# taz.de -- Sechsteiliger Podcast zu Ken Jebsen: Der Weg zum Verschwörer | |
> „Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?“ behandelt nicht nur die Figur | |
> Jebsen, sondern auch Desinformation im digitalen Zeitalter allgemein. | |
Bild: Von 2001 bis 2011 moderierte Jebsen beim rbb-Sender Fritz die Show „Ken… | |
Zurückgegelte Haare, dunkle Sonnenbrille, grau geschminktes Gesicht, | |
schwarze Lederjacke, blaue Jeans, nackte Füße. Im Schneidersitz harrt | |
[1][Ken Jebsen] auf dem Dach eines Fahrzeugs aus, mit Kopfhörer im Ohr bei | |
einer Demonstration im April vergangenen Jahres gegen die staatlichen | |
Infektionsschutzmaßnahmen. In sich ruhend, fast meditierend. Ein stiller | |
Protest von einem der lautesten Protestierenden. | |
Die Inszenierung gelingt mit der Visualisierung. Eine visuelle Ikone der | |
anhaltenden Demonstrationen entsteht, eine der radikalsten Stimmen ist der | |
reichweitenstarke Verschwörungsmystiker mit seinem Portal KenFM schon | |
längst. | |
In dem sechsteiligen Podcast „Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?“ geht | |
Autor und Redakteur Khesrau Behroz für das Studio Bummens, K2H und die | |
öffentlich-rechtlichen Sender NDR und rbb dem Werdegang von Kayvan Soufi | |
Siavash, so der Geburtsname von Ken Jebsen, nach. „Don’t feed the troll“ … | |
den sozialen Medien, darf gedacht werden. Der Troll ist allerdings ein | |
Star. Doch sollte das Ego eines Egomanen medial weitergefüttert werden? | |
Das ist die Crux jeder Reflexion zu „falschen Propheten“, wie Leo Löwenthal | |
schon vor über 70 Jahren in den Studien zum Autoritarismus rechter | |
Agitatoren skizzierte. „Baut der Podcast einem Verschwörungstheoretiker wie | |
Jebsen eine Bühne?“, fragen sich auch die Macher:innen. Nein, antworten | |
sie, denn es gehe nicht allein um Jebsen. Ja, darf nach dem Hören | |
zugestimmt werden. Denn über die Person und Vita eines rechten Populisten | |
werden exemplarisch Strategien und Argumentationen eines solchen Populismus | |
aufgezeigt – und das ist äußert spannend. | |
Diese Spannung beruht nicht alleine auf dem investigativen Anspruch, sie | |
entsteht auch durch eine aufwendige Montagetechnik. Behroz führt durch die | |
Geschichte des ehemaligen Radio- und Fernsehmoderators, der einmal ganz | |
groß rauskommen wollte; der anstrebte, der neue Thomas Gottschalk der | |
Fernsehunterhaltung zu werden. Auch O-Töne von früheren Kolleg:innen | |
beim rbb und einem ehemaligen Mitstreiter des Teams von KenFM sind | |
eingebaut. Expert:innen ordnen Aussagen von Jebsen ein. Kurze, aber | |
klare Definitionen wie jene von Verschwörungsnarrativen oder Antisemitismus | |
werden eingestreut. Das ist nicht belehrend, sondern hinweisend. | |
## Von 9/11 bis Corona: Die Radikalisierung Ken Jebsens | |
Die vier Folgen, die der Autor hören konnte, versuchen nicht die tiefsten | |
psychologischen Motive zu erfassen. Sie markieren die Umbrüche des | |
„revolutionären Radiomoderators“ beim Jugendsender Fritz des rbb. Die | |
Aussagen von Jebsen werden in ihren jeweiligen konkreten Zeitkontexten | |
verhandelt, wie auch andere O-Töne. Das Erkennen der vermeintlichen Matrix, | |
der angeblichen Verschwörungen, sehen die Macher:innen bei Jebsen schon | |
bei der Annahme des Terroranschlags vom 11. September 2001 als „Insidejob“. | |
Der [2][Rauswurf beim rbb] führt ihn zum Aufbau von KenFM. Eine Marke, die | |
