| # taz.de -- Chinas Volkskongress tagt: Demonstration absoluter Macht | |
| > Xi Jinping wird einstimmig zum Präsidenten, Parteivorsitzenden und | |
| > oberstem Militär gewählt. Er wird die Umgestaltung Chinas fortführen. | |
| Bild: Xi Jinping bei der Vereidigung zu seiner dritten Amtszeit | |
| Peking taz | Die rechte Faust in die Luft gehoben, die linke Hand fest auf | |
| dem roten Verfassungsbuch: Als [1][Xi Jinping] am Dienstag in der Großen | |
| Halle seinen Amtseid schwor, war dies eine beeindruckende Demonstration | |
| absoluter Macht. Selten schien ein chinesischer Staatschef selbstbewusster | |
| und siegessicherer. | |
| Natürlich war im Vorhinein bereits klar, dass die 2.592 Abgeordneten des | |
| Volkskongresses Xi Jinping mit einem „nordkoreanischen“ Wahlergebnis zur | |
| dritten Amtszeit krönen werden. Dass er jedoch keine einzige Enthaltung | |
| bekommen würde, war dann doch ein deutliches Signal. Xi hält sämtliche drei | |
| wichtigen Titel, wobei das Präsidentenamt vor allem symbolischer Natur ist. | |
| Wirklich entscheidend ist, dass Xi die Partei und das Militär anführt. | |
| Seine Wiederwahl legt auch offen, wie atemberaubend rasant Xi das Land | |
| umgestaltet hat. Längst mutet allein der Gedanke, dass Chinas mächtiger | |
| Staatschef sein Amt für einen Nachfolger räumen könnte, geradezu | |
| unvorstellbar an. Dabei war nur wenige Jahre zuvor das genaue Gegenteil der | |
| Fall: Dass ein Machthaber eine [2][dritte Amtszeit] reklamieren könne, | |
| schien regelrecht ausgeschlossen. Die Verfassung machte es klar: Nach | |
| maximal zehn Jahren – zwei Amtszeiten – muss der Rückzug folgen. | |
| Denn nachdem der alternde, zunehmend vom exzessiven Persönlichkeitskult | |
| umnebelte Staatsgründer Mao Tsetung das Land in politisches Chaos und | |
| wirtschaftliche Hungersnot gestürzt hatte, wollte sein Nachfolger Deng | |
| Xiaoping eine Wiederholung der Geschichte unmöglich machen. Die Führung der | |
| Kommunistischen Partei legte fortan eine Begrenzung der Amtszeit fest, an | |
| die sich sämtliche Parteivorsitzende bislang hielten. Erst Xi Jinping hat | |
| das Gesetz wieder entfernen lassen – und sich potenziell als Machthaber auf | |
| Lebenszeit positioniert. | |
| ## Von der Öffentlichkeit abgeschottet | |
| Einige Experten vermuten, dass Xi, der sich mit seiner flächendeckenden | |
| [3][Anti-Korruptionskampagne] unzählige Feinde innerhalb der politischen | |
| und unternehmerischen Elite gemacht hat, auch deshalb an der Macht | |
| festhält, weil ihm kein friedlicher Ruhestand gegönnt sein würde. Doch | |
| viele westliche Diplomaten halten eine andere Intention für | |
| ausschlaggebender: Xi, der von der historischen Vision eines erstarkten | |
| China getrieben ist, möchte die „Wiedervereinigung“ mit dem demokratischen | |
| Inselstaat [4][Taiwan] noch zu Lebzeiten vollziehen. | |
| Was die Bevölkerung von seiner dritten Amtszeit hält, ist eine Frage, deren | |
| offene Debatte die Parteiführung nicht duldet. Wer den Präsidenten in der | |
| Öffentlichkeit grundsätzlich in Frage stellt, wird von der Polizei | |
| verhaftet. | |
| Und online sorgen die Zensoren vor: Wer den Hashtag „Xi Jinping zum | |
