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# taz.de -- Outing von Verdächtigen im Internet: Am Instagram-Pranger
> Nach einer Vergewaltigung in Hamburg fordert eine Petition, die Gesichter
> der Verdächtigen zu veröffentlichen. Auf Instagram schritt jemand zur
> Tat.
Bild: Tatort: der Hamburger Stadtpark
Hamburg taz | Das Verbrechen ist abscheulich, die Tatverdächtigen auf
freiem Fuß – und die sozialen Medien voll von Wut und Empörung. Nach der
[1][Gruppenvergewaltigung] eines 15-jährigen Mädchens vor gut einem Jahr im
Hamburger Stadtpark sollen die mutmaßlichen Tatverdächtigen nun öffentlich
an den [2][Pranger] gestellt werden. Das fordert zumindest eine
[3][Petition auf der Internetplattform change.org], die bereits von fast
10.000 Menschen unterstützt wird. In dem derzeit wichtigsten [4][sozialen
Netzwerk Instagram] ging ein User noch weiter: Er veröffentlichte die Fotos
und abgekürzten Namen von sieben angeblich Tatverdächtigen.
Die Tat ereignete sich im September vergangenen Jahres. Laut einer
[5][Pressemitteilung der Polizei] feierte das Mädchen an einem Samstagabend
zusammen mit Freunden im Stadtpark. Kurz nach 23 Uhr verlor sie den Kontakt
zu ihren Freunden und traf auf eine Gruppe von Jugendlichen, die sie in ein
Gebüsch führten und sie dort vergewaltigten.
Medienberichten zufolge wurden Spermaspuren von mindestens neun Männern bei
dem Mädchen festgestellt. Zeugen berichteten, dass die Tat gefilmt worden
sei. Ein solches Video sei bei Durchsuchungen allerdings nicht gefunden
worden. Zudem sollen die Täter das Mädchen bestohlen haben.
Fast 14 Monate nach der Tat ermittelt die Staatsanwaltschaft nun gegen elf
junge Männer im Alter von 17 bis 21 Jahren. „Die abschließende Bewertung
der Ermittlungsergebnisse dauert an“, teilte Mia Sperling-Karstens von der
Staatsanwaltschaft mit. Gegen einen der Beschuldigten sei ein Haftbefehl
ergangen, der jedoch außer Vollzug gesetzt worden sei.
„Von der Beantragung weiterer Haftbefehle ist abgesehen worden, weil die
Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen“, erläuterte Sperling-Karstens.
Dafür wäre ein dringender Tatverdacht sowie ein [6][Haftgrund] nötig
gewesen. Dieser könne etwa vorliegen, wenn die Gefahr bestehe, dass der
Beschuldigte flüchtet, Beweismittel vernichtet oder Zeugen unter Druck
setzt.
Dass alle Tatverdächtigen derzeit auf freiem Fuß sind, erbittert den
Petenten „F.T.S.“ aus Berlin so sehr, dass er einen Aufruf an die Grünen,
Die Linke und die FDP auf change.org gestartet hat mit dem Titel „Wildtiere
gehören nicht frei unter Menschen“. Sein Vorwurf: Die Justiz setze die
Täter weiterhin der Gesellschaft aus.
F.T.S. findet: „Solche Menschen dürfen nicht die Freiheit schmecken, wenn
sie diese einem jungen Menschen für immer genommen haben.“ Deshalb müssten
nicht nur die Gesichter der Täter veröffentlicht werden sondern auch ein
junger Mann gekündigt werden, der eine Anstellung bei einem sozialen Träger
für Menschen mit Behinderung gefunden habe.
Unter Verweis auf die Petition hat der User „stadtparktaeter_hh“ auf
Instagram die Vornamen und abgekürzten Nachnamen von acht angeblich
Beschuldigten veröffentlicht, dazu die Fotos von sieben jungen Männern, die
beteiligt gewesen sein sollen. Daneben steht ein Text zu dem Vorfall mit
dem Logo der Organisation Kinderseelenschützer, der auf die Bild-Zeitung
verweist.
Das Posting verfehlte seine Wirkung nicht: „Die, die dieses schreckliche
Verbrechen begangen haben, verdienen etwas so Grausames, daß es nicht in
Worte gefasst werden kann“, kommentierte jemand. Ein anderer stellte eine
Misshandlung im Gefängnis in Aussicht: „Happy Birthday, wenn ihr in Haft
kommt. Egal, selbst wenn ihr in iso kommt. Einer hat immer bessere
Kontakte.“ Unter den Kommentaren fanden sich auch rassistische
Anfeindungen.
Dabei hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen noch nicht
abgeschlossen. Es gibt keine Anklage. Ob die Namen stimmen und die Fotos
überhaupt etwas mit den Beschuldigen zu tun haben, ist ungewiss. „Es muss
die Unschuldsvermutung gelten“, sagt Martin Schemm, der Sprecher des
Hamburger Datenschutzbeauftragten der taz. Gegen solche Veröffentlichungen
vorzugehen, sei Schemm zufolge nicht ganz einfach. Instagram gehört zu Meta
– bis vor Kurzem facebook. Die zuständige Gesellschaft sitze in Irland.
„Einfach wäre es, wenn einer der am Pranger Stehenden bei uns eine
Beschwerde einreichen würde“, sagt Schemm.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat wegen der auf Instagram veröffentlichten
Bilder ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet. Dabei gehe es
um den Vorwurf der Beleidigung. Ob der Vorwurf rechtlich haltbar sei, sei
aber noch offen, teilte Oberstaatsanwältin Sperling-Karstens mit.
10 Nov 2021
## LINKS
[1] /Feministischer-Jahresrueckblick/!5737138
[2] /Datenbank-zu-haeuslicher-Gewalt-in-China/!5691360
[3] https://www.change.org/p/die-gr%C3%BCnen-wilde-tiere-geh%C3%B6ren-nicht-unt…
[4] https://www.instagram.com/p/CV7O8Z_D7H8/
[5] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/6337/4712928
[6] https://dejure.org/gesetze/StPO/112.html
## AUTOREN
Gernot Knödler
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Hamburg
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