# taz.de -- Conny Frischauf und Peter Licht: Vogelgezwitscher, Schmerztabletten | |
> Ein Schritt schneller als die Depression: Neue Popalben von Conny | |
> Frischauf und PeterLicht suchen den vergnüglichen Umgang mit deutschen | |
> Texten. | |
Bild: Die ihr Gesicht nicht zeigt: Conny Frischauf | |
„Parapiri, Parapiri, PaPaPa“. Besser als Conny Frischauf in dem luftig | |
dahinflirrenden Song „Parapiri“ kann man den aufkeimenden Frühling kaum | |
begrüßen: Diese vor sich hin mäandernden Laute wecken Assoziationen ans | |
Zwitschern der Vögel. Immer wieder keimt eine neue Idee auf, dazwischen | |
Parapiri-Jauchzen. | |
Einen Bezug zu Vogellauten habe das Fantasiewort vermutlich tatsächlich, | |
erzählt die Musikerin und Bildende Künstlerin aus Wien im Videointerview. | |
Wie sie darauf gekommen sei, könne sie aber nicht nachvollziehen. „Das Wort | |
war plötzlich einfach da.“ | |
Frischaufs Debütalbum „Die Drift“ enthält schön versponnene Popmusik, die | |
ihren Charme nicht zuletzt aus einem vergnügten Umgang mit Sprache zieht – | |
und der Spannung, die sich daraus ergibt, dass sie Worten trotzdem mit | |
einigem Misstrauen begegnet. | |
Oft geht es ihren eigenwilligen Texten um den Moment, wenn Sinnvermittlung | |
an ihre Grenzen stößt: „Was sind schon Worte / Was sind schon Sätze“ hei… | |
es in „Freundschaft“. „Worum geht’s dir / Worum geht’s mir / Keiner w… | |
das so genau“, singt sie in „Auf Wiedersehen“. | |
## Tschüß Baba auf Wiedersehn | |
Und wenn Kommunikation scheitert, muss man eben weiterziehen, wie Frischauf | |
es wenig später tut: „Tust du mir weh, sag ich ade / Tschüss Baba Auf | |
Wiedersehn.“ Standen auf ihren beiden EPs – „Effekt & Emotion“ (2018) u… | |
„Affekt & Tradition“ (2019) – noch Klangexperimente im Fokus, steht nun a… | |
dem Album Sprache gleichberechtigt neben verspulten elektronischen Sounds. | |
Sie beobachte einen „Zwiespalt“ bei sich. „Einerseits finde ich es toll, | |
mit Sprache zu spielen, doch mich interessiert auch das | |
Nichtartikulierbare. Es gibt so viele Dinge, die man nicht in etwas | |
Gesprochenes transponieren kann, bei denen Sprache einschränkt. Dafür wähle | |
ich dann andere Formen – auch wenn ich vieles, was um mich herumschwirrt, | |
sowieso nur fragmentarisch wiedergeben kann.“ | |
Musik kann eine solche Form ergeben, wie beim eingangs erwähnten Song | |
„Parapiri“. Oder auch die Bildende Kunst. Gerade weilt die 34-jährige | |
Österreicherin für ein Auslandssemester im litauischen Vilnius, als Teil | |
ihre Transarts-Studiums – die Abkürzung steht für transdisziplinäre Kunst. | |
Als Bildende Künstlerin arbeitet Frischauf mit Skulpturen, Installationen | |
und Bewegtbildern; ihr Musikschaffen spielt dabei kaum eine Rolle. | |
Trotzdem fasst sie ihre Sozialisation so zusammen: „Ohne Musik kenne ich | |
mich gar nicht.“ Zur Elektronik fand sie, als sie sich ein Keyboard | |
anschaffen wollte und zufällig bei einem Synthesizer landete. Bald begann | |
sie, als DJ aufzulegen. Vor ihrem Studium arbeitete sie vier Jahre in einem | |
Laden für Studioequipment und elektronische Instrumente, dann weitere vier | |
Jahre in einer ähnlich gelagerten Werkstatt. Das Innenleben elektronischer | |
Geräte versteht sie demnach ziemlich gut. | |
## Experiment und Popappeal | |
Entsprechend gelassen wirkt ihre Herangehensweise an diese Art der | |
Klangerzeugung. In manchen Momenten klingt Frischaufs Sound wie eine | |
[1][entschleunigte Interpretation der Flying Lizards], dieser | |
avantgardistischen [2][Postpunk-Band aus dem England] der späten 1970er. | |
Experiment und Popappeal geben sich in ihren Songs die Hand. | |
Aktuell entdecke etwa sie das Waldhorn und Trompete wieder für sich, die | |
Instrumente ihrer Kindheit, erzählt Frischauf euphorisch. Dass sich bei | |
ihrem Versuch, möglichst unterschiedliche Ebenen aufeinandertreffen zu | |
lassen, Fehler einschleichen, ist für Conny Frischauf der nützliche Teil | |
ihres Kompositionsprozesses. Sie erlaubt sich nicht nur offene Enden, diese | |
stellt sie demonstrativ in ihren Songs aus. | |
## PeterLicht | |
Eine Faible [3][für solch lose Enden hat auch PeterLicht] – wenngleich sein | |
Händchen dafür, Ideen ins Leere laufen zu lassen und ihre Absurdität | |
offenzulegen, nicht selten davon überlagert wird, dass ihm das Erfinden von | |
