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# taz.de -- Datenschutz und Pandemie: Corona? Polizei weiß schon Bescheid
> In mehreren Ländern meldeten Ämter Corona-Infizierte an die Polizei. Nach
> Protest von Datenschützern wurde die Praxis gestoppt – aber nicht
> überall.
Bild: Sind sie schon mit Daten versorgt? Zwei Polizisten in Corona-Zeiten
Berlin taz | Seit fast vier Wochen geht das so in Niedersachsen:
Gesundheitsämter übermitteln die Adressen von Corona-Infizierten und ihren
Kontaktenpersonen, die sich in Quarantäne befinden, an die Polizei. Das
erklärte Ziel: Die Einhaltung der Quarantäne zu „überwachen“ – und
Polizeibeamte zu schützen. Tausende Daten dürften so bereits weitergereicht
worden sein. Wie viel genau, vermag Gesundheitsministerin Carola Reimann
(SPD) nicht zu sagen: Dazu lägen keine Erhebungen vor, so eine Sprecherin.
Aber es gibt deutliche Kritik an der Praxis. Und nicht nur dort.
Für die niedersächsische Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel ist das
Vorgehen klar rechtswidrig. Es gebe „keine Rechtsgrundlage für die
pauschale Übermittlung dieser sensitiven Gesundheitsdaten“, erklärt Thiel.
Ihre Forderung: „Die derzeitige, rechtswidrige und bevorratende
Datenübermittlung muss umgehend eingestellt werden.“ Diese Forderung erhob
Thiel indes bereits vor zweieinhalb Wochen. Die Landesregierung aber ließ
die Datenübermittlung fortsetzen.
Bereits am 31. März hatten das Niedersächsische Gesundheits- und das
Innenministerium die Gesundheitsämter angewiesen, die Adressen von in
Corona-Quarantäne befindlichen Personen an die Polizei zu übersenden. Nach
einer ersten Forderung von Datenschützerin Thiel, den Erlass
zurückzunehmen, verfügte das Ministerium jedoch nur eine neue Anordnung –
nun genauer begründet mit Verweis auf das Infektionsschutzgesetz und das
Niedersächsische Polizei- und Ordnungbehördengesetz. Beschwichtigt wurde,
dass ja nur Anschriften, keine Gesundheitsdaten übermittelt würden. Die
Datenflüsse gingen weiter. Für Thiel ein Affront, der „inakzeptabel und
nicht hinnehmbar“ sei.
Das Niedersächsische Gesundheitsministerium jedoch verteidigt die Praxis
auch aktuell. Ohne die Datenweitergabe an die Polizei, seien Kontrollen, ob
die Quarantänen eingehalten würden, „praktisch nicht möglich“, erklärte
eine Ministeriumssprecherin am Freitag der taz.
Und das Land handelte nicht allein so. Am Donnerstag wurde bekannt, dass
auch Sachsen-Anhalt am 27. März einen Erlass erließ, wonach
Gesundheitsämter Daten von Personen in Corona-Quarantäne pauschal an die
Polizei übermitteln sollten – hier mit der Begründung der Überwachung der
Quarantäneanordnungen. Neben den Namen und Adressen der Infizierten sollten
die Dauer der Quarantäne sowie Geburtsdaten, Nationalität und Geschlecht
der Betroffenen übermittelt werden.
## Auch in anderen Bundesländern Patientendaten übermittelt
Nach Beschwerde einer Kommune und Intervention des
Landesdatenschutzbeauftragten Harald von Bose wurde der Erlass indes
bereits am 31. März zurückgenommen. Die Zeitspanne reichte dennoch, um nach
taz-Information 871 Daten von den Ämtern an die Polizei zu übermitteln. Und
Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) quittierte das Ende
mit offenem Unmut. „Nach Auffassung des Ministeriums entspricht das
Vorgehen den Datenschutzbestimmungen“, erklärte dessen Sprecher der taz.
„Die Bedenken des Landesdatenschutzbeauftragten werden vom Ministerium
ausdrücklich nicht geteilt.“ Die Überwachung der Quarantäne-Anordnungen
liege nun in der Verantwortung der Landkreise und Städte.
Für Sachsen-Anhalts Datenschutzbeauftragten von Bose aber ist klar: „Dass
die Polizei im Einzelfall Daten erhält, ist zulässig, etwa wenn ein
Infizierter unter Quarantäne nicht zu Hause angetroffen wird. Aber eine
pauschale Übermittlung ist völlig unverhältnismäßig.“ Von Bose verweist
darauf, dass zeitweise in Sachsen-Anhalt ein ganzer Landkreis unter
Quarantäne stand. „Und diese Daten hätten alle übermittelt werden sollen?�…
Dass das Innenministerium den Erlass zurückzog, sei daher positiv, so der
Datenschützer.
Das Weiterreichen von Listen mit Corona-Patientendaten an die Polizei
[1][gab es auch in Bremen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern] -
auch hier protestierten Datenschützer oder Vertreter von Ärtzekammern.
Bremen stellte die Praxis darauf umgehend ein. In Mecklenburg-Vorpommern
legte das Gesundheitsministerium diese Woche eine Neuregelung vor: Nun kann
die Polizei nur noch im Bedarfsfall in den Gesundheitsämtern nachfragen, ob
sich im Einsatzort Corona-Infizierte befinden. Auch dürfen die Daten nur
anonymisiert und verschlüsselt an einen begrenzten Kreis von Polizisten
weitergegeben werden.
In Baden-Württemberg wiederum soll laut dem Datenschutzbeauftragten Stefan
Brink kommende Woche eine neue, datenschutzkonforme Verordnung zur
Datenübermittlung verabschiedet werden – auch hier nur noch für
Einzelfälle. [2][Auch Brink hatte anfangs vehement protestierte, nun zeigt
er sich zufrieden]: „Die rechtswidrige, listenmäßige Übermittlung ist
abgestellt.“
Inzwischen verfasste auch der Verbund der Datenschützer – die Konferenz der
unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder – eine
Entschließung zur Corona-Lage: „Krisenzeiten ändern nichts daran, dass die
Verarbeitung personenbezogener Daten stets auf einer gesetzlichen Grundlage
zu erfolgen hat“, heißt es dort. Gesundheitsdaten zählten dabei „zu den
besonders sensiblen Daten“. Der Schutz der Vertraulichkeit dieser Daten sei
„nicht nur rechtlich geboten, sondern auch notwendig“.
In Niedersachsen geht der Konflikt um die Datenweitergabe an die Polizei
dagegen weiter. Denn das Land hält weiter an der Übermittlung der
Corona-Patientendaten an die Polizei fest, auch die Polizei verteidigte
zuletzt die Praxis. Für Datenschützerin Barbara Thiel ein Unding: Sie
fordert „mit Vehemenz“ einen Stopp.
Thiel sind jedoch die Hände gebunden. Denn Sanktionsmöglichkeiten wie
Bußgelder besitzt sie nicht – ein „eindeutiges Versäumnis des
Gesetzgebers“, wie sie sagt. Der Vorgang um die Corona-Daten belege damit
„einmal mehr sehr deutlich, welchen niedrigen Stellenwert das Thema
Datenschutz offenbar in der niedersächsischen Landesregierung hat“.
24 Apr 2020
## LINKS
[1] https://netzpolitik.org/2020/daten-von-infizierten-polizei-sammelt-in-mehre…
[2] /Datenschutzbeauftragter-empoert/!5674992
## AUTOREN
Konrad Litschko
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