# taz.de -- Smartphones im Kampf gegen Corona: Das Datenschutz-Dilemma | |
> Darf der Staat den Datenschutz vorübergehend aussetzen, um das Leben | |
> vieler Menschen zu schützen? In Südkorea ist die Frage längst | |
> beantwortet. | |
Bild: Schon seit Anfang Februar werden Südkoreaner wie hier in Seoul über ihr… | |
BERLIN taz | Südkorea ist eines der technikgläubigsten Länder der Welt. Als | |
die Infektionszahlen dort im Februar deutlich anzusteigen drohten, machten | |
sich die Programmierer ans Werk, um ihren Teil zur Eindämmung der Epidemie | |
beizutragen. Ein Großteil der Bürger lud Apps wie „Corona 100m“ oder | |
„Corona Map“ auf ihre allgegenwärtigen Smartphones, um ihre [1][Daten für | |
den Kampf gegen das Virus] zur Verfügung zu stellen. | |
Der Blick aufs Display verrät ihnen im Gegenzug, ob sich bestätigt positive | |
Fälle in ihrer Nähe befinden. Nutzer erhalten zudem einen Hinweis, wenn | |
sich herausstellt, dass einer ihrer engen Kontakte der vergangenen Woche | |
positiv auf das Coronavirus getestet wurde. | |
In solchen Fällen macht der Staat sogar alle aufgesuchten Orte der | |
Infizierten online einsehbar. Die Behörden wissen sogar, wann die | |
Betreffenden in welchem Imbiss etwas gegessen haben – [2][und teilen diese | |
Informationen auch über die Apps]. | |
In Südkorea hat die Technik dazu beigetragen, die Überträger zu erfassen | |
und die Seuche zügig einzudämmen. | |
## „Verhältnismäßige“ Maßnahmen | |
Diese Erfolge stellen die deutsche Gesellschaft vor ein Dilemma: Die | |
Privatsphäre ist kostbar, und eine vorübergehende Pandemie soll nicht das | |
Tor zu größerer Überwachung aufstoßen. Doch zugleich steht das hohe Gut des | |
Datenschutzes hier gegen den Schutz von Menschenleben – das macht die | |
Abwägung so schwierig. | |
Die Organisation Human Rights Watch glaubt, dass Südkorea mit der Erfassung | |
aller Details aus dem Leben potenzieller Überträger zu weit geht – Pandemie | |
oder nicht. Auch der deutsche [3][Datenschutzbeauftragte Ulrich Kelber | |
betont], alle Maßnahmen müssen „verhältnismäßig“ sein. | |
Doch es gibt auch zahlreiche Abstufungen und Kompromisse in der Nutzung von | |
Handydaten, um Übertragungsketten nachzuvollziehen. | |
Digital-Staatsministerin Dorothee Bär sprach sich bereits grundsätzlich | |
dafür aus, Apps zur Rückverfolgung von Infektionsketten zu nutzen. | |
[4][Dagegen hätte auch Kelber nichts.] | |
Der Digitalverband Bitkom fordert dazu auf, die Chancen der Digitalisierung | |
nicht ungenutzt zu lassen, um Menschenleben zu retten. | |
## Zusammenbruch der Privatssphäre | |
Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Der südkoreanische Weg stellt das | |
eine Extrem dar. Das Land nutzt ein verschärftes Infektionsschutzgesetz aus | |
dem Jahr 2015, um die nötigen Daten zentral zu sammeln. Sobald eine | |
gefährliche Epidemie erkannt wird, [5][brauchen die Behörden keine | |
Genehmigung mehr] zur Speicherung und Verknüpfung aller Informationen, die | |
zur Eindämmung nützen können. | |
Seitdem häufen sich die Berichte über den Zusammenbruch der Privatsphäre | |
von Infizierten. Für einen Bürger listete die Regierungswebseite einen | |
Aufenthalt in einer Therapiesitzung auf, die er wegen sexueller Übergriffe | |
besuchen musste – für alle Welt sichtbar, für die Medien, den Arbeitgeber, | |
Freunde und Verwandte. [6][Das berichtet der Sender BBC.] Auch Bilder von | |
Überwachungskameras fließen in die Totalerfassung ein. | |
Eine Stufe weniger übergriffig ist das Vorgehen in Ländern wie Singapur und | |
nun auch Österreich, das mit „Stopp Corona“ eine entsprechende App | |
einsetzt. Diese weisen anonymisiert auf zurückliegende Kontakte mit | |
Infizierten hin, wenn es sie gegeben hat. [7][Die Installation ist | |
freiwillig.] | |
Bär hält sie für ein geeignetes Modell für Deutschland – schließlich sti… | |
der Benutzer wie bei anderen Apps der Verarbeitung der Daten zu. Auch | |
deutsche Entwickler arbeiten im Auftrag des Robert-Koch-Instituts an so | |
einer Anwendung. | |
## Freiheit gegen Freiheit | |
Eine dritte Möglichkeit kommt ganz ohne eigene Apps oder Sonderbefugnisse | |
der Regierung aus – und auch sie ist in Deutschland in der Diskussion: Die | |
Mobilfunkfirmen wie Telekom, Vodafone und O2 orten ihre Nutzer nämlich | |
ohnehin zumindest annäherungsweise. | |
Sie können an der Stärke der Funksignale ablesen, wie weit jedes Handy von | |
den umliegenden Mobilfunkmasten entfernt ist. Auch damit lassen sich | |
Bewegungstagebücher von Bürgern anlegen. | |
Auch wenn das Vorhaben nach Kritik aus der SPD auf Eis liegt, hat | |
Gesundheitsminister [8][Jens Spahn weiter große Sympathie für diese Idee]: | |
„Wir stehen möglicherweise vor der Frage, ob wir bestimmte Freiheiten des | |
Alltags leichter zurückbekommen können, wenn es gleichzeitig möglich ist, | |
sehr schnell Infektionsherde zu erkennen.“ | |
31 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.sciencemag.org/news/2020/03/cellphone-tracking-could-help-stem-… | |
[2] https://www.voanews.com/science-health/coronavirus-outbreak/south-koreas-co… | |
[3] https://twitter.com/UlrichKelber/status/1241666725378174976 | |
[4] https://twitter.com/UlrichKelber/status/1243876829477380096 | |
[5] https://www.lawfareblog.com/lessons-america-how-south-korean-authorities-us… | |
[6] https://www.bbc.com/news/world-asia-51733145 | |
[7] https://www.roteskreuz.at/site/faq-app-stopp-corona/ | |
[8] https://www.tagesschau.de/inland/corona-handydaten-103.html | |
## AUTOREN | |
Finn Mayer-Kuckuk | |
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