# taz.de -- Facebooks Zukunftspläne: Im Zweifel für den Profit | |
> Facebook investiert zu wenig in die Sicherheit der Nutzer:innen. Extreme | |
> Inhalte und Hassreden werden nicht konsequent genug unterbunden. | |
Bild: Mark Zuckerberg nach der Präsentation des Metaverse | |
Der Facebook-Konzern nennt sich neuerdings Meta und will mit einem | |
Metaversum-Konzept die Basis dafür schaffen, dass die Menschheit eines | |
Tages quasi in konzerneigenen Diensten lebt. Die Zukunftspläne von | |
[1][Facebook/Meta]-Chef Mark Zuckerberg, dem virtuelle Welten für Arbeit | |
und Freizeit vorschweben, sollen nach digitaler Revolution klingen. | |
Tatsächlich aber wirken Zuckerbergs Ankündigungen wie verzweifelte Signale, | |
die der Welt zeigen sollen, dass Facebook überhaupt eine Zukunft hat. | |
So will sich das Online-Netzwerk unter anderem auf Jüngere fokussieren. Als | |
ob [2][Snapchat]- und [3][Tiktok]-sozialisierte Nutzer:innen auf einmal | |
das Tool der Elterngeneration attraktiv finden würden, nur weil das mehr | |
auf bildbetonte Inhalte setzt. Und also ob – Stichwort Metaversum – | |
irgendjemand heute vorhersagen könnte, was internetmäßig das nächste große | |
Ding sein wird. Nein – Zuckerbergs Botschaft richtete sich vor allem an die | |
Investoren: Hey, mit uns ist noch zu rechnen. | |
Dass er es nötig hat, diese Botschaft zu senden, das erzählt einiges. Man | |
scheint im Unternehmen sehr wohl wahrzunehmen, dass es in der öffentlichen | |
Debatte für Facebook/Meta und mit seinen zum Konzern gehörenden Diensten | |
Instagram und Whatsapp gerade nicht gut aussieht. Um nicht zu sagen: | |
vermutlich so schlecht wie noch nie. Denn mit dem internen Material der | |
Whistleblowerin [4][Frances Haugen] hat eine Veröffentlichungswelle | |
begonnen, die absehbar noch einige Zeit andauern wird. | |
Schon jetzt hat sie den Ton gesetzt für die drei Kernprobleme, mit denen | |
wir uns als Gesellschaft dringend auseinandersetzen müssen. Erstens: Die | |
Dienste sind toxischer als bislang bekannt. Die Nutzung von [5][Instagram | |
kann der psychischen Gesundheit insbesondere junger Nutzer:innen | |
schaden]. Facebook selbst schafft es nicht, Inhalte wie Hassreden und | |
Falschinformationen konsequent zu bekämpfen, was in einigen Ländern bereits | |
zu Gewaltausbrüchen geführt hat. | |
## Fake News lieber ignorieren | |
Zweitens: Der Konzern ist sich der Probleme bewusst – entscheidet sich aber | |
lieber fürs Ignorieren als fürs Gegensteuern. Und das führt zu drittens: | |
Profit geht vor – vor Ethik und Regeltreue, vor Gesundheit und | |
gesellschaftlichem Frieden. Dieser Dreiklang und die daraus resultierende | |
öffentliche Debatte ist es, die diese Veröffentlichungsserie von früheren | |
Skandalen – etwa dem Datenschutz-Eklat um [6][Cambridge Analytica] – | |
unterscheidet. | |
Der Konzern kann jetzt nicht von Einzelfällen sprechen, im Notfall | |
Kleinigkeiten einräumen und sagen, man habe bereits daraus gelernt, | |
Konsequenzen gezogen und all das Beanstandete würde künftig nie wieder | |
vorkommen. Dazu sind die Vorwürfe zu viele, zu umfassend, zu tiefgreifend | |
und zu präzise in der Beschreibung der Ignoranz, mit der der Konzern intern | |
auf bekannte Problematiken reagiert. | |
„Ich habe immer wieder gesehen, wie Facebook damit umgeht, wenn es einen | |
Konflikt zwischen Profit und Sicherheit gibt“, sagte Whistleblowerin Haugen | |
bei ihrer Anhörung im US-Senat. „Facebook löst diese Konflikte regelmäßig | |
