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# taz.de -- KP-China beendet Parteikongress: Dritte Amtszeit für Xi Jinping
> Seit Mao war kein Führer der KP-China mehr so mächtig wie Xi. Er schart
> loyale Gefolgsleute um sich, Vorgänger Hu wird demütigend entfernt.
Bild: Xis Vorgänger Hu Jintao wird aus der Großen Halle des Volkes geführt, …
Peking taz | Als sich Sonntagmittag in Pekings Großer Halle des Volkes die
goldene Tür öffnete, schritten die sieben mächtigsten Männer des Landes vor
das Blitzlichtgewitter der Presse. Und was für eine Machtdemonstration Xi
Jinping in diesem historischen Moment aufs Parkett legte! Sämtliche Kader
des Ständigen Ausschusses, die künftig Chinas Kurs bestimmen, sind entweder
ideologische Loyalisten oder langjährige Vertraute des 69-Jährigen. Seine
Kontrolle des inneren Parteizirkels dürfte nun absolut sein
Der wohl größte Pauken-schlag: Direkt hinter Xi folgte der Technokrat Li
Qiang, der damit als künftiger Premierminister gilt – also jenem Amt, das
sich unter anderem um Chinas Wirtschaft kümmert. Für viele Konzernvorstände
dürfte dies ein Schreckensszenario sein. Denn Li implementierte als
Bürgermeister von Schanghai im Frühjahr den wohl welt-weit größten
Covid-Lockdown, bei dem die meisten der über 25 Millionen Einwohner zwei
Monate in ihren Wohnungen und zu Hunderttausenden in unwürdige
Quarantänelagern eingesperrt wurden.
Das sorgte nicht nur für unfassbares Leid, da zwischenzeitlich die
Nahrungsmittelversorgung in Chinas wohlhabendster Stadt zusammenbrach. Vor
allem war der Lockdown auch ein riesiger ökonomischer Schlag gegen die
Finanzmetropole, von dem sie sich womöglich nie mehr ganz erholen wird. Zu
schwer wiegt der traumatische Imageschaden der voll-ständigen Abriegelung
Schanghais. Damals hätte jeder Experte vermutet, dass Li Qiangs Karriere
beendet sein würde. Doch im System Xi wird er für seine dogmatische Art
sogar noch zu Chinas zweitmächtigstem Mann befördert. Seine Leistung war
schlicht, absolut loyal Pekings Befehle ausgeführt zu haben. Darauf kommt
unter Xi an: absolute Loyalität statt Pragmatismus oder Fachkompetenz.
## Der Fokus auf Wachstum ist passé
Europäischen Firmenvertretern in China dürfte damit spätestens jetzt klar
werden, dass sich die ökonomischen Interessen verstärkt ideologischen
Prinzipien und politischer Kontrolle unterordnen müssen. Der Fokus auf
Wachstum ist passé. Den Apparatschiks fehlt es mittlerweile vollständig an
einem ausgleichendem Element innerhalb des Ständigen Ausschusses. Sämtliche
Wirtschaftsreformer und Pragmatiker, allen voran der bisherige Premier Li
Keqiang und sein Vertrauter Wang Yang, gehen nun in Rente oder wurden
womöglich ins politische Aus gedrängt.
Li Keqiang war der vielleicht letzte Kader, der bei seinen öf-fentlichen
Auftritten die realen Probleme der gemeinen Bevöl-kerung ansprach, statt
nur ideologische Floskeln zu dreschen. Dabei hatte der Ökonom zuletzt
praktisch nur noch wenig zu sagen. Doch nun werden Leute wie er vollständig
verstummen.
