| # taz.de -- Frauen und Geld in der Musik: Im Cashflow | |
| > Frauen singen und rappen seit Jahrzehnten über Geld. Statt um reiche | |
| > Ehemänner geht es heute mehr um Arbeit und Emanzipation. | |
| Bild: Cyndi Lauper singt Anfang der 80er von reichen Ehemännern auf der Bühne | |
| Es ist das Jahr 1983. Cyndi Lauper, frisch auserkorene New-Wave-Queen, hat | |
| mit „Money Changes Everything“ einen großen Hit. Es ist der erste Song | |
| ihres Durchbruchalbums „She’s so unusual“, zu supereingängigen | |
| Synthieklängen erzählt sie darin, wie eine Frau einen Mann verlässt, weil | |
| sie einen reicheren Typen gefunden hat: „I said I’m sorry baby I’m leaving | |
| you tonight/ I found someone new, he’s waitin’ in the car outside“. | |
| Aus heutiger Sicht [1][mag einem der Inhalt geradezu reaktionär vorkommen], | |
| schließlich definiert sich die Frau hier weiter über den Mann und dessen | |
| Geld. Wir schreiben allerdings auch erst die frühen Achtziger, Frauen sind | |
| ökonomisch nicht so unabhängig wie heute. Noch bis 1977 dürfen verheiratete | |
| Frauen in Deutschland laut Gesetz nur dann arbeiten, wenn es „mit ihren | |
| Pflichten in Ehe und Familie vereinbar“ ist. Lauper mit ihrer ganzen | |
| Erscheinung bildet einen Gegensatz zu einem solchen Frauenbild. In ihrer | |
| unverkennbar quäkig-punkigen Stimme klingen Freizügigkeit und | |
| Freigeistigkeit an. Eine feine Volte der Popgeschichte: Ihr Album verkauft | |
| sich weltweit 16 Millionen Mal. Damit macht sie zwar zum einen die Männer | |
| der Musikindustrie reich – sie selbst hat aber auch vorerst ausgesorgt. | |
| Über Geld und über Frauen, auch über die Korrelation, wird gesungen, seit | |
| es Popmusik gibt – so oft und so viel, dass eine Annäherung hier | |
| unvollständig bleiben muss. In den vom männlichen Rock dominierten | |
| Siebzigern kommen Frauen oft nur als schmückendes Beiwerk des Mannes vor, | |
| das etwas kostet, aber selbst niemals etwas erwirtschaftet. So singen | |
| Grateful Dead in „Money, Money“ (1974) noch davon, dass die süße kleine | |
| Freundin ausgehalten werden will, und für die Geldbeschaffung ist natürlich | |
| der Mann zuständig, zur Not per Banküberfall („My baby gives me the finance | |
| blues“ […] / she wants money“). | |
| Auf die Rock- und Popwelt jener Zeit trifft zu, was James Brown bereits | |
| 1966 sang: „This is a man’s world / But it wouldn’t be nothing, nothing | |
| without a woman or a girl.“ Frauen sind in dieser Ära zuvörderst | |
| (Background-)Sängerinnen, selten Musikerinnen. Auch die | |
| [2][ABBA-Sängerinnen Anni-Frid Lyngstad und Agnetha Fältskog] sehen sich | |
| noch umgeben von einer „rich man’s world“, wie es in „Money, Money, Mon… | |
| (1976) heißt. | |
| ## Auch Arbeitsbedingungen von Frauen | |
| Danach aber scheint langsam etwas aufzubrechen. Dank der Frauenbewegungen | |
| der Siebziger, dank Punk. Das lässt sich im Mainstream und im Underground | |
| beobachten. Einer der erfolgreichsten Songs von Donna Summer ist – | |
| ebenfalls 1983 – „She Works Hard for the Money“. Inspiriert wird sie zu d… | |
| Stück, als sie in Los Angeles mit einer Toilettenfrau eines Restaurants ins | |
| Gespräch kommt. Ihr widmet sie den Song, und sie mahnt, dass man sie | |
| vernünftig behandeln solle („She works hard for the money / so you better | |
| treat her right“). Arbeitsbedingungen von Frauen werden zum Thema, | |
| Country-Ikone Dolly Parton singt bereits drei Jahre zuvor das Titellied für | |
| den Film „9 to 5“. Auch hier die Message: Frauen, lasst euch nichts | |
| gefallen bei der Arbeit. Nicht fehlen in der Reihe der Achtziger-Geldhits | |
| darf natürlich Madonnas „Material Girl“ (1985), ein Song, in dem sie die | |
| Figur der Frau, die das (vom Mann) verdiente Geld ausgibt, ironisch bricht. | |
| Drastischer geht es in Punk und Postpunk zu Werke. Die britische | |
| Politpunk-Institution Crass, die mit Joy De Vivre eine Sängerin hatte, | |
