# taz.de -- Tracking zur Pandemie-Eindämmung: Wie Corona-Apps funktionieren | |
> Smartphone-Daten sollen helfen, die Corona-Pandemie einzudämmen. Doch es | |
> gibt ganz unterschiedliche Ansätze – und Probleme. Ein Überblick. | |
Bild: Mit oder ohne App – schön Abstand halten! | |
## Das Dach: PEPP-PT | |
Das ist es: Ein recht grobes Konzept für das Nachverfolgen von Kontakten. | |
Smartphones lesen über eine App per Bluetooth ständig aus, welche anderen | |
Geräte mit einer entsprechenden App sich in der Nähe befinden. Das Kürzel | |
PEPP-PT steht für Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing. Also | |
einen länderübergreifenden Ansatz, wie ein datenschutzfreundliches | |
Nachverfolgen von Kontakten funktionieren kann. Wurde ein:e Nutzer:in | |
positiv getestet, alarmiert die App alle anderen Smartphones, die mit dem | |
Gerät der positiven Person in näherem Kontakt waren – und die diese oder | |
eine kompatible App installiert haben. Standortdaten oder persönliche Daten | |
sind dafür nicht notwendig und durch wechselnde IDs wird die Identität der | |
Nutzer:innen geschützt. | |
Die Vorteile: Apps, die auf dem Konzept basieren, sind datensparsam und | |
funktionieren länderübergreifend. Wer also irgendwann, wenn Reisen wieder | |
möglich wird, in ein anderes europäisches Land fährt, muss keine neue App | |
installieren. | |
Die Kritik: Einige Punkte schreibt PEPP-PT nicht vor. Etwa müssen Apps | |
unter diesem Dach nicht Open Source sein. Und sie können auf eine zentrale | |
Auswertung der Nutzer-IDs setzen, also einen zentralen Server, auf dem | |
gespeichert ist, welches Gerät wann mit welchem in Kontakt war. Das könnte | |
zu Missbrauch einladen. Denn ein zentraler Server muss von jemandem | |
verwaltet werden – etwa von einer Behörde. In einem Rechtsstaat mag man das | |
für ein vertretbares Risiko halten – aber ein unnötiges, da es eine bessere | |
Alternative gibt (siehe: Die Datenschützende). | |
Die Aussichten: An dem Projekt sind über 130 Mitglieder aus europäischen | |
Ländern und unterschiedlichen Branchen beteiligt, eine weite Verbreitung | |
ist wahrscheinlich. | |
## Die Schnellschüsse: GPS und Mobilfunkdaten | |
Das ist es: Über durch Standortdaten gewonnene Bewegungsprofile der | |
Handynutzer:innen sollen Kontaktpersonen identifiziert werden. | |
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte diese Idee bereits im März in | |
einen Gesetzentwurf schreiben lassen. Ins endgültige Gesetz schaffte sie es | |
aber nicht. | |
Die Vorteile: Um Standortdaten aus Mobilfunkzellen an die Behörden zu | |
geben, wäre kein Einverständnis der Nutzer:innen nötig. Denn die Daten | |
liegen bei den Mobilfunkprovidern. | |
Die Kritik: Die Daten von Mobilfunkzellen als auch die GPS-Daten sind zu | |
ungenau. Eine Mobilfunkzelle kann auch mal Quadratkilometer groß sein – | |
sollen dann alle, die zur selben Zeit in derselben Zelle eingebucht sind, | |
in Quarantäne? GPS ist deutlich genauer. Aber nur unter optimalen | |
Bedingungen. Auch hier würden zu viele Menschen als potenzielle | |
Kontaktpersonen eingestuft. Außerdem: Unterschiedliche Stockwerke in | |
Gebäuden erkennen GPS und Mobilfunk nicht. | |
Die Aussichten: Zuletzt [1][hatte die Leopoldina] freiwilliges GPS-Tracking | |
vorgeschlagen, das Thema scheint noch nicht vom Tisch. | |
## Die Überraschung: Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut | |
Das ist es: Eine App aus der Familie der Kontakt-Nachverfolgungs-Apps. Sie | |
soll, basierend auf Bluetooth, Smartphones in der Nähe erkennen und im | |
Fall eines positiven Coronatests andere App-Nutzer:innen, die sich in den | |
vergangenen Wochen in der Nähe aufgehalten haben, warnen. | |
Die Vorteile: Da es sich um eine App unter dem PEPP-PT-Dach handelt, wird | |
sie mit anderen europäischen Apps kompatibel sein. Und sie wird wohl auch | |
dessen Datenschutzvorzüge haben: etwa, dass keine Standortdaten übertragen | |
werden. | |
Die Kritik: Viele Details sind noch nicht bekannt. Zum Beispiel, ob sie | |
auch die strengeren DP-3T-Anforderungen erfüllen wird und Open Source ist. | |
Die Aussichten: Die Vorstellung der App wird in diesen Tagen erwartet. Wird | |
diese App entsprechend platziert und beworben, sind die Chancen hoch, dass | |
eine kritische Masse an Menschen in Deutschland sie nutzt. | |
## Die Datenschützende: DP-3T | |
Das ist es: Ein ziemlich detailliertes Konzept, wie eine | |
Corona-Nachverfolgungs-App datenschutzfreundlich gestaltet werden kann. Es | |
ist eines von mehreren Projekten unter dem gerade populären PEPP-PT-Dach. | |
