| # taz.de -- Demonstrationen für Hausbesetzer: Drei Tage Krawall in Leipzig | |
| > Sachsens Ministerpräsident Kretschmer verurteilt die Gewalt gegen | |
| > Polizeibeamte. Über zu hohe Mieten spricht niemand mehr. | |
| Bild: Protestierende und Polizeibeamte am Samstag in Leipzig-Connewitz | |
| Leipzig taz | Am Wochenende protestierten in Leipzig Hunderte gegen die | |
| Räumung von zwei besetzten Häusern. Die Proteste schlugen in Gewalt um, an | |
| drei Abenden in Folge wurden Polizisten mit Flaschen und Steinen beworfen. | |
| Die Polizei setzte Tränengas ein, hielt Wasserwerfer auf Abruf. Siebzehn | |
| Beamte wurden verletzt. | |
| Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kündigte den Autonomen | |
| den Kampf an. „Diesen Leuten geht es nicht um dieses Thema. Es geht ihnen | |
| darum, gegen unsere Rechtsordnung vorzugehen“, sagte Kretschmer am Sonntag. | |
| [1][Auf Twitter bedankte er sich bei der Polizei] und kündigte an, | |
| „konsequent“ gegen „üble Gewalttäter“ vorgehen zu wollen. | |
| Auslöser der Proteste war die Räumung eines besetzten Hauses am Mittwoch | |
| durch die Polizei nahe der Eisenbahnstraße. Seither kam es vor allem in dem | |
| [2][für linke Proteste bekannten Stadtteil Connewitz] zu Zusammenstößen mit | |
| der Polizei. Doch schon am Tag nach der Räumung setzten Beamte im Bereich | |
| der Eisenbahnstraße Tränengas ein. Zwischen Polizisten und den in Schwarz | |
| gekleideten Demonstranten kam es zu vereinzelten Rangeleien. Am Ende wurden | |
| 22 Personen ins Revier gefahren. Ihnen wurde unter anderem schwerer | |
| Landfriedensbruch und Sachbeschädigung vorgeworfen. | |
| Eine Frau sagte der taz im Nachgang, sie sei von Beamten gegen den Kopf | |
| geschlagen worden, anschließend mit dem Kopf auf die Straße geknallt. Man | |
| habe sie ins Revier gebracht, wo ihr DNA entnommen wurde. Einen | |
| Gerichtsbeschluss dafür habe man ihr nicht gezeigt. Nach ihren eigenen | |
| Angaben hat sie friedlich demonstriert und auch keine gefährlichen | |
| Gegenstände mitgeführt. | |
| ## „Bullenschweine raus“ | |
| Bilder von Steinwürfen, Verfolgungsjagden und Tränengas lieferte auch die | |
| Folgenacht, diesmal in Connewitz. Hunderte Passanten beteiligen sich an den | |
| Rufen „Bullenschweine raus aus dem Viertel“. In Connewitz ist das schon | |
| eine Art Folklore im Umgang mit der Polizei, die kollektiven Rufe | |
| wiederholten sich jeden Abend. | |
| Nicht zuletzt der [3][rechtsextreme Angriff auf Connewitz] im Jahr 2016 und | |
| die schleppende Aufklärung dieses Ereignisses haben in dem Viertel zu | |
| großer Ablehnung gegenüber Sicherheitsbehörden geführt. Auch rechte | |
| Vorfälle in der Polizei, wie der Fund sächsischer Polizeimunition bei der | |
| rechtsextremen Gruppe „[4][Nordkreuz]“, haben daran ihren Anteil. | |
| Organisierte Gruppen verstehen Connewitz als antifaschistischen Schutzraum. | |
| Dabei geraten sie auch in Konflikt mit anderen Bewohnern, die sich an der | |
| Gewalt und dem giftigen Rauch brennender Mülltonnen stören. | |
| In der Freitagnacht kam es indes zu einem spektakulären Zusammenstoß zweier | |
| Polizeiautos. Zum Unfallhergang gibt es zwei Versionen. Die Polizei sagt, | |
| das vordere Fahrzeug sei massiv mit Steinen beworfen worden. Beim Bremsen | |
| sei das Folgefahrzeug aufgefahren. Zeugen, die am Rand saßen, berichteten | |
| kurz nach dem Zusammenstoß jedoch, die Fahrzeuge seien mit hohem Tempo aus | |
| einer Seitenstraße gekommen und wären fast in eine Menschenmenge gefahren. | |
| Bei der Gefahrenbremsung seien sie kollidiert, anschließend habe die | |
| wütende Menge mit Steinen geworfen. Kurz nach dem Knall flogen | |
| Tränengaskartuschen durch die Nacht, landeten vor den Füßen Umstehender. | |
| Auch drei Journalisten wurden beschossen. Die Polizeipressestelle Leipzig | |
| bestätigt den Einsatz von Tränengas im Nachgang. | |
| ## Gaskartuschen von wem? | |
| Wie viele Kartuschen verschossen wurden, wisse man aber nicht. Auch die | |
| Herkunft des Gases steht für die Leipziger Polizei noch zur Disposition: | |
| „Bei den Gaskartuschen muss man erst mal fragen – sind die von uns?“, mei… | |
| die Polizeisprecherin am Telefon. Und weiter: „Es ist ja nicht hundert | |
| Prozent klar, dass die von uns sind.“ | |
| Am Sonntag dann wurden aus einer Demonstration heraus Neubauhäuser | |
| angegriffen, drei Scheiben zerstört und Fassaden beschädigt. Fotos zeigen, | |
| wie ein bengalisches Feuer auf einem Balkon brennt. Ein Polizist vor Ort | |
| sagte, es sei zumindest dabei kein größerer Schaden entstanden. Auch in | |
| eine bewohnte Wohnung flog ein Stein, der Mieter unterhielt sich | |
| anschließend mit der Spurensicherung am Fenster und versuchte, wenigstens | |
| noch die Jalousie zu schließen. Ein MDR-Reporter berichtet, dass Steine | |
| auch in Richtung von Journalisten geworfen wurden. | |
| Rechtsextreme behaupten unterdessen auf Twitter, Polizisten seien mit | |
| Brandsätzen angegriffen worden. Die Polizei hingegen erwähnt in ihren | |
| Mitteilungen keine Brandsätze. Auch in mehreren anderen Leipziger | |
| Stadtteilen kam es am Wochenende zu Auseinandersetzungen. So wurde | |
| beispielsweise in Lindenau am Sonnabend ein Streifenwagen angezündet. | |
| Linken-Politikerin Juliane Nagel sieht die Ursachen der Gewalt nicht | |
| zuletzt im [5][hart umkämpften Wohnungsmarkt]. „Steigenden Mieten und | |
| spekulativem Leerstand konnte die Politik bisher wenig entgegensetzen“, | |
| sagt sie. „Die Wut wächst und äußert sich auch sinnlos brachial.“ | |
| 6 Sep 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://twitter.com/MPKretschmer/status/1302579112918372360 | |
| [2] /Gewalt-in-Leipzig-Connewitz-an-Silvester/!5650003 | |
| [3] /Nazi-Angriff-in-Leipzig-vor-Gericht/!5525171 | |
| [4] /Rechte-Prepper-Gruppe-Nordkreuz/!5674282 | |
| [5] /Kampf-gegen-Mietenexplosion/!5635030 | |
| ## AUTOREN | |
| Henrik Merker | |
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