# taz.de -- Berlins Nachtleben und Corona: Tanzbar ist das nicht | |
> Weil Clubs wegen Corona nicht öffnen dürfen, verwandeln sich einige in | |
> Restaurants und Biergärten. Ein Streifzug durch das neue Berliner | |
> Nachtleben. | |
Bild: Corona-Nightlife in der Wilden Renate | |
Eine Tour durch Berliner Clubs bedarf derzeit ganz anderer | |
Vorbereitungsrituale als sonst. Vorgeglüht wird mit einem | |
Nachmittagskaffee, damit man dann spätestens zur Abendbrotzeit langsam im | |
Laden seiner Wahl eintrudelt – um 22 Uhr ist ja schon wieder Schluss. | |
Gegessen wird vorher nichts, denn Dinner wird jetzt in den Clubs serviert. | |
Und die Drogen kann man sowieso getrost zu Hause lassen. | |
Seit gut zwei Wochen haben Berliner Clubs – zumindest jene, die über | |
Freiflächen verfügen – teilweise wieder geöffnet. Öffnen dürfen sie aber | |
nur als Biergärten und Gaststätten: Die Dancefloors bleiben geschlossen, | |
auch in den Außenbereichen. | |
Die Wilde Renate in Alt-Stralau hat sich dementsprechend von einem Ort, der | |
nicht zuletzt für ausschweifende, sexpositive Partys bekannt ist, in einen | |
verwunschenen, mit Efeu überwucherten Garten mit hohen Bäumen verwandelt. | |
Ein Springbrunnen plätschert vor sich hin, in einer Ecke steht ein | |
verrosteter Trabi. Es gibt eine Feuerstätte, an der man sich in etwas | |
frischeren Abendstunden versammelt. Gäste hocken in Booten, die als | |
Sitzgelegenheiten dienen, es läuft entspannter Soul. Zu speisen gibt es | |
venezolanische Arepas, also gefüllte Maisfladen. | |
Tomtom, Mitarbeiter der Wilden Renate, setzt sich in den kleinen Pavillon | |
des Gartens, an dessen Decke ein Kronleuchter hängt: „Uns ist sehr bewusst, | |
dass besonders Clubs im Fokus stehen, deswegen achten wir recht penibel auf | |
die Einhaltung der Hygieneregeln.“ Dazu gehört auch eine Maskenpflicht im | |
Eingangsbereich, auf dem Sitzplatz geht es dann auch ohne. „Die Leute haben | |
das Konzept gut angenommen“ sagt er und fügt dann noch ein „überraschend | |
gut“ hinzu. Er glaubt: „Die meisten Besucher sind einfach froh, wieder | |
ausgehen zu können.“ | |
Für maximal 140 Personen gebe es aufgrund der Abstandsregelungen Platz im | |
Garten, so Tomtom, gelegentlich lege für diese auch mal ein DJ auf, aber | |
„eher gemäßigte Töne“. Loungemusik statt Partymucke eben. | |
Drei junge Frauen haben es sich gerade an einem der Tische bequem gemacht | |
und Bier bestellt. Warum seid ihr hier? Einfach nur um den schönen Tag zu | |
genießen, lautet die Antwort. Zwei Gäste, die in einem der Boote sitzen und | |
nur mit Vornamen in der Zeitung erscheinen wollen, werden da schon | |
konkreter. Sie seien bewusst hier, um ihre Solidarität mit diesem Ort | |
auszudrücken. Andrea betont, dass die Wilde Renate eben auch ein wichtiger | |
Platz für die queere Szene in Berlin sei, „ein Schutzraum“, den sie | |
unterstützen möchte. Ben sagt, er habe sein Atelier um die Ecke, der Club | |
sei eine Art zweites Zuhause für ihn. Er habe erst gerade wieder zehn Euro | |
Trinkgeld gegeben – nicht, weil er nicht wisse, wohin mit seinem ganzen | |
Geld, sondern weil er in der Krise helfen möchte. | |
Weiter geht es zum Sisyphos an der Rummelsburger Bucht, das von Club- auf | |
Restaurantbetrieb umgestellt hat. Am Eingang herrscht geschäftiges Treiben. | |
Jeweils Zweiergruppen wird Einlass gewährt. „Deutsch oder Englisch?“, wird | |
man gefragt, dann gibt es Instruktionen über den Ablauf beim Besuch des | |
Clubs. Man bekomme einen Tisch zugewiesen, erklärt das Personal, und werde | |
auch an diesem bedient. Letztlich genau wie in einem normalen Restaurant? | |
Genau so. Nur dass am Eingang noch steht: „Eintritt gegen Spende – | |
Spendenempfehlung 2–10 Euro.“ | |
Und die Handykamera möge man bitte zukleben. Wahrscheinlich, um das | |
Erlebnis Clubbesuch irgendwie doch noch zu simulieren, obwohl es viel | |
Aufregenderes als sein eigenes Tellergericht wahrscheinlich nicht | |
abzufotografieren gibt. | |
Aber wirklich herauszufinden war das erst einmal nicht. Zuerst wurden Autor | |
und Fotograf noch als die „Genossen“ von der taz begrüßt, als man sich | |
vorstellte. Dann kommt jedoch die Sache mit dem Fotografierverbot zur | |