Am Samstag war es noch zu einem symbolischen Eklat ge-kommen: Bei der
Abschlusszeremonie des Parteitags, kurz nach-dem die internationale Presse
auf der Zuschauertribüne Platz genommen hat, wurde Ex-Präsident Hu Jintao
von einem Ordner des Saales verwiesen. Der 79-Jährige, dem die Abneigung
ins greise Gesicht geschrieben stand, wehrte sich mehrfach, mochte
offensichtlich nicht gehen. Als er unter Zwang hinaus eskortiert wird,
versucht er sich noch mit einer Hand an der Schulter Xi Jinpings
festzuhalten, doch dieser schaut nur auf den Boden.
## Der Beginn einer neuen Ära
Warum es zur öffentlichen Demütigung kam, wird man wegen der
Verschlossenheit der Parteispitze wohl nie erfahren. Doch symbolisieren die
Bilder den Beginn einer neuen Ära: Die alte Volksrepublik der Nullerjahre,
verkörpert durch Hu, muss abtreten, um Platz für das neue China unter
Alleinherrscher Xi zu machen.
Drei Theorien kursieren als Erklärungsversuche: Die Staatsmedien führen Hus
schlechte Gesundheit als Grund für dessen Abgang an. Dabei teilte Chinas
Nachrichtenagentur Xinhua dies nur in ihrem englischsprachigen Dienst auf
Twitter mit, der im Reich der Mitte gesperrt ist. Für Chinesen im Land
löschen die Zensoren alle Beiträge dazu. Zudem erklärt diese These nicht,
warum Hu auf so erniedrigende Weise abgeführt wurde: Niemand dreht sich
nach ihm um, keiner wünscht ihm gute Besserung.
Nicht wenige vermuten des-halb, dass es sich um eine bewusst inszenierte
Demütigung von Xis Vorgänger gehandelt haben könnte – absichtlich erst dann
rausgeführt, als die ausländischen Korrespondenten im Saal waren.
Schließlich hatte Xi bei seiner Eröffnungsrede lang ausgebreitet, an welch
drastischem Problem die Partei vor seinem Amtsantritt zu Zeiten Hus
krankte. Andere vermuten hin-gegen, dass Hu die umstrittene dritte Amtszeit
Xis nicht ohne Kritik dulden wollte und des-halb unter Zwang gehen musste.
## Abschied von 43 Jahre Reformpolitik
Klar ist: Für einen durchchoreografierten Parteikongress, bei dem selbst
die Teetassen auf den Tischen der Delegierten zentimetergenau voneinander
platziert sind, war dies sehr un-gewöhnlich. „Das war nicht nur ein
Abschied von Hu Jintao, son-dern auch von 43 Jahren Reformpolitik“,
kommentiert ein chine-sischer User auf Youtube.
Xi brach jetzt mit mehreren jahrzehntealten Konventionen der Partei: So
kann derzeit kein Mitglied des Ständigen Ausschusses Erfahrungen im
Staatsrat vorweisen. Auch widersetzte sich Xi der goldenen Regel, dass die
erste Reihe der Parteikader spätestens mit 69 Jahren abdanken muss. Xi
fühlt sich offen-bar derart sicher im Amt, dass er sich um solche Normen
nicht mehr zu scheren braucht. Und erstmals seit den späten Neunzigern gibt
es keine einzige Frau mehr im 25-köpfigen Politbüro. Ein trauriger
Rückschritt, der wohl langfristige Auswirkungen auf die Gleichberechtigung
der Geschlechter haben wird: Über Jahre wird jungen Chinesinnen ein
politisches Vorbild fehlen, zu dem sie hinaufblicken können.
Am Sonntag fiel die große Stille in Chinas Internet auf: Als einige wenige
Staatsjournalisten auf der Onlineplattform Weibo ihre Glückwünsche in
patriotischen Postings formulierten, blockierten die Zensoren bereits vorab
die Kommentar-funktion, um Kritik im Keim zu ersticken. Auch auf der App
Wechat, auf der viele patriotische Chinesen sonst en masse die
Parteipropaganda teilen, blieb es zunächst ruhig. Es schien, als ob die
politischen Ereignisse von der Realität der Menschen völlig entkoppelt
waren.
23 Oct 2022
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
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