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# taz.de -- Einsreisesperren in Brandenburg: Mark und Metropole brauchen sich
> Hilfe, die Berliner kommen! Die jüngsten Restriktionen haben das Zeug,
> alte Ressentiments zu befeuern. Ein Wochenkommentar.
Bild: Die Glienicker Brücke verbindet Berlin und Brandenburg
Die Berliner kommen. So ging die Losung Anfang der 1990er Jahre, als eine
Schulklasse aus Friedrichshain in ein Schullandheim nach Brandenburg
reiste. Als die Berliner da waren, kamen die Jungs aus dem Dorf mit
Holzlatten. Fassungslos war damals die Tochter meiner Freundin, die das
erleben musste. Die Klasse reiste umgehend nach Berlin zurück.
An diese Geschichte musste ich denken, als ich bei Facebook dieser Tage
las, wie unwohl sich manche fühlen, mit einem Berliner Kennzeichen durch
Brandenburg zu fahren. Zuvor hatte nicht nur das Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern die Schotten dicht gemacht, sondern auch der
[1][Brandenburger Landkreis Ostprignitz-Ruppin]. Selbst wer in seinem
Landhaus mit Zweitwohnsitz gemeldet ist, soll ab Samstag nicht reindürfen.
Es sein denn, die Arbeit mache es zwingend erforderlich. In
Mecklenburg-Vorpommern, kolportierte ein Spiegel-Mitarbeiter, verstecken
die Berliner ihre Autos schon in der Scheune, um nicht als Hauptstädter
entdeckt zu werden.
Woran ich auch denken musste: Im vergangenen Jahr begingen Berlin und
Brandenburg den [2][200sten Geburtstag von Theodor Fontane]. Fontane,
bilanzierte zum Abschluss der Feierlichkeiten die Chefin von Kulturland
Brandenburg, Brigitte Faber-Schmidt, habe das gespaltene Brandenburg mit
sich selbst versöhnt. Aber Fontane war auch ein Versöhner zwischen Mark und
Metropole. Seine Geburtsstadt ist übrigens Neuruppin, die Kreisstadt von
Ostprignitz-Ruppin. Dort wird der Einreisestopp auch mit den Touristen aus
Berlin begründet, die man in Coronazeiten nicht haben will. Dabei war es
Fontane, der die Schönheit der Mark den Berlinern erst nahegebracht hat.
## Gegen die „Buletten“
Die Ressentiments sind immer noch da. Gegen die „Buletten“ ging es schon zu
DDR-Zeiten. Besser versorgt. Später dann gegen die arroganten Hauptstädter.
Umgekehrt spotten die Berliner über die Brandenburger. Kriegen das Maul
nicht auf. Und überall im Herbst die blauen Wahlplakate. In guten Zeiten
verpackt man das Ressentiment in einen Witz. Und in schlechten? Lässt man
den Geist aus der Flasche?
2008 durfte ich den Begleitband für das Themenjahr von Kulturland
Brandenburg herausgeben. Es ging um das Verhältnis zwischen Mark und
Metropole. Alle Autorinnen und Autoren waren sich einig, dass Berlin und
Brandenburg einander brauchen. Der Titel des Bandes lautete „Stoffwechsel“.
Brandenburg versorgte Berlin mit Baustoffen, hieß es an einer Stelle,
während Berlin die Mark mit Touristen versorge. Eine Win-win-Situation.
Heute gilt das mehr denn je. Oft sind es Berlinerinnen und Berliner, die
inzwischen auch in abgelegene ländliche Räume neue Ideen bringen, neue
Erwerbsmodelle, neuen Schwung. Was aber, wenn Freiberufler wie IT-Experten
oder Fotografinnen nun den Ort verlassen müssen, an dem sie sich eine
Existenz aufbauen wollen, nur weil sie ihren ersten Wohnsitz in Berlin
haben?
Umgekehrt steigt die Zahl der Pendler aus Brandenburg, die in Berlin
arbeiten. Dieser Stoffwechsel 2.0 ist es, der Brandenburg von
Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern unterscheidet. Es ist der Stoff,
aus dem die Zukunft der Region gemacht ist. Zerreißen wir ihn nicht.
28 Mar 2020
## LINKS
[1] /Coronakrise-in-Brandenburg/!5674446&s=Brandenburg/
[2] https://fontane-200.de/de/
## AUTOREN
Uwe Rada
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Theodor Fontane
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Faber-Schmidt. Es habe das gespaltene Brandenburg wieder mit sich selbst
versöhnt.
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