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# taz.de -- Coronavirus und Landesgrenzen: Innerdeutsche Grenzkontrollen
> Reisende aus Berlin dürfen zwar noch zu ihrem Wochenendgrundstück nach
> Brandenburg, aber nicht mehr nach Mecklenburg-Vorpommern.
Bild: Kontrollen an der B96 zwischen Brandenburg und Meck-Pomm
Damit hatte Matthias Dittmer nicht gerechnet. Freitag vergangene Woche
bekam er einen Anruf. Am Apparat war der Leiter des Ordnungsamtes in
Wittstock. „Der hat mich vorwurfsvoll gefragt, wie es sein könne, dass ich
noch Gäste habe“, sagt Dittmer, grünes Mitglied in der Wittstocker
Stadtverordnetenversammlung und Inhaber des Ferienlandhauses in Zempow,
einem Ortsteil von Wittstock an der Dosse.
Die Gäste, die Dittmer beherbergte, waren ein Ärzteehepaar der Charité, das
sich mit seinen drei Kindern eine Auszeit gönnte. So schrieb es Dittmer
auch auf Facebook: „Nach eineinhalb Jahren Dienst ihr erster Urlaub und
bald wieder zurück in ihrem lebensrettenden Job. Als systemrelevante
Personen haben sie sogar einen Ausweis, mit dem sie mögliche Polizeisperren
passieren können. Kein Coranaverdacht, alle Vorsichtsmaßnahmen streng
beachtend, aber mit dem Autokennzeichen outen sie sich als Berliner.“
„Den Anruf vom Ordnungamt habe ich um 12 Uhr bekommen“, erinnert sich
Dittmer, der auch am Dienstag noch fassungslos war. „Um 13.45 Uhr kam dann
eine Polizeistreife in Zempow vorbei.“ Bereits zuvor hatte ihm das
Ordnungsamt angedroht, dass er eine Strafe in fünfstelliger Höhe zahlen
müsse, wenn er sein Ferienhaus weite vermiete. „Dabei ist das eine
eigenständige Ferienwohnung, ich mache denen kein Frühstück, die sind
komplett autark.“
Doch aller Protest half nichts. Das Ehepaar musste nach Berlin zurück.
„Epidemiologisch bringt das gar nichts“, ärgert sich Dittmer. „Im
Gegenteil: Damit wird nur noch der Druck auf Berlin erhöht.“ Auf Facebook
machte er seinen Ärger mit den Worten publik: „Nach der gelungenen
Gartenschau im Sommer zeigt sich Wittstock von seiner hässlichen Seite.“
Am 17. März, einige Tage, bevor die Charité-Ärzte ihre Ferienwohnung
verlassen mussten, hatte die Landesregierung in Brandenburg eine
„Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des neuartigen Coronavirus“
beschlossen. Darin hieß es in „§ 6 Gaststätten und vergleichbare
Einrichtungen“ unter anderem: „Übernachtungsangebote im Inland dürfen nur
zu notwendigen Zwecken und nicht zu touristischen Zwecken genutzt werden.“
In einer aktualisierten Verordnung, die die Landesregierung am Anschluss an
die Bund-Länder-Beratungen am Sonntag veröffentlicht hat, wurde der
betreffende Paragraf noch einmal erweitert. Nun heißt es: „Betreibern von
Beherbergungsstätten, Campingplätzen, Wohnmobilstellplätzen sowie privaten
und gewerblichen Vermietern von Ferienwohnungen und -häusern und
vergleichbaren Angeboten ist es untersagt, Personen zu touristischen
Zwecken wie Freizeitreisen zu beherbergen. Diese Regelung gilt auch für
Personen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bereits
beherbergt werden.“
Allerdings stellte Rot-Schwarz-Grün am Montag auch klar, dass diese
Regelungen nicht für Berlinerinnen und Berliner gelten, die in Brandenburg
ein eigenes Ferienhaus bewohnten. Das teilte ein Sprecher des
Coronakrisenstabs mit. Berliner, die in Brandenburg ein Wochenendhaus
besitzen oder pachten, so der Sprecher, dürften es weiterhin aufsuchen.
Auch sei eine Reisebeschränkung nicht vorgesehen, da es in Brandenburg
keine Ausgangssperre gebe. Allerdings betonte der Sprecher auch, dass die
Landesregierung einen regelrechten Reiseverkehr von Berlin nach Brandenburg
nicht wünsche. Sie appelliere daher an Berliner, sich gut zu überlegen, ob
sie wirklich nach Brandenburg fahren müssten. Am Dienstag informierte der
RBB schließlich noch über eine weitere Einschränkung: „Das Verlassen und
Wiederbetreten des Stadtgebiets von Berlin muss auf direktem Wege zu der
Wohnung oder gewöhnlichen Unterkunft erfolgen.“
Eine noch schärfere Gangart hatte am Wochenende Mecklenburg-Vorpommern
eingeschlagen. Dort mussten Besitzer von Wochenendhäusern das Bundesland
verlassen. Hintergrund ist eine Verordnung, die Innenminister Lorenz
Caffier (CDU) bereits am Donnerstag publik gemacht hat. Dort heißt es:
„Touristische Reisen aus privatem Anlass in das Gebiet des Landes
Mecklenburg-Vorpommern sind untersagt. Dies gilt insbesondere für Reisen,
die zu Freizeit- und Urlaubszwecken und zu Fortbildungszwecken unternommen
werden.“ Ausnahmen seien lediglich Personen, die in Mecklenburg-Vorpommern
einen Zweitwohnsitz haben und diesen auch beruflich nutzen. Soll heißen:
Selbst wer in seinem eigenen Wochenendhaus nur ausspannen will, bleibt
draußen.
Bereits am Wochenende hat die Polizei diese Regelung umgesetzt. An
zahlreichen Verbindungsstraßen zwischen Brandenburg und
Mecklenburg-Vorpommern gab es Kontrollen. Dabei wurden, wie der NDR
berichtete, vor allem Autos kontrolliert, die nicht in
Mecklenburg-Vorpommern zugelassen sind. Inzwischen seien rund 6.000
Fahrzeuge kontrolliert worden, 1.000 davon wurde die Einreise verweigert.
Bisher ist aus Senatskreisen zu hören, dass es solche rigiden
Einreisestopps zwischen Berlin und Brandenburg nicht geben werde. Da sei
man sich auch mit der Landesregierung in Potsdam einig. Tatsächlich sind
beide Länder immer mehr miteinander verflochten. Alleine 2018 pendelten
215.600 Pendlerinnen und Pendler aus Brandenburg nach Berlin, wie die
Agentur für Arbeit ermittelte. Das war ein Plus von 13,9 Prozent im
Vergleich zum Jahr 2013. 88.600 Berlinerinnen und Berliner wiederum
arbeiten in Brandenburg.
26 Mar 2020
## AUTOREN
Uwe Rada
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