# taz.de -- Anti-Nato-Konferenz an der Humboldt-Uni: Sicherheitspolitik querged… | |
> Welchen Anteil hat die Nato am russsichen Angriffskrieg? Keinen geringen, | |
> so Linken-Vertreter:innen bei einer Berliner Konferenz zum | |
> Militärbündnis. | |
Bild: Hat nur noch selten was zu sagen: Oskar Lafontaine sprach auch bei der An… | |
Berlin taz | Immer wieder vergewissert sich Oskar Lafontaine, dass ihn alle | |
hören. Lafontaine, der bei SPD und Linkspartei früher diverse Spitzenämter | |
bekleidete und im März seinen Austritt aus der Linkspartei bekannt gab, ist | |
per Livestream zugeschaltet. Der Saal und das Foyer der | |
Humboldt-Universität sind gut gefüllt, es haben sich mehr als hundert Leute | |
versammelt. Einige finden in den Reihen des Saals keinen Platz und sitzen | |
stattdessen auf Treppen. Sie alle sind gekommen, um die Konferenz „Ohne | |
Nato leben – Ideen zum Frieden“ live zu verfolgen. | |
Es geht um Fragen zu „Sicherheitsinteressen der Ukraine und Russlands“ | |
sowie alternative Militärkonzepte wie eine „EU-Armee oder eine gemeinsame | |
nicht-militärische Sicherheitsarchitektur unter Einbeziehung Russlands“. In | |
ihrer Einladung schreiben die Initiator:innen, dass das | |
Verteidigungsbündnis Nato „nicht kompromissbereit“ gewesen sei und seine | |
„eigenen Sicherheitsinteressen auf Kosten anderer“ durchsetzen würde. | |
Ferner würden sich Nato und EU immer enger verbünden und nach außen hin | |
„noch aggressiver“ werden. | |
Unter den Sprecher:innen finden sich viele Mitglieder oder ehemalige | |
Mitglieder der Linkspartei wieder. Neben Lafontaine auch der | |
Wagenknecht-Getreue Diether Dehm, der unter anderem für seine Unterstützung | |
des [1][Verschwörungstheoretikers Ken Jebsen] sowie Bezeichnung von | |
Journalist:innen als „Schreibagenten“ bekannt ist. Vor dem Kongress hat | |
der Bundesgeschäftsführer der Linken, Jörg Schindler, klar gestellt, dass | |
die dort geäußerten Meinungen „ausdrücklich nicht Position unserer Partei�… | |
seien. | |
Mit dabei sind jedoch auch namhafte Mitglieder der Linkspartei: Andrej | |
Hunko, der sich an einem bundesweiten Protest gegen die | |
Corona-Krisenpolitik der Regierung beteiligt hatte. Letzterer war zudem in | |
Kritik geraten, als er mit Sahra Wagenknecht und Sevim Dağdelen, die | |
ebenfalls eine Rede auf der Konferenz hält, Ende Februar eine gemeinsame | |
Erklärung abgegeben hat. Darin erklären sie die Osterweiterung der Nato als | |
zentralen Grund für das sich verschlechternde Verhältnis zwischen Russland | |
und dem Westen. | |
## AfD nicht eingeladen, weil sie der Aufrüstung zustimmte | |
Dass die Nato zentrale Ursache des russischen Angriffskrieges ist, ist auch | |
der Tenor der Veranstaltung. Wenngleich die Initiator:innen erklären, | |
dass der Krieg „völkerrechtswidrig“ und „nicht gerechtfertigt“ sei, so… | |
es dennoch „Kompromisse ohne Gesichtsverlust für jede der beiden Seiten“ | |
geben. Die Redner:innen sind sich einig, dass die Nato unbedingt | |
abgeschafft werden müsste. | |
So brauche Europa durchaus eine Sicherheitsarchitektur, „aber nicht das, | |
was sich Nato nennt“, betont Lafontaine. Laut dem Politiker ist die Nato | |
eine „Militärmaschinerie der USA“, mit dem „kein friedliches Bündnis“ | |
