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# taz.de -- Durch die Nacht: Lecker essen im Tresor
> Wie geht die Berliner Clubszene mit Corona um? Wann Clubs wieder öffnen
> dürfen, steht in den Sternen. Manche werden jetzt zu Gartenrestaurants.
Bild: Gibt's hier etwa bald Burger? Der verwaiste Eingangsbereich vor dem Bergh…
Berlin taz | Wie sieht die Zukunft der Clubkultur in Zeiten der Pandemie
aus? Irgendwann muss da ja mal wieder mehr kommen als Streams von DJs, die
vor leeren Dancefloors auflegen. Zwei ziemlich unterschiedliche Wege raus
aus der Krise wurden nun aufgezeigt, auf die ich bis vor Kurzem kaum
gekommen wäre. Der eine ist der Drive-in-Rave, organisiert von
irgendwelchen Diskothekenbetreibern.
Partyhungrige fahren mit ihren tiefergelegten Golf GTI auf einen Parkplatz,
durch die Windschutzscheiben sieht man einen DJ, man wedelt wie verrückt
mit Leuchtstäben, als wären die Neunziger noch nicht vorüber, und versucht
dabei verzweifelt, im Autositz den Körper irgendwie in Bewegung zum Bumbum
aus dem Autoradio zu bekommen. Filmaufnahmen dieser Events zeigen junge
Menschen hinterm Lenkrad, die „Geile Party!“ und „Wahnsinn!“ brüllen u…
wirken, als nähmen sie gerade an der Neuerfindung der Loveparade teil. Man
muss wahrscheinlich mit dabei gewesen sein, um das verstehen zu können.
Erst ein paar dieser Veranstaltungen gab es, aber der Zuspruch war so groß,
dass es jetzt erst so richtig losgehen soll. Die Autoraves sind sogar
bereits ein deutscher Exportschlager. Die Welt schaut gerade auf
Deutschland – nicht nur, um zu sehen, wie die das mit dem Profifußball
wieder hinkriegen, sondern auch, wie hier der Neustart der Feierei begangen
wird. Zum Beispiel in England wurden sofort zig dieser Parkplatzpartys bei
den Behörden angemeldet.
Für Berlin scheint das aber eher nichts zu sein. Zu prollig. Da hilft
wahrscheinlich nicht einmal der Einwand, dass man hier wenigstens den Sex
auf der Rückbank hinbekommen kann, der auf der Clubtoilette gerade nicht zu
haben ist. Nicht einmal vom Club Matrix, der sonst nicht gerade für die
feingeistigsten Partykonzepte bekannt ist, sind Pläne in diese Richtung
bekannt. Hier in Berlin geht man andere Wege: Statt in einer
Mainfloorstimmung wie die Parkplatzraver suchen die Clubs ihr Glück eher
in der Chill-out-Variante: Sie verwandeln sich in Restaurants und
Biergärten. Nicht Tanz und Exzess, sondern Bier und Pizza gibt es, nicht
Peak-Hour-Techno legt der DJ auf, sondern etwas, das dinieren und
entspannen gepflegt begleiten soll.
## Schlangen gibt’s ja jetzt vor jedem Supermarkt
Ein paar Berliner Läden haben mit ihrem neuen Coronakonzept bereits
losgelegt, etwa das Birgit&Bier und das Sisyphos. Andere, etwa das About
Blank, wollen bald folgen. Erste Impressionen zeigen die Clubs derart
verwandelt, dass man sich an das neue Bild wohl erst einmal gewöhnen muss.
Sicherheitsabstände statt wilden Treibens, den Platz bitte nur dann
verlassen, wenn man auf die Toilette muss. Vielleicht bleiben wenigstens
die Schlangen vor den Eingängen erhalten, die bilden sich inzwischen ja
sogar vor jedem Supermarkt.
Mitmachen können bislang allerdings nur diejenigen, die auch über einen
Garten verfügen, weil es sich in den dunklen Innenräumen der Clubs, wo es
vielleicht noch ein wenig nach Schweiß riecht, eben nicht so gemütlich
speisen lässt. Aber auch für die anderen, die nicht über gemütliche
Freiflächen verfügen, hat sich die immer wieder findige Berliner
Clubcommission bereits etwas überlegt. Ihnen sollen bestimmte Straßen und
Plätze möglichst kostenlos zur Nutzung überlassen werden. Wo diese
Örtlichkeiten im eng gewordenen Berlin zu finden sein sollen, das steht
leider nicht in dem Planungspapier der Clubcommission. Vielleicht eröffnen
ja demnächst die Clubs reihenweise Bierschänken und Speiselokale auf dem
Tempelhofer Feld, das würde dann zur neuen Berliner Partymeile werden.
Für so manchen Anwohner, etwa an der Lohmühleninsel, wo sich Club an Club
reiht, wird das Konzept der Clubcommission eher wie eine Drohung wirken.
Hier wird sich mancher wahrscheinlich über Corona gefreut und insgeheim
gehofft haben, dass ein Impfstoff gegen den Virus nie gefunden werden möge.
Doch nun soll es heißen: Noch mehr Konzentration nach draußen, noch mehr
Open Airs.
Ich bin gespannt, wie das werden wird, wenn tatsächlich immer mehr der rund
280 Berliner Clubs ihre Laube im Freien bespielen. Wird man dann sagen:
„Ey, lass uns mal wieder zum Tresor gehen, die haben so eine gute Küche“?
22 May 2020
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
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