# taz.de -- Clubs in der Coronapause: Nachtleben im Ausnahmezustand | |
> Der Berliner Senat hat das Nachtleben gestoppt, um eine schnelle | |
> Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Wie gehen Clubs mit der | |
> Zwangspause um? | |
Bild: Auch hier herrscht derzeit Leere: der Berliner Club „Lido“ | |
Die „Tennis Bar“ im Westberliner Bezirk Neukölln, ein typischer Ort im Kiez | |
um die Flughafenstraße: Oben Kneipe, unten, im Keller, ist Platz für einen | |
Dancefloor und Konzerte, ein Hotspot der Do-it-yourself-Musikszene. Bis zum | |
Freitag letzter Woche: „Wir hatten da ein Karaoke-Event geplant. Und die | |
Vorstellung, dass 200 Menschen ins gleiche Mikrofon singen: Na ja“, sagt | |
Betreiber Ryan Rosell. Also kam man „aus ethischen Gründen“ der | |
Senatsentscheidung zuvor und schloss die Türen schon 24 Stunden früher. | |
Jetzt lebt Rosell selbst in der Bar, weil sie größer ist als seine Wohnung. | |
Da die Sommermonate traditionell schlechter laufen, weil die „Tennis Bar“ | |
keinen Garten besitzt, hat Rosells Betrieb ohnehin Geld zurückgelegt. Fürs | |
Erste fühlt er sich gewappnet. Mit den beiden Angestellten, die auf das | |
Geld von Barschichten angewiesen sind, hat er als Erstes geredet: „Wir | |
haben einen Punk-Deal gemacht: Wenn sie wirklich Geld brauchen, melden sie | |
sich, und wir überlegen uns gemeinsam eine Lösung.“ Die „Tennis Bar“ f�… | |
damit noch vergleichsweise gut. | |
Schon bevor der Senat verkündete, den Betrieb aller Bars, Clubs und | |
ähnlicher Orte des Nachtlebens zu untersagen, haben sich einige der großen | |
Player entschlossen, Hallen, Keller und Sitzecken geschlossen zu halten: | |
Corona ist derzeit definitiv die härteste Tür Berlins. Schwierig ist die | |
Lage vor allem für die Angestellten, die Auftragnehmer*innen von | |
Sicherheitsdiensten und für DJs und Musiker*innen, die von Auftritten | |
leben. | |
[1][Schnell stellte die Vereinigung der Clubbetreibenden, die | |
Clubcommission Berlin, die Forderung nach Sofortmaßnahmen auf], mehrere | |
Millionen Euro seien jeden Monat nötig, um ein Ausbluten der Szene zu | |
verhindern. Und tatsächlich scheint es, dass die Politik in Stadt und Bund | |
den Wert von Kultur in allen Spielarten erkannt hat, eben auch, wenn es um | |
Clubkultur geht. | |
[2][Erste Beschlüsse sehen etwa vor, Solo-Selbstständige und | |
Kleinunternehmer*innen mit maximal 5.000 Euro zu bezuschussen]. Es gibt | |
erste Selbsthilfemaßnahmen: Crowdfunding-Projekte und die Idee, mit | |
Streaming unter dem Hashtag #unitedwestream Spendengelder zu sammeln. | |
## Bis zu 200 Menschen im Monat | |
Crowdfunding wird auch für das „Loophole“, in Nachbarschaft der „Tennis | |
Bar“ gelegen, die nächste Option sein. Jeden Abend, an dem der kleine Club | |
geöffnet wäre, fände dort eine Veranstaltung statt, meist mit vier bis acht | |
beteiligten Künstler*innen, oft aus der Indie-Musikszene: bis zu 200 | |
Menschen im Monat, die nun hier nicht auftreten können. | |
Hinzu kommen zehn Menschen, die im Hintergrund arbeiten. Die meisten sind | |
selbstständig, haben andere Jobs – die allerdings nun ebenfalls ausgesetzt | |
sind: in der Veranstaltungstechnik oder im Musikbereich. „Loophole“-Leiter | |
Jan Gryczan überlegt, sich vorerst arbeitslos zu melden. | |
Für seinen Laden, der erst vor wenigen Jahren mit einer | |
Crowdfunding-Kampagne vor der Pleite (wegen einer Mietsteigerung) gerettet | |
wurde, hofft er vor allem auf rasche Hilfe der Politik, am besten nicht | |
durch eine Darlehenslösung: „Das wäre keine große Hilfe, wir sind sowieso | |
am Minimum, nach Jahren der Gentrifizierung. Jeden Monat, den wir | |
geschlossen haben, verliert der Club mehrere Tausend Euro. Das abzubezahlen | |
würde Jahre dauern.“ | |
## Mitarbeitende und Miete bezahlen | |
Wie die zugesagten Sofortmaßnahmen des Senats sich auswirken, kann Gryczan | |
noch nicht abschätzen. 5.000 Euro wäre immerhin eine Grundsicherung für die | |
ersten Monate, aber ob das reicht, Mitarbeitende und Miete zu bezahlen, | |
bleibt ungewiss. | |
Der Technoclub „://about blank“ am Ostkreuz zwischen Friedrichshain und | |
Lichtenberg gehört hingegen zu den größeren Clubs der Stadt. Hier hat sich | |
schnell eine Struktur etabliert, ein Krisenstab, in dem Teile des | |
Betreiber*innenkollektivs sitzen, aber auch Vertreter*innen der | |
Mitarbeitenden. | |
„Es muss erst mal Recherche betrieben werden, zu Kurzarbeiter*innengeld, zu | |
Kommunikationsstrukturen, die Präsenzplena ersetzen“, sagt Eli, Teil dieses | |
Krisenstabs. Wie der sich fand: „Na ja, Linke halt. Wir haben eine | |
ausgefeilte Organisationsstruktur mit dezentralen AGs. Davon profitieren | |
wir in der Krisenzeit.“ | |
## Hoffen auf unbürokratische Hilfe aus der Politik | |
Erste Initiative: Crowdfunding. Die Zielsetzung, 20.000 Euro, kam in kurzer | |
Zeit zusammen. „Wir sind auf schnelle Hilfe aus der Community angewiesen | |
und sind gerührt, wie gut das angelaufen ist. Aber wir hoffen auch auf | |
unbürokratische Hilfe aus der Politik“, sagt die „blank“-Aktivistin. | |
„Wie alle Berliner Clubs stehen wir unter krassem Verwertungsdruck, es | |
bleibt wenig, was man zurücklegen kann.“ Laufende Kosten sollen gestundet | |
werden. Bei der Miete hofft der Club auf Entgegenkommen des Bezirks, dem | |
das Gelände gehört. Was gegen die derzeitige Ungewissheit hilft: | |
Kollektiverfahrung. „Das ist eine gesellschaftliche Frage, die uns alle | |
berührt. Jenseits der Frage, wann wir wieder das Geschäft aufmachen, geht | |
es darum, uns nicht im Stich zu lassen, Supportstrukturen aufbauen, damit | |
wir nicht durchdrehen.“ | |
Ryan Rosell, der es sich derweil in der „Tennis Bar“ bequem gemacht hat, | |
hat inzwischen einen Job gefunden, mit dem er hofft durch die schwere Zeit | |
zu kommen. „Es gibt Branchen, die von der Krise profitieren“, sagt er – u… | |
arbeitet nun freiberuflich als Grafiker für ein Online-Porno-Portal. | |
24 Mar 2020 | |
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[1] /Kulturbetriebe-fordern-Rettungspaket/!5671315 | |
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## AUTOREN | |
Steffen Greiner | |
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