mehr und mehr ein Publikum erschafft und bedient. Die Umstellung bei | |
Youtube, die Algorithmen nach „Watchtime“ auszurichten, spielt KenFM massiv | |
zu. Jebsen erscheint kurzweilig als Querfrontler bei den sogenannten | |
Friedensdemonstrationen 2014. Das Wort „Querfront“ suggeriert Affinitäten | |
zwischen Linken und Rechten. Die Macher:innen hinterfragen auch diese | |
Annahme mit dem Hinweis, dass Begriffe wie Frieden hier nicht mehr klar | |
definiert seien, [3][ihren linken Inhalt verloren hätten]. | |
Die Krise der Flüchtlingspolitik 2015, und später die Maßnahmen gegen die | |
Pandemie ab 2020 führen zur weiteren Radikalisierung von Jebsen. Mit dem | |
Video „Gates kapert Deutschland“ verbreitet er 2020 das | |
Verschwörungsnarrativ, dass Bill und Melinda Gates die WHO und die | |
Bundesregierung letztlich gekauft hätten. Drei Millionen Aufrufe in kurzer | |
Zeit. Jebsen ist der Verschwörunsmystiker. Und die Macher:innen des | |
Podcasts werden deutlich: Mit seiner „alternativen Meinung“ hat er den Hass | |
in die gesellschaftliche Mitte gebracht. Mit ihnen reden wollte Jebsen | |
nicht. | |
13 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /GLS-Konto-fuer-Ken-Jebsen/!5708135 | |
[2] /Antisemitismus-Vorwurf-gegen-Moderator/!5108134 | |
[3] /Das-Weltbild-der-Fans-von-Ken-Jebsen/!5467895 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
## TAGS | |
Ken Jebsen | |
Podcast-Guide | |
Verschwörung | |
Schwerpunkt 9/11 | |
Cybermobbing | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Schwerpunkt 9/11 | |
Dresden | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Politisches Buch | |
Ken Jebsen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Podcast über „Drachenlord“: Digital-analoge Eskalation | |
In Staffel zwei erzählt der Podcast „Cui Bono“ Internetgeschichte anhand | |
eines bekannten Falls: „Drachenlord“ und die Macht von Reality-TV. | |
Anti-Nato-Konferenz an der Humboldt-Uni: Sicherheitspolitik quergedacht | |
Welchen Anteil hat die Nato am russsichen Angriffskrieg? Keinen geringen, | |
so Linken-Vertreter:innen bei einer Berliner Konferenz zum Militärbündnis. | |
Desinformation im Netz: Am Rande der Meinungsfreiheit | |
Immer mehr Menschen lesen Nachrichten im Netz. Seit einem Jahr kann die | |
Medienaufsicht gegen Hetze und Fake News auf Webseiten vorgehen. Eine | |
Bilanz. | |
Vom 11. September zu Corona: Mutter der „alternativen Fakten“ | |
Die Behauptung, 9/11 sei ein „Inside Job“, war die erste große | |
Internet-Verschwörungsthese. „Alternative Fakten“ wurden massentauglich. | |
Dresdens neue Stadtschreiberin: Abgedriftet in die Querdenker-Szene | |
Die Autorin Kathrin Schmidt wurde als Stadtschreiberin von Dresden geehrt. | |
Inzwischen bereut ein Teil der Jury die Wahl. | |
Verfassungsschutz und „Querdenker“: Jetzt kann abgehört werden | |
Nach der Einstufung des Coronaprotests gibt es Lob und Kritik aus der | |
Politik. Die „Querdenker“ flüchten sich in Zynismus – und mobilisieren | |
weiter. | |
Zur Manipulation von Wirklichkeit: Keine halben Sachen | |
Von Relotius über Jebsen bis Tellkamp: Nicola Gess untersucht die Rhetorik | |
der Halbwahrheiten. Und deren Funktion im postfaktischen Diskurs. | |
Preisverleihung für Ken Jebsen: Großes Kino des Abwesenden | |
Der Geehrte kommt nicht, der Laudator fehlt. Linke demonstrieren gegen | |
Linke. Und ein wenig Alufolie gibt es auch. |