Sprache, wir würden ja schließlich auch ganz gerne Fotos machen, wo wir | |
schon einmal hier sind. Ein gewisser Sven – der Night-Manager des Clubs – | |
begrüßt uns nun. Fotos: Lieber nicht. Okay. Ob man sich denn nun aber | |
wenigstens als eine Art Gast mal kurz den Restaurantbetrieb ansehen könne? | |
Doch irgendwie ist unser Kredit als „Genossen“ jetzt aufgebraucht. Nein, | |
meint Sven, das gehe jetzt auch nicht mehr und er müsse von seinen | |
„Hausrecht“ Gebrauch machen. Also: kein Einlass für die Presse. | |
Immerhin kann das Sisyphos jetzt von sich sagen, es habe als Restaurant | |
eine vielleicht noch härtere Tür denn als Club. | |
Viel relaxter ist da die Lage vor dem About Blank in Friedrichshain. Dort | |
hängt ein Mitarbeiter des Ladens über seinem Laptop, ein paar Meter vor ihm | |
stapeln sich ein paar Bierkästen. „Wollt ihr ein Bier?“, werden wir | |
gefragt, die Flasche kostet bloß 1,80 Euro. Das Zeug müsse irgendwie | |
langsam mal weg, aber leider sei hier in der Nähe kaum Laufkundschaft. | |
Uns interessiert aber vielmehr: Was ist denn nun mit dem sogenannten | |
Sektgarten, den der Club auf seiner Freifläche plane, wie man so hört? | |
Genau darum gehe es bei dem Teammeeting, dass gerade eben stattfinde, so | |
der About-Blank-Mann. Deswegen auch der Laptop auf seinen Knien. Die | |
neueste Info dazu laute aber: Etwas Konkretes könne man immer noch nicht | |
sagen. Dann verabschiedet sich der lässige Bierverkäufer in die | |
Betriebskonferenz und formt dazu mit einer Hand noch ein Peace-Zeichen. | |
Anders als das About Blank hat der Club der Visionäre auf der | |
Lohmühleninsel wieder geöffnet, am Pfingstmontag zum ersten Mal seit Beginn | |
des Corona-Lockdowns. Der Club ist gut gefüllt, vor dem Eingang wird die | |
Warteschlange immer länger. Doch da kommt auch schon die Polizei in | |
Mannschaftsstärke vorbeigefahren. Es sei berichtet worden, dass hier ein | |
Club wieder geöffnet habe, sagen die BeamtInnen – und Clubs, das sei ja | |
schließlich bekannt, dürften noch nicht wieder öffnen. | |
Eigentlich hat auch der Club der Visionäre alles dafür getan, | |
Corona-Auflagen-tauglich zu erscheinen. Man wird am Eingang über das Tragen | |
von Masken informiert, über die Abstandsregeln, über all das, was halt | |
gerade so wichtig ist. Nur etwas Entscheidendes fehle, informiert die | |
Polizei: eine Schankgenehmigung. Denn auch der Club der Visionäre biete nun | |
Speisen an, dafür brauche es aber die Genehmigung. | |
Die Polizei ist geduldig, es wird viel herumtelefoniert. Mitarbeiter des | |
Clubs bieten den Polizisten Wasser an, es gebe die Schankgenehmigung, ja, | |
nur sei sie gerade nicht auffindbar. Immerhin ist das Wetter für alle viel | |
zu schön, um sich über irgendetwas aufzuregen. | |
Wir schauen währenddessen noch ein Stückchen weiter, ums Eck, in das Birgit | |
& Bier am Schleusenufer. Normalerweise ist dieses ein Club mit Biergarten, | |
jetzt ist er halt nur noch ein Biergarten. Robert Kreissel, der Inhaber, | |
führt in einen abgesperrten Bereich, der normalerweise als | |
Open-Air-Dancefloor dient. Dort essen jetzt seine Kinder gerade Pizza, | |
aktuell ist das auch das Standardgericht in seinem Laden. Trotz Gastronomie | |
und allen Bemühungen: Mehr als ein Zehntel Umsatz im Vergleich zum normalen | |
Clubbetrieb komme so nicht zusammen. | |
Um die 100 Leute haben derzeit in seinem Außenbereich Platz, sagt er, | |
„normalerweise sind es drei bis vier Mal so viele“. Statt des sonst | |
üblichen Self Service gebe es Bedienung an den Tischen, „die Leute sollen | |
sich einfach möglichst wenig bewegen“. Auf den Einsatz von DJs verzichte er | |
gleich ganz, sagt Geschäftsführer Kreissel, „damit die Gäste nicht doch | |
aufstehen und zu tanzen anfangen“. Gerade läuft „The Way It Is“ von Bruce | |
Hornsby. Bei dem Stück besteht eine derartige Gefahr tatsächlich wohl eher | |
nicht. | |
Noch einmal zurück beim Club der Visionäre: Es wird immer noch mit der | |
Polizei lamentiert. Nun bestimmt schon eineinhalb Stunden lang. Ein | |
Polizist schaut auf die Uhr. Bald ist es 22 Uhr. Dann ist hier für heute | |
so oder so Schluss. | |
2 Jun 2020 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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