Slogans noch größere Freude zu bereiten scheint. | |
Dieser Tage jagt er jedoch dem Licht hinterher, mit offenkundiger | |
Verzweiflung: „Wenn du eine Sonne siehst / dann lauf ihr entgegen! / Egal | |
wo die Sonne gerade steht / lauf ihr entgegen / Immer ein Schritt schneller | |
als die Depression“ singt er in „…e-scooter deine Liebe“, der bereits | |
erschienenen Vorabsingle zum Album „Beton und Ibuprofen“, das nun kommende | |
Woche veröffentlicht wird. Vor 20 Jahren klang das noch ziemlich anders, da | |
meldete sich PeterLicht wohlgemut in Richtung Dolce Vita ab: „Wenn ich | |
nicht hier bin, bin ich auf’m Sonnendeck“ hieß in dem Hit, der ihn 2001 | |
bekannt machte. | |
In den Jahren seither hat PeterLicht sich als Musiker, Autor und | |
Theaterschaffender immer wieder am falschen Leben im Falschen | |
abgearbeitet. 2006 sang er das „Lied vom Ende des Kapitalismus“, der sich | |
bekanntermaßen dann aber doch gehalten hat. 2011 wünschte er: „Begrabt mein | |
iPhone® an der Biegung des Flusses“. | |
## Besser als die Werbetexter | |
Bei seiner Gesellschaftskritik schwang zugleich immer auch die Parodie von | |
Kritik mit. Dass er das Sloganhafte, auf das er seine Beobachtungen | |
eindampfte, im nächsten Halbsatz oft wieder aufhob, ihnen in dadaistischer | |
Manier die Luft rausließ, geriet da bisweilen ins Hintertreffen – zu | |
einprägsam sind seine Reime. Ein Werbetexter hätte sie sich nicht besser | |
ausdenken können. | |
Wirkte es lange so, als fühle sich PeterLicht von den Verhältnissen | |
gleichermaßen unterhalten und verstört, dominiert auf seinem neuen Album | |
das Abgründige. Über Jahre war es Teil seiner Inszenierung, keine Fotos von | |
sich in die Welt zu setzen. 2018 diagnostizierte er in einem Interview dann | |
die „unheimliche Bilderflut“ unserer Gegenwart. Und schlussfolgerte: „Da | |
flute ich einfach mit.“ Es ist dieser stete Balanceakt zwischen Affirmation | |
und Abgrenzung, den PeterLicht zur Marke entwickelt hat. | |
Mittlerweile gibt es Pressefotos, bei denen er offensiv in die Kamera | |
schaut, mit waidwundem Ausdruck. Und auch auf Textebene macht er sich | |
nackig. „…e-scooter deine Liebe“ ist nicht der einzige Song des Albums, b… | |
dem man sich fast Sorgen um ihn macht. „Wenn die, die Dämonen kommen / ist | |
jeder, der ein Mensch ist, dein Freund“, textet er, ungewohnt ironiefrei, | |
in „Dämonen“, dem berührendsten Song des Albums. Eingebettet ist das in | |
schwelgerischem Folk-Pop, der wie ein Wiegenlied wirkt. | |
## Emotionale Abgründe | |
„Freunde“ erzählt ebenfalls von düsteren Gefühlen, dockt aber an eine | |
vertraute Ästhetik an, wenn es zur schunkeligen Melodie heißt: „Freunde | |
kommt alle! / Und bringt eure grauen Wolken mit / zusammen werden wir | |
schwarz! / Kommt alle! Kommt alle! / zusammen werden wir schwarz.“ Das | |
typische PeterLicht-Songwriting, so offenbart dieses Album, verträgt sich | |
mit dem Blick in emotionale Abgründe nur bedingt. | |
Je mehr die Wortkaskaden des Kölners, dessen genaues Alter ein Geheimnis | |
bleibt – Anfang 50 vermutlich –, Zerfaserung eingestehen und die Hörer beim | |
Straucheln mitnimmt, umso stimmiger dagegen wirkt das Ganze. „Ibuprofen“, | |
der eher schwächste Titel auf dem Album, bilanziert recht plump, wie | |
gesellschaftlich auf individuelles Unbehagen reagiert wird. | |
„Nimm doch noch’n Ibuprofenschn! (…) Dann wird’s dir wieder gut! Dann | |
wird’s dir wieder gut.“ Darauf folgt eine Liste schmerzstillender und | |
stimmungsaufhellender Substanzen, die PeterLicht immer schön rheinländisch | |
verniedlicht und die sich in die Gehörgänge fräst: Codeinschn, | |
Mirtazapinschn und Parazetamölschn machen den Anfang. Das | |
ironisierende Glattbügeln funktioniert jedoch nicht ganz, die Verharmlosung | |
gerinnt zum banalen Kommentar. | |
Auch wenn PeterLicht und Conny Frischauf doch einiges zu verbinden scheint: | |
Die beiden surrealistisch geschulten Wortjongleure unterscheidet nicht | |
zuletzt, wie sie darauf vertrauen, dass sich Dinge in Worte packen lassen. | |
In Zeiten von Fake News sind Zweifel daran, wie Bedeutung vermittelt wird, | |
angebrachter denn je – auch wenn natürlich niemand darum herumkommt, es zu | |
versuchen. | |
27 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Stephanie Grimm | |
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