möglich ist. Lafontaine zufolge haben Europäer:innen „in der Nato | |
nichts zu sagen“. | |
Dieter Dehm kritisiert die gegenwärtige Berichterstattung und spricht | |
wiederholt von Medien, die Angst verbreiten würden. Er spricht von | |
„Jagdfieber“ und von Medien, die von Geheimdiensten „infiltriert werden�… | |
Lob hat er hingegen für [2][das Onlinemagazin Nachdenkseiten] übrig, | |
welches seit Längerem Verschwörungstheorien zur Coronapandemie oder zur | |
Krim verbreitet. | |
Im digitalen Chat stellt ein:e Nutzer:in mit dem Kürzel M.F. die Frage, | |
weshalb niemand aus der AfD eingeladen wurde. Die Partei sei „zurzeit der | |
verlässlichste Partner für eine Deeskalation und Verhandlungslösung“, und | |
ein Dialog könne „niemals schaden“. Von einer Einladung dieser Partei sieht | |
Reiner Braun, einer der Initiatoren und Redner der Veranstaltung, aber ab. | |
„Bei dieser Veranstaltung ging es noch einmal darum, möglichst umfassend | |
aus verschiedenen Perspektiven das Nein zur Nato zu begründen“, erklärt er | |
gegenüber der taz. Daher sei auch keine Gegenposition eingeladen worden. | |
Die AfD hätten sie aber nicht eingeladen, da sie eine Kriegspartei sei, die | |
allen Bundeswehraufrüstungen zugestimmt habe. Darum sei eine Zusammenarbeit | |
mit ihr ausgeschlossen, auch „wenn sie aus taktischen Gründen mal eine | |
andere Position“ einnehme. | |
## „Ich bin nicht für und nicht gegen Putin“ | |
Ob diese Ablehnung von allen Beteiligten geteilt wird, ist ungewiss. Nur | |
wenige der Teilnehmer:innen halten sich an die Maskenpflicht, obwohl | |
Schilder auf das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes im Foyer hinweisen. Auf | |
einem Schild im Foyer selbst wurde das Wort „Masken“ durchgestrichen und | |
mit „Knechtschaft“ ersetzt. Während der Konferenz ist mehrfach von | |
„Propaganda“ die Rede, Lafontaine spricht gar von einer „westliche(n) | |
Propagandapresse“. | |
Von den Teilnehmer:innen möchte kaum eine:r mit der Presse sprechen – | |
bis auf Tobias Baumann, ein junger Mann mit lackierten Fingernägeln. Er ist | |
gekommen, um sich zu vernetzen und sich die Frage zu stellen, wie | |
„Sicherheitsinteressen eines Landes so offensiv ignoriert werden“ konnten, | |
und meint damit Russland. | |
„Ich bin nicht gegen und nicht für Putin“, erklärt Baumann. Aber mit der | |
gegenwärtigen Berichterstattung, die „einseitig alles auf Russland“ | |
schiebe, käme er nicht zurecht. Durch die NATO bestehe eine „fürchterliche, | |
grausame Dritte-Weltkriegs-Dynamik“ und man dürfe das Verteidigungsbündnis | |
„nicht unbedingt als das absolut Gute verherrlichen“. | |
Bei den vielen Redebeiträgen und Diskussionen kommt das Leid der Ukraine | |
kaum vor. Der Theologe Eugen Drewermann spricht sogar davon, dass | |
Geflüchtete aus der Ukraine „aus politischen Gründen hochwillkommen“ seie… | |
da sie noch in 20 Jahren „Russland verfluchen und Putin hassen“ werden. Für | |
die Beiträge bekommt Drewermann Applaus aus dem Publikum. Es ist eine | |
Veranstaltung lauter Menschen, die sich gegenseitig in ihrem Weltbild | |
selbst bestätigt sehen wollen. | |
22 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Shoko Bethke | |
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