# taz.de -- KP-Parteitag in China: Xi Jinping fordert Loyalität | |
> Präsident Xi hat bei seiner Eröffnungsrede vor dem „schlimmsten Fall“ | |
> gewarnt. Spannend ist aber auch, was er in seiner 70-seitigen Rede | |
> ausspart. | |
Bild: Kein Ort für die freie Presse: Die Große Halle des Volkes in Peking | |
PEKING taz | In der Großen Halle des Volkes hat Xi Jinping vor mehr als | |
2.200 Delegierten den 20. Parteitag mit einer ideologisch durchsetzten Rede | |
eröffnet, die deutlich macht, welchen Kurs der 69-Jährige für die | |
Volksrepublik China vorsieht: Der Parteivorsitzende zeichnete am Sonntag | |
darin das Bild einer selbstbewussten Nation, die vor großen internationalen | |
Herausforderungen steht – und sich für einen drohenden Systemkonflikt mit | |
dem Westen wappnen muss. | |
Mit keiner Silbe erwähnte Xi Jinping in seiner Grundsatzrede hingegen: | |
seine Haltung zum russischen Krieg in der Ukraine, die heimische | |
Immobilienkrise, das Rekordniveau der Jugendarbeitslosigkeit oder das | |
psychische Leid der Menschen durch die Lockdowns. Viele grundlegende | |
Probleme finden im Weltbild des Xi Jinping schlicht keinen Platz. Ebenso | |
wenig wie eine öffentliche Debatte über eigene Schwächen. | |
Doch von vorne: Beim alle fünf Jahre tagenden Parteikongress wird Chinas | |
mächtigster Staatschef seit Mao Zedong seine Herrschaft mit einer | |
[1][umstrittenen dritten Amtszeit] krönen. | |
Dafür haben die Behörden Peking im Vorfeld des Parteitags zu einer | |
regelrechten Festung aufgerüstet: Bereits seit Monaten dürfen nur noch | |
Chinesen in die Hauptstadt reisen, in deren Städten zuvor sieben Tage lang | |
kein Corona-Fall registriert wurden. Und innerhalb der Hauptstadt wachen | |
mittlerweile an jeder Kreuzung freiwillige Helfer mit roten Kappen, die für | |
„gesellschaftliche Stabilität“ sorgen. | |
## Internationalen Unsicherheiten | |
Die Gretchen-Frage für die eigene Bevölkerung und die in China lebenden | |
Ausländer beantwortete Xi gleich zu Beginn seiner Rede: Das Land werde an | |
[2][seiner restriktiven „Null Covid“-Strategie] festhalten. Diese | |
präsentierte der Staatschef als „mutige Errungenschaft“, für die China au… | |
„international viel Lob“ erhalten habe. | |
Im Klartext bedeutet das auch, die Volksrepublik bleibt weiterhin | |
international isoliert, die dystopische Überwachung der Gesellschaft hält | |
an und das Wirtschaftsleben wird auf absehbare Zeit weiter von Lockdowns | |
unterbrochen werden. | |
Die Ökonomie, das wurde am Sonntag deutlicher denn je, fasst [3][Xi Jinping | |
grundsätzlich anders auf als seine Vorgänger]: Seit 2002 betonten die | |
chinesischen Staatschefs während ihrer Kongressreden vor allem die | |
wirtschaftlichen Aufstiegsmöglichkeiten und Wachstumsraten des Landes. | |
Xi Jinping hingegen spricht von „gemeinsamem Wohlstand“ und „moderater | |
Prosperität“. Im Vordergrund stehen aber ideologische Loyalität und | |
politische Kontrolle. | |
Zudem sollten Politiker in Berlin und Brüssel aufmerksam hinhören, wenn | |
Staatspräsident Xi Jinping von internationalen Unsicherheiten spricht. In | |
seiner Rede sagte er: Die 1,4 Milliarden Chinesen sollen sich „auf den | |
schlimmsten Fall“ vorbereiten und gegen „gefährliche Stürme“ wappnen. Xi | |
Jinping nannte „globale Veränderungen, wie sie in einem Jahrhundert nicht | |
gesehen worden sind“. | |
## Taiwan und China | |
Dass er damit den zunehmenden Systemkonflikt mit dem Westen unter der | |
Führung der USA meinte, ist mehr als offensichtlich. Doch darüber hinaus | |
beschwört Xi Jinping ständig Krisen von außen herauf, als taktisches | |
Kalkül, um seine Macht zu legitimieren. | |
Aber vor allem in der [4][Taiwan-Frage zeigte sich der chinesische | |
Staatschef] unnachgiebig. Man wolle zwar eine „friedliche | |
Wiedervereinigung“ erreichen. „Aber wir werden niemals versprechen, auf | |
militärische Gewalt zu verzichten“, sagte er. | |
Das ist inhaltlich weder neu noch überraschend. Doch die deutliche | |
Formulierung zum aktuellen, [5][jetzt schon historischen Zeitpunkt], hat | |