zugunsten seines Profits.“ Zwar steht die Veröffentlichungswelle noch am | |
Anfang, in den kommenden Wochen werden weitere Details erwartet. Doch schon | |
jetzt passiert etwas: Strategien wie Zerschlagung oder Entflechtung sind | |
plötzlich Teil der Debatte. | |
Dabei sind das sicher keine Maßnahmen, die übermorgen umgesetzt werden. | |
Aber in dieser Debatte entsteht nach und nach ein Bild am Horizont: Schaut | |
mal, das da hinten sind auch Möglichkeiten, wenn alles andere nichts hilft. | |
Dabei ist nicht einmal gesagt, dass eine Zerschlagung sämtliche Probleme | |
löst, es ist sogar recht wahrscheinlich, dass das nicht der Fall ist. Aber | |
sie ist ein Druckmittel in einem Prozess, in dem die Kräfteverhältnisse | |
zwischen IT-Konzernen, Nutzer:innen und Regulierern sehr ungleich | |
verteilt sind. | |
## Vergleich mit Rauchen | |
Der Zeitpunkt, die Macht von Facebook/Meta und anderen Digital-Giganten | |
einzuschränken, ist noch aus einem anderen Grund günstig: Das erste von | |
zwei zentralen [7][Gesetzespaketen der EU-Kommission], die sich just mit | |
der Macht der IT-Konzerne befassen, durchläuft gerade die Ausschüsse des | |
EU-Parlaments, die Verhandlungen von Parlament und Ministerrat stehen noch | |
bevor. Je mehr Druck aus der Öffentlichkeit kommt, desto einfacher wird es | |
den Verhandlungsparteien fallen, harte Regeln festzuschreiben. | |
Whistleblowerin Haugen verglich die Nutzung von Facebook und Instagram mit | |
dem Rauchen von Zigaretten. Der Vergleich funktioniert noch weitergehend: | |
Auch die Tabakindustrie wusste intern schon lange sehr genau, wie schädlich | |
ihre Produkte sind – und vertuschte es. Aus Profitinteresse. Dass | |
Online-Plattformen im Vergleich zu Zigaretten mehr Nutzen haben, macht ihre | |
Regulierung noch schwieriger – denn ein simples Verbot wäre kaum umsetzbar | |
und wahrscheinlich auch nicht zielführend. | |
Psychologische Untersuchungen kommen etwa zu dem Schluss, dass die | |
Kommunikation über Plattformen soziale Verbindungen stärkt, dass | |
Nutzer:innen sich eingebundener fühlen. Doch solange die | |
Plattform-Betreiber die positiven Effekte betonen, aber die negativen | |
negieren und die Vorwürfe einfach zurückweisen, ist nicht zu erwarten, dass | |
die Konzerne ihre Geschäftspolitik aus freien Stücken ändern werden. | |
Um so wichtiger ist es, das aktuelle Zeitfenster zu nutzen. Und es gibt | |
sogar eine Alternative zum Zerschlagungs- oder Verbots-Szenario. Denn | |
womöglich ist es sinnvoller, Facebook und Co zum Offenlegen ihrer | |
Algorithmen zu zwingen. Und damit der Mechanismen, denen wir uns als | |
Nutzer:innen unterwerfen. Es wäre ein Zug, der auch für alle anderen | |
Plattform-Riesen gelten sollte: radikale Transparenz als Antidot. | |
Sollte tatsächlich eines Tages ein nennenswerter Teil der Menschheit seine | |
Zeit im Metaversum eines Unternehmens verbringen, welches auch immer das | |
dann sein wird, dann wäre diese Transparenz noch viel zentraler, als sie es | |
heute bereits ist. | |
4 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Namensaenderung-bei-Facebook/!5811732 | |
[2] /Snapchat-mit-zwei-Timelines/!5466832 | |
[3] /Video-App-Tiktok-vor-Facebook-Diensten/!5791045 | |
[4] /Enthuellungen-um-Facebook/!5806676 | |
[5] /Studie-zu-Gewalt-gegen-Maedchen-im-Netz/!5718398 | |
[6] /Cambridge-Analytica/!t5492528 | |
[7] /EU-will-Konzerne-haerter-regulieren/!5739464 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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