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# taz.de -- Preisverleihung für Ken Jebsen: Großes Kino des Abwesenden
> Der Geehrte kommt nicht, der Laudator fehlt. Linke demonstrieren gegen
> Linke. Und ein wenig Alufolie gibt es auch.
Bild: Der Eingang zum Kino Babylon
Berlin taz | Nein, es war nicht die Premiere des neuen Star Wars, die am
Donnerstag vor und im Berliner Kino Babylon zur Aufführung kam, auch wenn
noch so viel vom „Imperium“ oder der „dunklen Seite der Macht“ die Rede
war. Zusammengekommen waren stattdessen die Anhänger des umstrittenen
Medienmachers Ken Jebsen, die sich die Welt mit sehr einfachen
Freund-Feind-Konstellationen erklären.
Ihre Kern-Annahme: Wer nicht mit ihnen ist, ist für den Krieg. Die
Bösewichte in diesem Stück: Die etablierten Medien, [1][die Rechten der
Linkspartei], und auch der Geschäftsführer des Babylon.
Das Schauspiel begann mit einer Kundgebung auf dem Rosa-Luxemburg-Platz
zwischen Volksbühne und dem Kino. Im Dauerregen hörten 200 bis 300
„Friedensfreunde“ Reden zu, in denen es fast immer um Israel und
Antisemitismus, um die Nato oder einen drohenden Krieg gegen Russland ging.
Dabei war der Anlass der Kundgebung viel profaner.
Der Einspruch des Senators
Das Babylon, ein vom Land Berlin subventioniertes kommunales Kino, hatte
die durch den zwischen links und rechts wankenden Blog Neue Rheinische
Zeitung geplante Verleihung eines [2][Medienpreises an Jebsen abgesagt].
Zuvor hatte Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) sein Missfallen
über die Veranstaltung der „Verschwörungsgläubigen“ ausgedrückt.
Erst ein Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte ermöglichte ihnen dann doch
den Weg ins Babylon. Dort wurden sie zum Veranstaltungsbeginn von dessen
Geschäftsführer Timothy Grossman begrüßt – mit fundamentaler Kritik. Dem
nicht anwesenden Jebsen warf Grossman vor, die politische Meinung von
Menschen mit ihrer ethischen Herkunft zu vermischen. Sein Fazit: „Sie sind
ein Rassist.“
Grossman widersprach zudem dem Vorwurf, dass die Meinungsfreiheit
beschnitten sei: „Niemand, auch nicht Klaus Lederer, hat ihnen verboten,
hier etwas zu sagen.“ Schließlich fragte er ins Publikum, ob sein Haus, das
einst Menschen vor den Nazis Schutz bot, ihnen eine Bühne bieten sollte?
Sein Fazit war klar: „In Zukunft ganz sicher nicht.“
Das Publikum im ordentlich gefüllten Saal reagierte konsterniert. Einige
pfiffen, Zwischenrufer erinnerten an die DDR. Schon vor dem Babylon hatte
auf einem Schild die immerhin kreativste Parole des Abends gestanden:
„Mielke, Merkel, Lederer.“
Grossmans Versuch, dem angekündigten britischen Jazz-Musiker Gilad Atzmon
aufgrund dessen antisemitischer Positionen ein Hausverbot zu erteilen, ging
ins Leere. Atzmon stand später, als der Kino-Chef das Babylon schon
verlassen hatte, auf der Bühne und sagte unter anderem: „Die Palästinenser
sind die letzten Opfer Hitlers.“ Wer sich also als Deutscher immer noch
schuldig fühle, solle zu den Palästinensern stehen.
Das Fehlen des Preisträgers
Der eigentliche Hauptakteur kam gar nicht. Ken Jebsen hatte erst am
Nachmittag abgesagt und stattdessen ein wirres Statement geschickt, das auf
der Kundgebungsbühne, von mehreren Stromausfällen unterbrochen, abgespielt
wurde. Jebsen kritisierte Lederer darin scharf und warf ihm unter anderem
Erpressung vor. Abgesagt habe er, weil er „nicht gerne im Mittelpunkt“
stehe.
Angriffe gegen ihn gebe es, seit er Teil der Friedensbewegung sei. Für die
Rüstungsindustrie und deren Presse sei das ein Problem, so Jebsen. Von
einer kolportierten Distanzierung vom Auftritt Atzmons war in Jebsen
Ansprache nicht die Rede. Die NRhZ-Gründer sprachen davon, die Angriffe in
den Medien hätten Jebsen gesundheitlich zugesetzt, womöglich habe er einen
„Hörsturz“ erlitten.
Der Preis, ein mit dem Konterfei von Karl Marx bedruckter Pappteller, wurde
schließlich an seine Community, also an das Publikum im Babylon überreicht.
Zuvor wurde die Laudatio vom ebenfalls nicht anwesenden taz-Mitarbeiter und
9/11-Zweiflers Mathias Bröckers verlesen, der so hörte man raus, sein
Vertrauen in die Medien komplett verloren habe.
Der Abend sonst bestand vornehmlich aus der sehr einseitigen Thematisierung
der Israel-Palästina-Frage. Dafür sorgten die Reden von Atzmon, aber auch
der Israel-Gegnerin Evelyn Hecht-Galinski. Diese hatte schon von dem
Babylon gesagt: „Was in Berlin gemacht wird“ – gemeint war Lederers
Intervention – „dafür müsse man sich schämen, nicht dafür, dass
Davidsternfahnen verbrannt werden“.
Für die Linkspartei dürfte der Abend weitere Auseinandersetzungen nach sich
ziehen. Der Parteivorstand hatte dazu aufgerufen, nicht an der Kundgebung
pro Jebsen teilzunehmen. Doch drei Mitglieder und Funktionäre der Linken
solidarisierten sich mit Jebsen.
Die Hüte aus Folie
Der einstige Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke berichtete zunächst von
seinen Zweifeln, er sei schon „mit besseren Gefühlen“ zu einer Demo
gegangen. Danach traf er mit seiner Kritik an der bedrohten
Meinungsfreiheit, insbesondere der „Freiheit, nein zum Krieg zu sagen“ die
Stimmung.
Seine Frau, die Exfunktionärin Christiane Reymann, attackierte Lederers
„gestörte Wahrnehmung“. Sie habe auf dem Platz „keine Aluhüte“ gesehe…
der Quakenbrücker Lokalpolitiker Andreas Maurer lobte Jebsen dafür, dass er
mit ihm zusammen in die Ukraine gereist sei.
Auf der anderen Seite des Rosa-Luxemburg-Platzes standen etwa 50
Unterstützer des Kultursenators. Vor dem Karl-Liebknecht-Haus, in dem die
Linkspartei ihre Zentrale hat, demonstrierten sie gegen
„Verschwörungsideologie“ und „Antisemitismus“, wie es im Aufruf hieß.…
mehreren Redebeiträgen machten sich die Teilnehmer daran, aus 150 Metern
Alufolie entsprechende Hüte zu bauen.
15 Dec 2017
## LINKS
[1] /Querfront-Debatte-bei-der-Linken/!5463981
[2] /Umstrittene-Preisverleihung-in-Berlin/!5468941
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Ken Jebsen
Die Linke
Goldener Aluhut
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Verschwörung
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Klaus Lederer
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