| Präsidenten gewählt“ auf der führenden Online-Plattform Weibo eingab, wurde | |
| schon bald auf eine Fehlermeldung weitergeleitet: „Es tut uns leid, es | |
| wurden keine relevanten Ergebnisse gefunden“. Offensichtlich kamen die | |
| Zensoren mit dem Löschen der Kommentare nicht mehr hinterher, sodass sie | |
| für gewisse Zeit die wichtigste Nachricht des Tages schlicht gänzlich | |
| blockierten. Genau wie in der Großen Halle des Volkes duldet die | |
| Staatsmacht auch innerhalb der 1,4 Milliarden Chinesen nur eine einzige | |
| Stimme. | |
| Dementsprechend ist auch zu erklären, dass die allermeisten Chinesen die | |
| Wahl wahrgenommen haben, als hätte sie auf einem anderen Planeten | |
| stattgefunden: Zu fernab von der eigenen Realität erscheint das | |
| Polit-Schauspiel in Peking, auf dessen Resultate man ja ohnehin keinen | |
| Einfluss ausüben kann. | |
| ## Der Einfluss der Partei steigt in allen Bereichen | |
| Für die nächsten fünf Jahre Xi Jinping muss sich insbesondere der Westen | |
| weiterhin auf eine harsche [5][„Wolfskrieger“-Rhetorik] einstellen. | |
| Innenpolitisch wird das Klima der ideologischen Kontrolle ebenfalls | |
| anhalten. Wirtschaftlich dürfte Xi vor allem den Kampf gegen die wachsende | |
| Ungleichheit fokussieren, und technologisch wird er die Entwicklung zur | |
| nationalen Autarkie beschleunigen. | |
| Auch wird der Einfluss der Partei in sämtlichen Bereichen weiter zunehmen. | |
| Das ist insbesondere für die in China tätigen internationalen Unternehmen | |
| von Relevanz: Zwar hat sich die KP in vergangenen Jahrzehnten durchaus mit | |
| wirtschaftsfreundlichem Pragmatismus bezahlt gemacht, allerdings in | |
| jüngster Zeit wieder deutlich die ideologische Kontrolle in den Vordergrund | |
| gestellt. | |
| Vor allem aber agiert die nach leninistischem Vorbild gestaltete Partei | |
| vollständig hinter verschlossenen Türen: Sie erklärt sich nicht, legt keine | |
| Rechenschaft ab und agiert ausschließlich nach Eigeninteressen. Gerade für | |
| Investoren, die Planbarkeit und Zuverlässigkeit benötigen, sind das keine | |
| guten Voraussetzungen. | |
| Inmitten dieses politischen Klimas wird der am Samstag gewählte | |
| [6][Premierminister] versuchen müssen, die Volkswirtschaft nach zweieinhalb | |
| Jahren „[7][Null Covid]“ wieder auf den alten Wachstumskurs zu bringen. Es | |
| steht bereits praktisch fest, dass Li Qiang den Posten als neue „Nummer 2“ | |
| bekommen wird. Wie sämtliche Männer des Führungsteams ist auch der | |
| 63-Jährige ein enger Vertrauter Xi Jinpings. | |
| Als Parteisekretär von Shanghai holte er Tesla in die Finanzmetropole und | |
| gilt unter vielen Unternehmern als pragmatisch sowie bodenständig. Doch | |
| gleichzeitig implementierte Li Qiang vor genau einem Jahr einen radikalen, | |
| zweimonatigen [8][Corona-Lockdown], der die wohlhabendste Stadt des Landes | |
| schwer traumatisierte und die Wirtschaft zum Erliegen brach. Mutmaßlich | |
| führte Li damals „nur“ die Order aus, die ihn aus Peking ereilte – und | |
| wurde nun für seine Loyalität befördert. | |
| 10 Mar 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Fabian Kretschmer | |
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