symbolische Aussagekraft: Xi Jinping denkt nicht daran, die westliche | |
Staatengemeinschaft diplomatisch zu besänftigen. | |
Jenseits der Taiwan-Straße gab sich die Regierung ob der Drohungen jedoch | |
lässig und unbeeindruckt. „Konfrontation ist definitiv keine Option für | |
beide Seiten“, sagte ein Sprecher von Präsidentin Tsai Ing-wen am Sonntag. | |
[6][Taiwan] sei ein „souveränes und unabhängiges Land“. Dessen 23 Million… | |
Einwohner wollen Demokratie, Freiheit und ihre territoriale Integrität | |
wahren. | |
## Pressefreiheit beim Kongress | |
Das Modell Festlandchinas dürfte die meisten Taiwaner hingegen abschrecken. | |
Wenn Xi Jinping wie am Sonntag von der „Besonderheit der chinesischen | |
Modernisierung“ spricht, dann meint er damit eine Gesellschaft unter | |
vollständiger Kontrolle der Partei: Die Religionsgemeinschaften sind ihr | |
untergeordnet, die Rechte der Minderheiten, ja sogar auch die | |
Privatunternehmen. | |
Und die [7][heimischen Medien werden längst nur als Propagandisten] | |
geduldet. Doch auch die ausländischen Korrespondenten spielten bei diesem | |
Parteitag erstmals nur eine reine Statistenrolle: Noch vor fünf Jahren | |
konnten Korrespondenten frei auf Delegierte zugehen und Fragen stellen – | |
direkte Antworten waren aber schon damals unmöglich. Nun musste die Presse | |
zwei Tage in Hotelquarantäne, um dann bei der eröffnenden Pressekonferenz | |
am Samstag in einem Raum mit Bildschirmleinwand zu landen. | |
Die Nuancen der über 70 Seiten langen Rede von Xi werden viele Analysten | |
und Sinologen erst in den nächsten Tagen entziffern – für sie hat das große | |
Kaffeesatzlesen erst begonnen. Sie werden die Rede Xi Jinpings auf ihre | |
linguistischen Feinheiten auseinandernehmen, zwischen den Zeilen lesen und | |
mit vorherigen Parteikongressen vergleichen. Dabei werden manchmal auch | |
schlicht Begriffe quantitativ gezählt, um die Stoßrichtung des Landes zu | |
erahnen. | |
Ein paar Besonderheiten sind aber schon klar: Den Begriff „Sicherheit“ | |
nannte Xi mehr als 40 Mal. Eine Auseinandersetzung mit der internationalen | |
Kritik blieb hingegen ganz aus. | |
16 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Seltener-Protest-in-Peking/!5884093 | |
[2] /Coronamassnahmen-in-China/!5886592 | |
[3] /Chinas-Machthaber-Xi-Jinping/!5885241 | |
[4] /Konflikt-um-Taiwan/!5872795 | |
[5] /USA-unterstuetzt-Taiwan/!5877562 | |
[6] /Taiwan/!t5018969 | |
[7] /Pressefreiheit-in-China/!5789305 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
## TAGS | |
China | |
Xi Jinping | |
Kommunistische Partei | |
KP China | |
Taiwan | |
Mao Tsetung | |
China | |
China | |
China | |
Xi Jinping | |
Russland | |
China | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Parteitag der KP Chinas: Kein Weg vorbei an Xi | |
Chinas Bevölkerung steht weitere Überwachung und Drangsalierung bevor. Der | |
Westen muss dennoch mit dem riesigen Land kooperieren. | |
KP-China beendet Parteikongress: Dritte Amtszeit für Xi Jinping | |
Seit Mao war kein Führer der KP-China mehr so mächtig wie Xi. Er schart | |
loyale Gefolgsleute um sich, Vorgänger Hu wird demütigend entfernt. | |
Parteitag der KP in Peking: Sein Reich komme | |
Chinas Staatschef Xi setzt auf staatliche Steuerung und Repressionen. Im | |
Westen besteht die Hoffnung, er werde sich damit selbst demontieren. | |
Chinas Machthaber Xi Jinping: Der nächstgrößere Vorsitzende | |
Eigentlich sollte kein Staatschef je wieder so mächtig werden wie Mao. Doch | |
am Wochenende soll Xi Jinping für eine dritte Amtszeit gewählt werden. | |
Sicherheitspolitik der USA: Bidens Weltsicht auf 48 Seiten | |
Die neue Nationale Sicherheitsstrategie der USA in einem Satz: Russland | |
stellt die akuteste Bedrohung dar, China aber die bedeutsamere. | |
Seltener Protest in Peking: Aufruf zum Sturz des Diktators | |
In Zentrum der Hauptstadt hat ein Unbekannter zwei systemkritische Banner | |
aufgehängt. Es ist eine der größten Protestaktionen in zwanzig Jahren. |