| erzählt in „Women“ (1978) davon, dass Sex die wichtigste Währung der Frau… | |
| sei: „Fuck is women’s money/ We pay with our bodies“. Zum geshouteten | |
| Gesang De Vivres ertönt nervtötendes Synthie-Frequenzen-Geflirre, es ist | |
| ein fieses, wütendes Stück Musik. Ein Highlight dieser Epoche: das | |
| Barrett-Strong-Coverstück „Money (That’s What I Want)“ (1979) von dem | |
| Londoner Musikkollektiv The Flying Lizards. Sie interpretieren das Stück im | |
| Spoken-Word-Stil neu, Sängerin Deborah Evans-Stickland spricht die Zeilen: | |
| „Your love won’t pay my bills / I want money“. Ums Rechnungenzahlen geht�… | |
| irgendwie immer. | |
| Auch noch zwanzig Jahre später, als es heißt: Auftritt Destiny’s Child. | |
| Deren Song „Independent Women“ (2000) ist für Mainstream-Pop fast schon | |
| radikal, er darf als feministische Hymne des beginnenden Jahrhunderts | |
| gelten: „Try to control me, boy, you get dismissed / Pay my own fun, oh, | |
| and I pay my own bills / Always fifty fifty in relationships“, singt das | |
| Trio um Beyoncé – ähnlich wird man dies 17 Jahre danach auch von Kesha | |
| hören („Woman“, 2017), mit rockig-funkigeren Tönen unterlegt. | |
| ## Von Geldscheinen bedeckter Boden | |
| Eine spannende Umdeutung erfährt der Song „If I Were a Rich Man“, als sich | |
| Gwen Stefani seiner im Jahr 2004 annimmt. In den Sechzigern als | |
| Folk-/Traditional-Stück für das Musical „Fiddler on the Roof“ geschrieben, | |
| wird bei der ehemaligen No-Doubt-Sängerin auf ihrem ersten Soloalbum daraus | |
| ein Lied zwischen Reggae/Ragga und HipHop mit geschlechtlich korrigiertem | |
| Text: „If I was a rich girl / […] No man could test me, impress me, my cash | |
| flow would never ever end“. Dass sie, zu dieser Zeit eine der Megastars des | |
| Pop und außerdem längst selbst ein „Rich Girl“, aus der Perspektive der | |
| armen Frau singt, wird ihr allerdings zum Teil übel genommen. | |
| In jüngster Zeit hat in der Welt des Pop vor allem Cardi B ihr Verhältnis | |
| zu Geld zum Thema gemacht. In „Bodak Yellow“ erzählt die New Yorkerin von | |
| ihrer Zeit als Stripperin, die sie als empowernd empfunden hat – und als | |
| gute Möglichkeit, Geld zu verdienen: „I say I get the money and go, this | |
| shit is hot like a stove / My pussy glitter is gold, tell that lil’ bitch | |
| play her role“, rappt sie in dem Song. Passend dazu sind im Videoclip zu | |
| dem Song „Money“ Pole-Dancerinnen im Stripklub zu sehen, der Boden ist | |
| bedeckt von Geldscheinen. Wie bei vielen ihrer männlichen HipHop-Kollegen | |
| auch gibt es hier kaum ironische Brechungen oder Distanz, mit der man die | |
| Kapitalisierung aller Lebensbereiche hinterfragen würde. Man könnte sagen, | |
| sie definiert das Motto „Money is King“ einfach um zu einem „Money is | |
| Queen“. | |
| Wie erfolgreich die feministischen Bestrebungen seit den siebziger Jahren | |
| insgesamt waren, wie sehr sich die berufliche Situation für Frauen in den | |
| vergangenen 50 Jahren verbessert hat und wie sich Rollenbilder verschoben | |
| haben, das bringt am Ende vielleicht Cardi B.s New Yorker | |
| Musikerinnenkollegin [3][Junglepussy] (Shayna McHayle) am besten auf den | |
| Punkt. Deren Debütalbum aus dem Jahr 2015 heißt schlicht: „Pregnant With | |
| Success“. | |
| Als perfekter Lesebegleiter zu diesem Text, für den Weg zur | |
| Frauenkampftag-Demo oder einfach so haben wir eine Playlist erstellt. Darin | |
| unsere Best-Of-Songs, in denen Frauen über Geld singen oder rappen. Zum | |
| Anhören [4][hier entlang.] | |
| 7 Mar 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Musikerin-ueber-die-Macht-von-Frauen/!5636383 | |
| [2] /Ueber-den-Erfolg-von-Abba/!5178827 | |
| [3] /Pussy-Riot-in-Berlin/!5287377 | |
| [4] https://open.spotify.com/playlist/5OTuxtW6d6ktMPAgHjZzmH | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Uthoff | |
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