationen/reuters-institute-digi… | |
[6] https://www.fsk.de/?seitid=466&tid=466 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
Lisa Schneider | |
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