# taz.de -- Kontaktverbote wegen Corona: Wer darf jetzt noch raus? | |
> Manche Bundesländer sind bei Ausgangsbeschränkungen strenger als andere. | |
> Und die Regeln sind teils sehr unpräzise formuliert. | |
Bild: Für alle in Berlin gilt: Abstand halten! | |
BERLIN taz | Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, sollen wir | |
alle möglichst zu Hause bleiben. Diese Nachricht dürfte inzwischen | |
angekommen sein. Aber wann dürfen wir überhaupt noch raus? | |
Nachdem vergangene Woche Bayern und einzelne Städte mit | |
Ausgangsbeschränkungen vorgeprescht sind, hat sich am Sonntag | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den MinisterpräsidentInnen in | |
einer Telefonkonferenz auf „Leitlinien zur Beschränkung sozialer Kontakte“ | |
geeinigt. Das Ziel sollte sein, dass „in ganz Deutschland im Grundsatz die | |
gleichen Regeln gelten“, wie es Merkel formulierte: [1][Das öffentliche | |
Leben wird weiter heruntergefahren]. Direkte persönliche Kontakte sollen | |
möglichst reduziert werden, Mindestabstand 1,50 Meter. Treffen von mehr als | |
zwei Personen in der Öffentlichkeit sind nicht mehr erlaubt – außer es | |
handelt sich um Familien oder Wohngemeinschaften. Das Ganze für eine Dauer | |
von mindestens zwei Wochen. | |
Auf den ersten Blick nun also überall dasselbe Bild: Geschäfte haben zu, | |
nur noch Dinge des täglichen Bedarfs kann man kaufen. Restaurants verkaufen | |
Speisen nur noch zum Mitnehmen und Hotels nehmen keine TouristInnen mehr. | |
Auf den zweiten Blick sind die Regeln aber in den einzelnen Bundesländern | |
und teils auch Kommunen unterschiedlich streng ausgestaltet und im Detail | |
unpräzise formuliert. Manches ist in der Praxis offenbar gar nicht | |
umsetzbar; die Polizei interpretiert die Regelungen jedenfalls mitunter | |
recht frei. | |
Einige Bundesländer, etwa Mecklenburg-Vorpommern oder Rheinland-Pfalz, | |
haben bis Montagnachmittag noch gar keine neuen Verordnungen | |
veröffentlicht. Eine Reihe anderer Länder haben sich nah an den Leitlinien | |
orientiert. In einigen Bundesländern aber sind die neuen Regelungen | |
strenger. Hier wurden nun offiziell Ausgangssperren mit Ausnahmen | |
eingeführt. Offiziell ist aber höchstens von „Ausgangbeschränkungen“ die | |
Rede. | |
## Spazieren nur alleine | |
In [2][Berlin etwa heißt es in der seit Montag gültigen Verordnung]: Man | |
habe sich „ständig in [der] Wohnung oder gewöhnlichen Unterkunft | |
aufzuhalten“. In [3][Brandenburg] ist das „Betreten öffentlicher Orte“ �… | |
also Straßen, Plätze, Parks – nun grundsätzlich untersagt, was auf dasselbe | |
herauskommt. In [4][Sachsen] steht gleich zu Beginn der Allgemeinverfügung: | |
„Das Verlassen der häuslichen Unterkunft ohne triftigen Grund wird | |
untersagt.“ Bayern und das Saarland haben Ähnliches bereits vergangene | |
Woche formuliert. | |
Es werden jeweils eine ganze Reihe von Gründen aufgeführt, warum man die | |
Wohnung dann doch verlassen darf. Darunter fallen Einkäufe und Arztbesuche, | |
der Weg zur Arbeit und Besuche bei Ehe- oder Lebenspartnern oder bei | |
Kranken. Auch Sport und „Bewegung an der frischen Luft“ ist gestattet. | |
Während man in Berlin zumindest mit einer Person, die nicht dem eigenen | |
Hausstand angehören muss, spazieren gehen darf, ist in Bayern und Sachsen | |
nicht einmal das gestattet. In Sachsen darf man sich sogar nur „im Umfeld | |
des Wohnbereichs“ bewegen. Weder Polizei noch Staatsregierung können auf | |
Nachfrage definieren, was damit gemeint ist. | |
In anderen Fällen werden Dinge bis ins kleinste Detail geregelt. | |
[5][Baden-Württemberg] verbietet etwa auch im nichtöffentlichen Raum | |
Zusammenkünfte von mehr als fünf Personen, außer wenn die Menschen sowieso | |
