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# taz.de -- Datenschutzbeauftragter empört: „Da werden Dämme eingerissen“
> Einzelne Gesundheitsämter in BaWü geben offenbar Daten von
> Corona-Patienten und ihren Angehörigen zum Schutz von Polizeibeamten
> weiter.
Bild: In wessen Hand bleiben die Daten der Corona-Patienten?
Stuttgart taz | In Baden-Württemberg geben Gesundheitsämter Listen mit
Corona-Infizierten offenbar rechtswidrig an die Polizei weiter. Nach
Recherchen der taz übermittelt etwa das Gesundheitsamt Böblingen
Namenslisten und Kontaktdaten von positiv Getesteten und jener Personen,
die mit ihnen zusammenleben an die regionalen Ordnungsämter und an das
zuständige Polizeipräsidium. Der Grund, den ein Sprecher dafür nennt: Die
Beamten müssten die Möglichkeit haben, sich vor einer Infektion zu
schützen.
Konkret bestätigt das Gesundheitsamt Böblingen die Weitergabe der
Patientendaten. Auf Nachfrage erklärt ein Sprecher des Landratsamts, man
gebe die Daten „in den Fällen von nachgewiesenermaßen infizierten Personen
und deren häuslichen Kontaktpersonen“ weiter. Dies sei „für die
Aufgabenwahrnehmung der Polizei erforderlich, um das Ansteckungsrisiko für
ihr Personal der kritischen Infrastruktur gezielt zu reduzieren.“ Im
Landkreis Böblingen waren nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts am Freitag
263 Menschen positiv auf Corona getestet.
„Da werden Dämme eingerissen“, sagt der Landesbeauftragte für Datenschutz
Stefan Brink. Die pauschale Weitergabe von solch sensiblen Daten
widerspreche nicht nur dem Datenschutz sondern dem Rechtsstaat. Nach dem
Infektionsschutzgesetz darf das Gesundheitsamt im Einzelfall Daten
weitergeben, wenn die Polizei beispielsweise Quarantäne-Maßnahmen gegen
Infizierte durchsetzen muss. Wenn Gesundheitsämter Daten jedoch an die
Polizei weitergeben, damit die Beamten sich etwa im Einsatz besser schützen
können, sei das jedoch ein „großer Fehler“, so Brink. Er fürchtet, dass …
der Bevölkerung gerade jetzt, wo möglichst flächendeckend getestet werden
soll, das Vertrauen in Behörden verlieren könnten und sich mancher aus
Angst vor Stigmantisierung lieber nicht testen lässt.
Auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Sascha
Binder ärgert sich: „Statt so massiv in die Persönlichkeitsrechte von
Bürgerinnen und Bürgern einzugreifen, sollte die Landesregierung lieber für
die notwendige Schutzausstattung der Polizei sorgen“, sagt der
SPD-Politiker. Die Polizei müsse die Anforderung von umfassenden
Gesundheitsdaten sofort unterlassen.
## Eigenschutz für alle
Die Diskussion in Baden-Württemberg war aufgekommen, weil ein Sprecher der
Gewerkschaft der Polizei gefordert hatte, die Polizeibeamten müssten
wissen, ob sie es bei ihrer Arbeit mit infizierten zu tun hätten oder
nicht. Nach dieser Logik gäbe es allerdings auch andere Berufsgruppen, die
zum Eigenschutz Anspruch darauf erheben könnten: Etwa Erzieherinnen, die
die Notbetreuung in Schulen und Kindergärten aufrecht erhalten, Personal in
Arztpraxen oder Rettungskräften. „Das führt völlig in die falsche
Richtung“, sagte Brink.
Das Innenministerium in Baden-Württemberg rechtfertigt die Böblinger Praxis
damit Gefahren von der Bevölkerung abzuwenden. Dies sei vom Gesetz über die
öffentliche Gesundheit gedeckt, sagte ein Sprecher.
Über den korrekten Umgang mit den sensiblen Patientendaten scheint im
Moment bei den Behörden im Südwesten Unklarheit zu herrschen. Die
Gesundheitsämter handeln in dieser Frage offenbar sehr unterschiedlich.
Während man Böblingen gegenüber der Polizei freigebig mit den
Patientendaten umgeht, lehnen nach einer [1][Recherche des SWR] die
Gesundheitsämter in Stuttgart und Karlsruhe die Weitergabe ab. Was
abgesehen von der rechtlichen Frage zeigt, dass die Weitergabe der Daten
für die Polizeiarbeit offenbar nicht „erforderlich“ ist, wie es das
Gesundheitsamt Böblingen in seiner Stellungnahme behauptet.
27 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/polizei-corona-daten-100.h…
## AUTOREN
Benno Stieber
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