Die wesentliche Punkte von DP-3T: Dezentralität, Anonymität, Nähe. Auch | |
hier läuft die Kontaktnachverfolgung über Bluetooth. Dadurch sollen nur | |
Kontakte zwischen Mobiltelefonen gespeichert werden, die sich tatsächlich | |
nah beieinander befanden. Um Anonymität zu gewährleisten, generieren die | |
Telefone dafür ständig neue temporäre IDs. Die werden verschlüsselt auf dem | |
Smartphone gespeichert. So kann niemand Drittes von einer ID auf eine | |
Person schließen. Bei einem positiven Coronatest erhält der:die Nutzer:in | |
einen Code, mit dem sich die Kontakte der vergangenen 14 Tage alarmieren | |
lassen. Dabei haben sich die Entwickler:innen technisch ein ziemlich | |
ausgefeiltes Verfahren ausgedacht. Mit dem stellen sie sicher, dass selbst | |
wenn jemand Unbefugtes den Netzwerkverkehr mitschneiden sollte, sich nicht | |
herausfinden lässt, ob ein:e Nutzer:in positiv ist oder nicht. | |
Das sind die Vorteile: Datenschutz, Anonymität, IT-Sicherheit. Und Open | |
Source sollen auf DP-3T aufbauende Apps auch noch sein. | |
Das ist die Kritik: Apps, die darauf aufbauen, werden echte Akkusauger. Zum | |
einen weil Bluetooth einiges an Energie frisst. Zum anderen weil die lokal | |
auf dem Gerät ausgeführten Rechenoperationen energieintensiv sind. | |
Das sind die Aussichten: Es gibt bereits eine Referenzimplementierung, also | |
ein Modell, wie eine App aussehen sollte. Jetzt kommt es darauf an, ob | |
wichtige Akteure wie Gesundheitsbehörden ihre Apps auf dem Konzept | |
aufbauen. | |
## Die Platzhirsche: Google & Apple | |
Das ist es: Eine klassische Version der Kontakt-Nachverfolgungs-Apps. Also: | |
Eine App, die, auf Bluetooth basierend, speichert, welche anderen | |
App-Teilnehmer:innen im Nahbereich waren. Ist eine:r positiv getestet, gibt | |
es für andere im Nahbereich einen entsprechenden Hinweis. | |
Das sind die Vorteile: Wenn die beiden großen Anbieter von | |
Smartphone-Betriebssystemen auf ein datenschutzmäßig zumindest okayes | |
Konzept setzen, dann setzt das Standards für die Branche. Wer dann noch | |
Nutzer:innen per GPS-Daten oder Mobilfunkzellen tracken will, muss sich | |
fragen lassen, warum. | |
Das ist die Kritik: Das Konzept von Google und Apple ist anscheinend noch | |
nicht so ganz ausgereift, und ein paar Fragen sind offen. Zum Beispiel eine | |
sehr entscheidende: [2][Wissen dann Google und Apple], dass ich positiv | |
getestet wurde? So, wie es derzeit aussieht, ließe sich die App in beide | |
Richtungen umsetzen. | |
Das sind die Aussichten: [3][Google und Apple machen nicht nur die | |
Betriebssysteme], sondern betreiben auch die App-Stores. Sie könnten also | |
eine App zum Erfolg pushen. | |
## Der Ausreißer: Corona-Datenspende des RKI | |
Das ist es: Streng genommen keine Kontakt-Nachverfolgungs-App, sondern eine | |
Corona-Datensammel-App. Wer ein Fitnessarmband oder eine Smartwatch nutzt, | |
kann die Daten daraus an das Robert-Koch-Institu (RKI) weiterleiten. Das | |
betrifft unter anderem Herzfrequenz und Körpertemperatur, aber auch Daten | |
über Aktivität und Schlaf. Das RKI will daraus auf fieberhafte Infekte | |
schließen und Coronaausbrüche frühzeitig erkennen. Die App fragt daher auch | |
die Postleitzahl ab. | |
Das sind die Vorteile: Klappt es, aus den gesammelten Daten frühzeitig | |
Rückschlüsse auf lokale Infektionsgeschehen zu schließen, dann ließe sich | |
daraus auch erkennen, ob Ausgangssperren wirken. Oder überlegen, ob es | |
diese an einem Ort, an dem sich das Virus ausbreitet, geben sollte. | |
Das ist die Kritik: Die Software ist nicht Open Source – ob sie also macht, | |
was sie machen soll, lässt sich von außen nicht einfach überprüfen. | |
[4][Datenschützer:innen kritisieren: Wer die Daten bekommt,] sei für | |
Nutzer:innen nicht zu erkennen, ebenso wenig, wie lange die Informationen | |
aufbewahrt werden oder wie sie sich löschen lassen. Denn die App wurde | |
nicht vom RKI programmiert, sondern von einer beauftragten Firma. | |
Das sind die Aussichten: Die Zahl der Menschen, die die App heruntergeladen | |
haben, liegt mittlerweile im sechsstelligen Bereich. Laut Branchenverband | |
Bitkom nutzen 36 Prozent der Deutschen mindestens gelegentlich eine | |
Smartwatch. Es ist also noch Luft nach oben. | |
17 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Corona-Stellungnahme-der-Leopoldina/!5675529 | |
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[4] /Neue-App-des-Robert-Koch-Instituts/!5674805 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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