zusammenleben; dann dürfen auch LebenspartnerInnen dazukommen. Auch | |
private Familientreffen mit Verwandten „in gerader Linie“ sind dort | |
erlaubt, also mit Eltern, Großeltern, Kinder und Enkelkindern. In | |
[6][Nordrhein-Westfalen] dürfen sich „Verwandte in gerader Linie“ auch in | |
größerer Anzahl in der Öffentlichkeit treffen, selbst wenn sie nicht | |
zusammenleben. | |
Uneinheitlich wird in den Bundesländern auch mit Rückkehrern aus | |
Corona-„Risikogebieten“ umgegangen. [7][Rheinland-Pfalz] etwa hat schon | |
vergangene Woche „Fahrten und Reisen aus den vom Robert-Koch-Institut für | |
Covid-19 erklärten internationalen Risikogebieten nach Rheinland-Pfalz | |
untersagt“. Die Stadt Jena ging noch weiter und erklärte gleich ganze | |
Bundesländer zur Risikogebieten, was zur Folge hat, dass Jenaer | |
BürgerInen, die nach Hause kommen, sich erst mal in Quarantäne begeben | |
müssen. | |
Insgesamt gilt, dass es für privates Verhalten nun genaue Vorschriften | |
gibt, während für die Betriebe, die nicht ohnehin geschlossen sind, so gut | |
wie nichts vorgeschrieben ist. So dürfen etwa nach wie vor Großaumbüros | |
betrieben werden, hier gilt kein Kontaktverbot und keine Begrenzung von | |
Personen in einem Raum. Es finden sich teils lediglich Ermahnungen, | |
Hygienebestimmungen zu beachten und Mindestabstände einzuhalten. | |
## Hauptsache keine Party | |
Das hat zur Folge, dass etwa in Sachsen oder Berlin bei einem privaten | |
Umzug der beste Freund offiziell nicht mithelfen darf, aber mehrere | |
Mitarbeitende eines kommerziellen Umzugsunternehmens weiterhin Möbel und | |
Kisten schleppen dürfen. | |
In Berlin hat die Polizei die Menschen ermahnt, dass sie nun stets ihren | |
Ausweis oder einen Pass plus Meldebescheinigung mitzuführen hätten. Das | |
sorgte für hektische Rückfragen bei vielen, die ihre Wohnadresse nicht auf | |
diese Art nachweisen können. Wie sich dann [8][auf Twitter] zeigte, | |
interpretieren die Beamten die Verordnung ansonsten ziemlich frei. So | |
beruhigt die Polizei etwa in diesem Fall: Ein fester Freund zähle als | |
„Lebenspartner“ und zu zweit mit Baby im Kinderwagen dürfe man auch dann | |
unterwegs sein, wenn der andere Erwachsene nicht im selben Haushalt wohnt. | |
Besuche bei Freunden seien nach wie vor möglich, so lange man keine Party | |
feiere, die eigenen Eltern dürfe man laut Verordnung aber nicht besuchen. | |
Grundsätzlich versuchen die Beamten, die Menschen zu beruhigen. Kein | |
einzelner Jogger müsse Angst haben, nach dem Ausweis gefragt zu werden. Nur | |
wenn mehr als zwei Personen zusammen draußen unterwegs seien, werde | |
kontrolliert. Und: „Kontrollen innerhalb von Wohnungen wird es nicht | |
geben.“ | |
Weder Berliner Senat noch die Polizei antworteten bis zum Nachmittag auf | |
eine taz-Anfrage, ob dieses Vorgehen der Polizei abgesprochen ist und ob | |
die bislang nicht in der Verodnung verankerten Ausnahmen noch mit | |
aufgenommen werden. | |
23 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Massnahmen-gegen-die-Corona-Ausbreitung/!5673168 | |
[2] https://www.berlin.de/corona/massnahmen/verordnung/ | |
[3] https://www.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.662099.de | |
[4] https://www.coronavirus.sachsen.de/download/AllgV-Corona-Ausgangsbeschraenk… | |
[5] https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/la… | |
[6] https://www.land.nrw/sites/default/files/asset/document/2020-03-22_coronasc… | |
[7] https://www.rlp.de/fileadmin/rlp-stk/pdf-Dateien/Anlagen_fuer_Pressemitteil… | |
[8] https://twitter.com/PolizeiBerlin_E | |
## AUTOREN | |
Sebastian Erb | |
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