# taz.de -- Debatte um Corona-App: Das Wer und das Wo | |
> Auf Apps zur Nachverfolgung von Coronakontakten liegen große Hoffnungen. | |
> Bedenken dagegen sind berechtigt. In der Debatte fehlt Offenheit. | |
Bild: Viele potenzielle Corona-Kontakte, aber wie nachverfolgen? | |
Beginnen wir mit DLJ14I. Ein zufällig zusammengewürfelter Haufen Buchstaben | |
und Zahlen. DLJ14I, so könnte eine der temporären Nummern aussehen, wie sie | |
den Handynutzer:innen in den viel diskutierten Apps zur Nachverfolgung von | |
Coronakontakten zugewiesen werden. Oder anders: Diese Nummer ist ein | |
Beispiel. Entscheidend ist: [1][Um den Umgang mit derlei Nummern gibt es | |
gerade Streit]. Einen Streit, der sehr viele Menschen in Deutschland und | |
Europa betreffen wird. | |
Auf einer solchen App ruhen nämlich große Hoffnungen. So wie sich etwa | |
derzeit der Gesundheitsminister äußert, könnte man meinen, dass Sars-CoV-2 | |
durch die App schlagartig den größten Schrecken verlieren wird. | |
Die App ermittelt ständig, welche anderen Smartphones (mit derselben oder | |
einer kompatiblen App) sich in unmittelbarer Nähe befinden. Und warnt, wenn | |
der:die Besitzer:in eines Gerätes positiv getestet wurde. So können sich | |
alle, die die Person in den vergangenen Wochen getroffen hat, schnell in | |
Quarantäne begeben und getestet werden. Damit wäre die Infektionskette | |
frühzeitig unterbrochen. Für eine nennenswerte Schutzwirkung müssten 60 bis | |
70 Prozent der Bevölkerung die App nutzen, so die Schätzung. | |
[2][Verschiedene Grundgerüste für die App gibt es schon] und mindestens | |
eine App ist für Deutschland in der Entwicklung, nämlich vom Fraunhofer | |
Heinrich-Hertz-Institut. Unter anderem um diese App dreht sich der erwähnte | |
DLJ14I-Streit. Denn das Institut setzt auf eine Lösung, bei der die Frage, | |
zu wem die:der Nutzer:in mit der temporären ID DLJ14I Kontakt hatte, auf | |
einem zentralen Server berechnet wird. | |
## Zentral versus dezentral | |
Seit einiger Zeit mehrt sich nun Kritik an dieser Architektur. Denn in | |
Sachen Datenschutz ist diese zentrale Lösung nachteilig. Dabei verspricht | |
das Grundgerüst der App eigentlich guten Datenschutz: Es werden keine Namen | |
oder andere persönliche Daten erhoben und die Nähe zu anderen Nutzer:innen | |
wird nur mittels Bluetooth-Technologie ermittelt. Auch die temporären IDs, | |
die etwa alle halbe Stunde wechseln sollen, erhöhen den Datenschutz. | |
Der könnte allerdings durch eine zentrale Speicherung abgeschwächt werden. | |
Denn sobald Bewegungsprofile ersichtlich sind, lassen sich Personen auch | |
ohne Namen oder Adressen enttarnen. MIT-Forscher:innen haben schon 2013 | |
gezeigt, dass man nicht mehr benötigt als vier zufällig ausgewählte Punkte | |
zu Ort und Zeit, um 95 Prozent der Nutzer:innen zu identifizieren. Mit elf | |
Ort-Zeit-Punkten gelang es für 100 Prozent. | |
Auf dem vorläufigen Höhepunkt des Konflikts zentral versus dezentral haben | |
sich nun mehrere Hundert Wissenschaftler:innen in einem offenen Brief gegen | |
ein zentrales Modell ausgesprochen. Sie fürchten, dass Kontaktnetzwerke | |
erstellt werden könnten, also wer in den vergangenen Wochen mit wem Kontakt | |
hatte. Das lege eine Grundlage für andauernde Überwachung auch nach der | |
Pandemie. „Es ist entscheidend, dass wir aus der aktuellen Krise heraus | |
kein Werkzeug schaffen, das eine Datensammlung der Bevölkerung in großem | |
Stil erlaubt – weder jetzt noch später“, heißt es in dem Brief. | |
Schön wäre es, wenn die Verfechter:innen eines zentralen Ansatzes jetzt | |
sagen würden: Ah, da habt ihr recht, danke, wir ändern das. Das ist ein | |
Satz, der in Datenschutzfragen sowieso viel zu selten gesagt wird. Denn | |
dafür würde es eines brauchen: Offenheit. | |
## Eine informierte Wahl treffen | |
Und die fehlt vonseiten derer, die einen zentralen Ansatz vertreten. Denn | |
für den mag es Gründe geben. Zum Beispiel, dass eine Gesundheitsbehörde | |
mittels Kontaktnetzen herausfinden will, welche Personen viele Kontakte mit | |
anderen Menschen haben. Um denen dann ein höheres Risiko zuzuordnen. Oder | |
eben doch örtliche Bezüge herstellen will, um auf lokale Infektionsherde zu | |
schließen. Das alles müsste aber bitte offen kommuniziert werden: Ja, wir | |
wollen von euch folgende Daten – und damit das Folgende tun. Im Idealfall | |
könnten Nutzer:innen dann eine informierte Wahl treffen. | |
Sonst wird eine Währung, deren Wichtigkeit derzeit alle – egal ob sie für | |
ein zentrales oder dezentrales Modell sind – betonen, an Wert verlieren: | |
die Währung Vertrauen. Das geht schnell. Siehe die erste Corona-App in | |
Deutschland, die Testergebnisse an die getesteten Personen übermitteln | |
sollte, aber anfangs haufenweise Sicherheitslücken aufwies. | |
Wenn die Zentralitäts-Befürworter:innen nicht langsam ein paar Sachen | |
erklären, wird bei der [3][Nachverfolgungs-App] das Vertrauen angeknackst | |
sein, noch bevor sie auf den Markt kommt. | |
22 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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